Guten Tag
Eine Patientin von mir konnte ab dem 20.04.2023 ihre Tätigkeit als Sekretärin nicht mehr ausüben. Sie war an Krebs erkrankt.
Im Juni 2023 hat sie noch 3 Wochen 90% gearbeitet, bis es nicht mehr möglich war.
Das Gesuch bei der IV hat Frau A. am 02.11.2023 bei der IV-Stelle eingereicht.
Die IV hat nun schon am 14.05.24 entschieden, dass Frau A. Anspruch auf eine volle IV-Rente habe. Auf eine Abklärung vor Ort wurde verzichtet, da der IV-Grad ohne Berücksichtigung allfälliger Einschränkungen im Haushalt 90% betrage und damit ab 01.05.2024 Anspruch auf eine ganze Rente bestehe.
Sachbearbeiterin Anteil in % 90 Einschränkung 100% ---> IV-Grad 90%
Haushalt 10 % Einschränkung 0%
Zahlen zum Validen- und Invalideneinkommen wurden im Vorbescheid keine genannt.
Frau A hat nun im Betrieb während April 2024 und Mai 2024 einen Arbeitsversuch absolviert. Dieser Arbeitsversuch sei mit dem Arbeitgeber abgesprochen worden. Der Taggeldversicherer sei informiert worden, die IV sei über den Arbeitsversuch nicht in Kenntnis gesetzt worden.
Von den Ärzten wurde nun Frau A. ab 01.06.24 eine Arbeitsfähigkeit von 50% attestiert. Sie sei auch bereit und fühle sich in der Lage, in diesem Pensum zu arbeiten.
Frau A. war sehr überrascht, dass die IV schon einen Entscheid gefällt hat. Es ist für sie unklar, welche Schritte sie unternehmen soll. Sie hofft, dass sie den offiziellen Arbeitseinstieg wieder schafft und zu den 50% Lohn ein 50%iges Krankentaggeld beziehen könnte.
Haben Sie mir eine Idee, was Frau A bei der Entscheidfindung helfen könnte?
Ich würde vorschlagen, die IV zu informieren, dass ab 01.06.24 Frau A. wieder 50% arbeite, es ihr gesundheitlich besser gehe und nachfragen, ob mit dem Rentenentscheid noch zugewartet werden könnte, bis ein stabiler Gesundheitszustand zu verzeichnen sei. Oder könnte hier bei der IV ein Arbeitsversuch beantragt werden?
Vielen Dank im Voraus für Ihre Rückmeldung.
Freundliche Grüsse
Frage beantwortet am
Peter Mösch Payot
Expert*in Sozialversicherungsrecht
Guten Tag!
Tatsächlich hat die Versicherte die Verpflichtung, bedeutsame Aspekte und Veränderungen unverzüglich der IV zu melden (Art. 28 ATSG; Art. 31 ATSG).
Dies gilt auch im vorliegenden Fall. Es ist auch in der Sache ratsam, weil so mühsame und unnötige Rückforderungen verhindert werden können.
Konkret sollte die IV über den Arbeitsversuch informiert werden, ebenso über die aktuelle Arbeitsfähigkeit, und es kann angeregt werden, dass vor diesem Hintergrund geprüft werden soll, ob die vorgesehene Rente zu befristen sei, bzw. ob wegen des nun doch bestehenden Eingliederungspotentials ein Anspruch auf weitere Eingliederungsmassnahmen wie Arbeitsversuche bestehen könnten (vgl. Art. 8 Abs. 1 IVG). Falls die Klientin diesbezüglich eine Idee oder ein Projekt hat, ev mit dem Arbeitgeber, welches dem Aufbau der Arbeitsfähigkeit dient, so kann dies ebenfalls eingebracht werden. Ev. auch mündlich bei einem Gespräch mit der zuständigen Eingliederungsfachperson der IV.
Ich hoffe, das dient Ihnen.
Prof. Peter Mösch Payot