Ich habe einen Klienten, welche sich neu für Sozialhilfe angemeldet hat. Er war während drei Jahren bei einer Firma im Stundenlohn angestellt. Einen schriftlichen Arbeitsvertrag gibt es nicht. Es wurde alles mündlich abgemacht. Im März 2022 hat er zuletzt einen Lohn erhalten. Der Klient fehlte aufgrund der Trennung von seiner Partnerin. Die Trennung hat ihn ziemlich aus der Bahngeworfen. Dies hat er auch dem Arbeitgeber auch mitgeteilt. Jedoch hat der Klient kein Arztzeugnis oder ähnliches vorlegen können. Der Arbeitgeber akzeptierte seine Abwesenheit aus privaten Gründen nicht und hat ihm gesagt, dass sie ihm kündigen. Der Klient hat dem so zugestimmt. Es liegt kein schriftliches Kündigungsschreiben vor. Der Arbeitgeber hat dann ein Arbeitszeugnis im Mai 2022 ausgestellt, dass der Klient auf eigenen Wunsch das Unternehmen per 31.03.2022 verlassen hat. Dies hat jetzt Folgen für die Arbeitslosenversicherung und der Klient muss jetzt mit Sperrtagen rechnen. Kann hier noch etwas rechtliches vom Arbeitgeber verlangt werden? Oder ist dies alles so zu akzeptieren?
Ich danke für die Rückmeldung.
Frage beantwortet am
Andreas Petrik
Expert*in Arbeitsrecht
I. Fristlose Kündigung durch die Arbeitgeberin, einvernehmliche Auflösung des Arbeitsverhältnisses oder Kündigung durch den Arbeitnehmer?
Gemäss Ihren Ausführungen hat Ihr Klient der Kündigung des Arbeitsverhältnisses zugestimmt. Da die Kündigung immer einseitig erfolgt, ist es rechtlich gesehen nicht möglich, einer Kündigung zuzustimmen. Fraglich ist hingegen, ob er mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses einverstanden war oder nicht. Massegebend ist dabei nicht, was sein wirklicher Wille war, sondern wie sein Gegenüber seine Äusserung nach Treu und Glauben verstehen durfte.
Aufgrund ihrer Schilderung sind drei Varianten denkbar:
- Ihr Klient war mit der sofortigen Beendigung des Arbeitsvertrages nicht einverstanden: Ohne Zeugen lassen sich seine Äusserungen nicht beweisen, weshalb er sich auf den Standpunkt stellen könnte, nie mit der sofortigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses einverstanden gewesen zu sein. Ohne Einverständnis zur sofortigen Beendigung würde eine fristlose Kündigung vorliegen und es könnte der Lohn während der Kündigungsfrist und eine zusätzliche Entschädigung eingefordert werden (siehe nachfolgend unter II.).
- Ihr Klient war mit der sofortigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses einverstanden: Falls Ihr Klient seine Zustimmung zur sofortigen Beendigung gegeben hat, würde ein Aufhebungsvertrag vorliegen. Da er auf die Einhaltung der gesetzlichen Mindestkündigungsfrist verzichtet hat und der Arbeitgeber seinerseits keine Zugeständnisse gemacht hat, wäre dieser Aufhebungsvertrag nicht zulässig und Ihr Klient könnte einen Monatslohn beim ehemaligen Arbeitgeber einfordern (siehe nachfolgend unter III.).
- Ihr Klient war nicht mehr bereit, seine Arbeitsleistung zu erbringen: Wenn er – nachweislich – zum Ausdruck gebracht hat, dass er nicht mehr bereit ist, seiner Arbeitspflicht nachzukommen, könnte er keine Forderungen aus dem Arbeitsvertrag geltend machen. Eine Äusserung, wonach bis auf weiteres keine Arbeit mehr geleistet werden wird, könnte sogar als fristlose Kündigung durch Ihren Klienten angesehen werden. Diesfalls könnte sogar die Arbeitgeberin Ansprüche gegenüber Ihrem Klienten geltend machen.
II. Ungerechtfertigte fristlose Kündigung
Geltend gemacht werden könnte der Lohn, der während der Kündigungsfrist verdient worden wäre und zusätzlich eine Entschädigung von maximal sechs Monatslöhnen.
Damit Anspruch auf Lohn während der Kündigungsfrist und eine Entschädigung besteht, muss es sich um eine ungerechtfertigte fristlose Kündigung handeln. Dies ist der Fall, wenn kein wichtiger Grund für die Auflösung des Arbeitsverhältnisses bestanden hat. Ob ein wichtiger Grund vorliegt, wird anhand der Umstände des Einzelfalles beurteilt, wobei die Anforderungen grundsätzlich hoch sind. So stellt ein einmaliges unentschuldigtes Fernbleiben vom Arbeitsplatz gemäss Rechtsprechung keinen wichtigen Grund dar. In Ihrem Fall ist relevant, wie lange die Abwesenheit vom Arbeitsplatz andauerte und ob der Arbeitgeber über das Nichterscheinen informiert wurde oder nicht.
