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Fristlose Kündigung - ungerechtfertigte Vorwürfe

Veröffentlicht:
04.12.2020
Status:
Beantwortet
Rechtsgebiet:
Arbeitsrecht

Guten Tag,

Ich betreue eine Klientin, welche im 4. Dienstjahr ohne Vor- oder Verwarnung in einem Gespräch mit drei Vorgesetzten mit dem Vorwurf konfrontiert wurde, sie habe Geld in der Höhe von 1000 Fr. unterschlagen. Die Klientin arbeitete als Kassiererin in einem Restaurant. Unter Druck hat sie sich im Gespräch dazu bewegen lassen, das Protokoll mit Beschreibung der Vorwürfe und des Tatbestands zu unterzeichnen ("ich gebe zu, Geld ... unterschlagen zu haben"). Gleichzeitig erhielt sie die fristlose Kündigung. In beiden Dokumenten heisst es, dass man sie für den Schaden haftbar machen werde. Bis jetzt hat der Arbeitgeber jedoch keine Forderung gestellt und wohl auch keine rechtlichen Schritte unternommen.

Die Klientin weist die Vorwürfe von sich, könne ihre Unschuld jedoch nicht beweisen.

Es seien noch Ferien und Überstunden offen, zudem sei noch kein Arbeitszeugnis ausgestellt worden.

Meine Fragen:

Was kann die Klientin in dieser Situation tun, um den Schaden möglichst gering zu halten? Wie sollte die Klientin sich in dieser Situation verhalten, um möglichst wenig Probleme mit der Arbeitslosenkasse zu bekommen?

Frage beantwortet am

Kurt Pärli

Expert*in Arbeitsrecht

Sehr geehrte …

Gerne beantworte ich Ihre Frage wie folgt.

Das Unterschlagen von Geld ist zweifellos ein wichtiger Grund, der ausreicht, um ein Arbeitsverhältnis fristlos aufzulösen. Das Vorliegen eines wichtigen Grundes muss von der Arbeitgeberin bewiesen werden. Welche Beweise die Arbeitgeberin der Arbeitnehmerin vorgelegt hat, entnimmt sich ihren Schilderungen nicht. Hingegen erwähnen Sie, dass Ihre Klientin ein Dokument unterzeichnet hat, in dem Sie die Unterschlagung zugibt. Allerdings bestreitet die Klientin den Vorwurf und gibt an, sie sei für die Unterzeichnung dieses Dokuments unter Druck gesetzt worden. Wenn es sich tatsächlich so verhält, dann wäre das entsprechende Verhalten des Arbeitgebers bzw. des Vorgesetzten eine strafbare Handlung (Nötigung). Käme ein Gericht zum Schluss, dass Nötigung vorläge, würde auch der Grund für die fristlose Kündigung dahinfallen, sofern die Arbeitgeberin nicht auf anderem Wege belegen kann, dass Ihre Klientin 1000 Franken unterschlagen hat.

Was ist jetzt zu tun? Ihre Klientin muss umgehend bei der Arbeitgeberin schriftlich Einsprache gegen die fristlose Kündigung erheben. Sie muss dabei geltend machen, dass Sie die Unterschlagung nicht begangen hat und auch hervorhoben, dass sie zur Unterzeichnung des fraglichen Dokuments gezwungen worden war. Ihre Klientin muss in diesem Schreiben auch ihre sofortige Arbeitsleistung anbieten. Auch ist eine rasche Stellungnahme zur Einsprache zu fordern.

Dieser Schritt ist sehr wichtig, denn nur so kann ggf. vor Arbeitsgericht Klage wegen missbräuchlicher fristloser Kündigung eingereicht werden. Eine Strafanzeige gegen die Arbeitgeberin kann ebenfalls ins Auge gefasst werden, ich würde aber damit zuwarten, bis die Arbeitgeberin auf die schriftliche Einsprache reagiert hat.

Zudem muss sich ihre Klientin mit Blick auf eine allfällige und wahrscheinliche Arbeitslosigkeit umgehend bei den Behörden der Arbeitslosenversicherung melden. Auch hier muss sie deutlich machen, dass die fristlose Kündigung zu Unrecht erfolgte.

Genügen Ihnen diese Auskünfte? Mit Dank für die Kenntnisnahme und freundlichen Grüssen

Kurt Pärli

Sehr geehrter Herr Pärli

Besten Dank für Ihre prompte und kompetente Antwort! Ich hätte dazu noch folgende Nachfragen: Käme die Einsprache jetzt noch rechtzeitig, wenn die fristlose Kündigung bereits am 25. Oktober 2020 erfolgt ist? Und wie kann die Klientin eine Nötigung beweisen? Das Gespräch mit drei Vorgesetzten erfolgte unangekündigt und man konfrontierte sie mit den Vorwürfen ohne ihr Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. Das Gespräch habe deshalb auch nur 10 min. gedauert. Das sind jedoch keine Beweise, sondern lediglich eine Beschreibung des Gesprächsablaufs. Würde das ausreichen? Und in welchem Fall würden Sie zu einer Strafanzeige raten?

Ich danke Ihnen schon jetzt, dass Sie sich nochmals Zeit nehmen für meine Fragen.

Freundliche Grüsse,

Ruth Roscha

Frage beantwortet am

Kurt Pärli

Expert*in Arbeitsrecht

Sehr geehrte Frau Roscha

Gerne beantworte ich auch diese Fragen:

Bei ordentlichen Kündigung muss die Einsprache innerhalb der Kündigungsfrist erfolgen. Bei fristlosen Kündigungen besteht das Problem, dass gar keine Kündigungsfrist mehr besteht. Aus diesem Grund wird für die zulässige  Einsprachefrist die Zeitspanne der theoretisch im konkreten Fall bei ordentlicher Kündigung zulässigen Kündigungsfrist berechnet. Bei einem Mitarbeiter im vierten Dienstjahr gilt ohne anderweitige vertragliche Abmachung eine Kündigungsfrist von zwei Monaten. Gemäss Ihren Angaben erfolgte die fristlose Kündigung am 25.10.2020, die ordentliche Kündigung von zwei Monaten bedeutet, dass das Arbeitsverhältnis per 31.12.2020 gekündigt werden könnte. Somit reicht es noch, wenn umgehend schriftlich Einsprache gemässen meinen obigen Angaben gemacht wird.

Zur Strafanzeige; Ihr Klient muss die Nötigung nicht beweisen, im Strafverfahren gilt vielmehr der Untersuchungsgrundsatz, d.h., die Strafverfolgungsbehörden haben abzuklären, was sich tatsächlich abgespielt hat. Eine Einsprache mit Angebot, weiterhin im Betrieb arbeiten zu wollen und gleichzeitig das Einreichen einer Strafanzeige erachte ich aber als heikel. Auch kann die Arbeitgeberin mit einer Strafanzeige wegen Diebstahl reagieren. Die Strafanzeige wegen Nötigung würde ich nur prüfen, wen die Arbeitgeberin nicht angemessen auf die Einsprache reagiert.

Genügen Ihnen diese zusätzlichen Auskünfte?

Mit Dank für die Kenntnisnahme und freundlichen Grüssen

Kurt Pärli