Guten Tag
Ich bin neu auf der Fachstelle und habe aktuell einen Klienten in Beratung, der sich mit folgender Sache herumplagt:
Er hat einen Geburtsschein im Kosovo beantragt, der angeblich nicht zugestellt werde.
Der Bruder, welcher im Kosovo weile, werde diesen nachreichen. Hierauf müsse noch das SEM angeblich eine Beweilligung einreichen oder eine Bestätigung (?).
Wie dem auch sei, Fakt ist, dass dem Klienten monatlich Hilfestellungen aus der Sozialhilfe entgehen, da er für den Säugling (6 Monate alt) keinerlei Unterstützung durch die Sozialhilfe erhält, solange dieser nicht anerkannt sei - was durch den Geburtsschein belegt werden müsse.
Wie können wir hier vorgehen, damit derselbe baldmöglichst zu uns kommt.
Grüsse
Frage beantwortet am
Ruth Schnyder
Expert*in Sozialhilferecht
Sehr geehrter Herr Bruni
Gerne beantworte ich Ihre Anfrage, die ich diesen Mittwoch übermittelt erhalten habe. Vorwegnehmen muss ich jedoch, dass ich erst erste Überlegungen zur Frage zum Geburtsschein anstellen konnte. In diesem Zusammenhang würde mich interessieren, ob allenfalls die zuständige KESB eingeschaltet wurde. Falls dem so ist: Wie ist der Klient mit der Behörde verblieben? Ausserdem würde mich noch interessieren, ob die Kindsmutter ebenfalls in der Schweiz bzw. zusammen mit Vater und Kind lebt.
Sie halten fest, dass das Kind keinerlei Unterstützung durch die Sozialhilfe erhält. Wenn ich Sie richtig verstehe, verfügt das Kind wegen des fehlenden Geburtsscheins über keinen geregelten Aufenthalt in der Schweiz. Ist das korrekt? In der Regel haben die Kantone für diesen Personenkreis vorgesehen, dass Nothilfe ausgerichtet wird. Damit setzen Sie Art. 12 der Bundesverfassung (BV) um: Danach hat Anspruch auf Hilfe und Betreuung und auf die Mittel, die für ein menschenwürdiges Dasein unerlässlich sind, wer in Not gerät und nicht in der Lage ist, für sich zu sorgen. Ich gehe davon aus, dass es sich um eine Aargauer Sozialhilfebehörde handelt. Nach § 10 Sozialhilfe- und Präventionsverordnung des Kantons Aargau (SPV) sind mit gewissen, hier nicht relevanten Ausnahmen die SKOS-Richtlinien für den Kanton Aargau verbindlich. Die Nothilfe ist in der SPV nur in Bezug auf die ausreisepflichten Personen mit negativem Asylentscheid (§ 16 ff. SPV) geregelt. Der vorliegende Fall ist aus meiner Sicht jedoch nicht von diesen Bestimmungen erfasst. Es kommen daher generell die Empfehlungen der SKOS-RL zu Art. 12 BV zum Tragen (Kapitel A.9) und damit auch die Empfehlungen der SODK unter http://www.sodk.ch/fachbereiche/migration/sozialhilfe-und-nothilfe-im-asylbereich/. Nichts Gegenteiliges lässt sich dem Handbuch des Departements Soziales und Gesundheit Kanton Aargau entnehmen, dies unter nachfolgendem Link: https://www.ag.ch/de/dgs/gesellschaft/soziales/handbuchsoziales/4artendermateriellenunterstuetzung/4_3nothilfe/nothilfe.jsp.
In Bezug auf die Bemessung der Nothilfe ist der Säugling zweifellos als vulnerabel bzw. verletzlich zu betrachten. D.h. ihm ist nicht die gleiche Nothilfe auszurichten wie für eine erwachsene Einzelperson.
Damit empfehle ich Ihnen fürs Erste, dem Klienten zu raten, beim zuständigen Sozialdienst bzw. bei der zuständigen Sozialhilfebehörde für das Kind einen Antrag auf Ausrichtung von Nothilfe zu stellen. Falls die Behörde den Klienten nicht als vertretungsberechtigt anerkennen würde, wäre die KESB einzuschalten.
Soweit eine erste Einschätzung. Vielen Dank für Ihre weiteren Angaben zum vorliegenden Fall.
Freundliche Grüsse
Ruth Schnyder