Liegt ein wichtiger Grund vor, muss die fristlose Kündigung umgehend ausgesprochen werden. Wartet der Arbeitgeber mit dem Aussprechen der fristlosen Kündigung ab, ist diese verspätet und damit nicht gerechtfertigt.
Wurde nichts anderes vereinbart – in Ihrem Fall scheint dies zuzutreffen – beträgt die Kündigungsfrist 2 Monate. Es könnte demnach der Lohn für zwei Monate gefordert werden. Bei unregelmässiger Beschäftigung wird betreffend Lohnhöhe auf einen Durchschnittswert abgestellt. Der Betrag reduziert sich um die den Verdienst, der an einem anderen Arbeitsplatz erzielt wurde oder hätte erzielt werden können.
Die zusätzliche Entschädigung beträgt maximal sechs Monatslöhne, die Praxis ist jedoch eher zurückhaltend, weshalb von maximal zwei bis drei Monatslöhnen auszugehen ist. Berücksichtigt würde auch der Umstand, dass Ihr Klient trotz Arbeitsfähigkeit nicht mehr zur Arbeit erschienen ist. Falls überhaupt eine zusätzliche Entschädigung zugesprochen würde, würde diese maximal im Bereich von einem Monatslohn liegen.
Unter dem Titel «ungerechtfertigte fristlose Kündigung» könnten damit zwei bis drei Monatslöhne gefordert werden. Die Erfolgschancen hängen massgeblich davon ab, ob sich Ihr Klient seinen Arbeitgeber über das Nichterscheinen informiert hat und wie lange er abwesend war.
III. Unzulässiger Verzicht auf zwingende Rechte (Aufhebungsvertrag)
Auch im Falle, dass von einer einvernehmlichen Auflösung des Arbeitsverhältnisses ausgegangen wird, könnten Ansprüche geltend gemacht werden. Hintergrund ist, dass während des Arbeitsverhältnisses und eines Monats nach dessen Beendigung der Arbeitnehmer nicht auf Rechte verzichten kann, dies sich aus zwingenden Vorschriften ergeben. Die Kündigungsfrist beträgt mindestens einen Monat (davon zu unterscheiden ist die Regel, wonach die Kündigungsfrist je nach Dienstjahr ein bis drei Monate beträgt, von diesen Fristen kann vertraglich abgewichen werden, weshalb es sich nicht um eine zwingende Vorschrift handelt).
Die Rechtsprechung lässt einen Verzicht entgegen dem gesetzlichen Verzichtsverbot zu, wenn beide Parteien Zugeständnisse machen. In Ihrem Fall profitiert ausschliesslich der Arbeitgeber, weshalb der Verzicht auf die Einhaltung der Kündigungsfrist nicht zulässig ist.
In Bezug auf die Rechtsfolgen eines unzulässigen Verzichts bestehen zwei Möglichkeiten. Nach der einen Auffassung besteht das Arbeitsverhältnis fort. Ist Ihr Klient weiterhin arbeitsfähig, müsste er seine Arbeitsleistung erbringen oder zumindest anbieten, damit er Anspruch auf Lohn hat. Nur wenn der Arbeitgeber klar zum Ausdruck bringt, dass er die Arbeitsleistung nicht annehmen wird, besteht der Lohnanspruch auch ohne angebotene Arbeitsleistung.
Nach anderer Auffassung wird das Arbeitsverhältnis trotz unzulässigem Verzicht auf Rechte, die sich aus zwingenden Vorschriften ergeben, beendet. Der Arbeitnehmer hat jedoch Anspruch auf das, worauf er unzulässigerweise verzichtet hat. In Ihrem Fall wäre das der Lohn für den Monat, der mindestens als Kündigungsfrist hätte eingehalten werden müssen.
Zusammenfassend ist festzuhalten, dass der Aufhebungsvertrag ausschliesslich zu Gunsten des Arbeitgebers ist und der Verzicht auf die Einhaltung der gesetzlichen Mindestkündigungsfrist von einem Monat damit unzulässig ist. Ihr Klient könnte einen Monatslohn von seinem ehemaligen Arbeitgeber einfordern.
IV. Empfehlung
Die Variante, zwei bis drei Monatslöhne wegen ungerechtfertigter fristloser Kündigung geltend zu machen, erscheint mir risikoreicher als die Variante, einen Monatslohn infolge Unzulässigkeit des Aufhebungsvertrages einzufordern. Ich würde deshalb in Richtung der zweiten Variante tendieren.
Die Tatsache, dass Ihr Klient trotz bestehender Arbeitsfähigkeit seine Arbeitsleistung nicht erbracht hat verbunden mit dem Einverständnis mit der Kündigung – das Einverständnis mit der Kündigung könnte auch so ausgelegt werden, dass er auch in Zukunft seine Arbeitsleistung nicht mehr erbracht hätte – spricht jedoch nicht für Ihren Klienten. Das Verhalten könnte sogar als fristlose Kündigung seinerseits interpretiert werden.
Insgesamt erweist sich ein Vorgehen gegen den ehemaligen Arbeitgeber als schwierig, weshalb eher davon abzuraten ist, Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis geltend zu machen.