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Frist für Abschluss einer KVG-Versicherung bei EU-Bürgern im Meldeverfahren

Veröffentlicht:
01.12.2020
Status:
Beantwortet
Rechtsgebiet:
Sozialversicherungsrecht

Sehr geehrter Herr Mösch,

Personen, die in der Schweiz Wohnsitz (mit der Absicht des dauernden Verbleibs) nehmen, haben eine 3 Monatige Anmeldefrist für den Abschluss einer KVG-Versicherung. gemäss Art. 3 KVG besteht auch für EU-Bürger im Meldeverfahren eine KVG-Versicherungspflicht: (Im KVG gibt es hierzu zwar nur eine Kann-Bestimmung, auf einer Internetseite des BAG wird aber explizit auf die Versicherungspflicht von EU-Bürgern im Meldeverfahren hingewiesen. Nun haben wir einen Fall, wo sich die KVG Versicherung weigert, die Person in die Versicherung aufzunehmen. Gilt dort ebenfalls die 3-Monatige Aufnahmefrist? Dazu habe ich folgende Art. des KVG recherchiert

  Art. 3 Versicherungspflichtige Personen

1 Jede Person mit Wohnsitz in der Schweiz muss sich innert drei Monaten nach der Wohnsitznahme oder der Geburt in der Schweiz für Krankenpflege versichern oder von ihrem gesetzlichen Vertreter beziehungsweise ihrer gesetzlichen Vertreterin versichern lassen.

2 Der Bundesrat kann Ausnahmen von der Versicherungspflicht vorsehen, (...)

3 Er kann die Versicherungspflicht auf Personen ohne Wohnsitz in der Schweiz ausdehnen, insbesondere auf solche, die:

a.3

in der Schweiz tätig sind oder dort ihren gewöhnlichen Aufenthalt (Art. 13 Abs. 2 ATSG4) haben;

 

  Art. 6 Kontrolle des Beitritts und Zuweisung an einen Versicherer

1 Die Kantone sorgen für die Einhaltung der Versicherungspflicht.

2 Die vom Kanton bezeichnete Behörde weist Personen, die ihrer Versicherungspflicht nicht rechtzeitig nachkommen, einem Versicherer zu.

  Art. 6a1Kontrolle des Beitritts und Zuweisung an einen Versicherer für Versicherte mit Wohnort in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union, in Island oder in Norwegen2

1 Die Kantone informieren über die Versicherungspflicht:

a.

die auf Grund einer Erwerbstätigkeit in der Schweiz versicherungspflichtigen Personen, die in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union, in Island oder in Norwegen wohnen;

b. c. (...)

2  (...)

3 Die vom Kanton bezeichnete Behörde weist Personen, die ihrer Versicherungspflicht nicht rechtzeitig nachkommen, einem Versicherer zu. (...)

Welches ist im Aargau die entsprechende kantonale Behörde, die eine versicherungspflichtige Person einer Versicherung zuweist? Unsere Klientin konnte dazu keine Angaben machen und war zum Zeitpunkt des Eintretens eines medizinischen Notfalls noch nicht versichert. Wenn für sie ebenfalls die 3 monatige Beitrittsfrist gilt, kann die KVG-Versicherung sie meiner Ansicht nach nicht ablehnen. Das Meldeverfahren war für eine Arbeitsdauer von knapp 2 Monaten gültig. Die Versicherung wurde vor Ablauf des Meldeverfahrens, nicht aber zu dessen Beginn abgeschlossen. Kann dies ein Grund sein, dass die Versicherung die Aufnahme ablehnt? 

Besten Dank für Ihre Stellungnahme^& freundliche Grüsse

Anja Keller

Frage beantwortet am

Peter Mösch Payot

Expert*in Sozialversicherungsrecht

Sehr geehrte Frau Keller

Im Kanton Aargau sind für die Durchsetzung der Versicherungspflicht die Gemeinden zuständig.

Siehe weitere Informationen unter:   https://www.ag.ch/de/dgs/gesundheit/gesundheitsversorgung/krankenversicherung/versicherungspflicht/versicherungspflicht.jsp

Die gemeinsame Einrichtung KVG vollzieht für den Kanton Aargau bei Aufenthaltern und Grenzgängern die mögliche Befreiung von der Versicherungspflicht. Siehe dazu: https://www.kvg.org/de/aargau-_content---1--1038--46.html

Mir ist im vorliegenden Fall nicht klar, mit welchem Argument in casu die Versicherung die Aufnahme ablehnt.

Ich rate dazu, im vorliegenden Fall das  Departement Gesundheit und Soziales - Abteilung Gesundheit einzubeziehen (Bachstrasse 15 5001 Aarau, Tel.: 062 835 29 94versicherungspflicht@ag.ch) für das weitere Vorgehen.

Und bei der Krankenversicherung eine schriftliche begründete Verfügung für die Ablehnung zu verlangen (unter Verweis auf Art. 80 KVG).

Ich hoffe, das dient vorerst.

Peter Mösch Payot

Sehr geehrter Herr Mösch,

besten Dank für Ihre Ausführungen. Dies hilft uns sehr viel weiter. Die Begründung der Krankenkasse war, dass für die Person kein Wohnsitz angemeldet ist. Wir haben im KVV noch eine weitere gesetzliche Grundlage zur Versicherungspflicht für Personen im Meldeverfahren gefunden:

Art. 1 Abs 2 Bst. g, KVV

Abschnitt: Versicherungspflichtige Personen

Art. 1 Versicherungspflicht

1 Personen mit Wohnsitz in der Schweiz nach den Artikeln 23–26 des Zivilgesetzbuches1 (ZGB) unterstehen der Versicherungspflicht nach Artikel 3 des Gesetzes.

2 Versicherungspflichtig sind zudem:

(…)

g.12

Personen, die während längstens drei Monaten in der Schweiz erwerbstätig sind und nach dem Freizügigkeitsabkommen oder dem EFTA-Abkommen hierfür keine Aufenthaltsbewilligung benötigen, sofern sie für Behandlungen in der Schweiz nicht über einen gleichwertigen Versicherungsschutz verfügen.

In unserem Fall hatten wir vor Versicherungsabschluss bei der Gemeinsamen Einrichtung KVG abgeklärt, dass die (EU)-ausländische Versicherung keine Deckung für die Schweiz beinhaltet.

Besten Dank, wir fühlen uns jetzt "juristisch sattelfest" in dieser Frage.

Freundliche Grüsse

Anja Keller

Frage beantwortet am

Peter Mösch Payot

Expert*in Sozialversicherungsrecht

Tipptopp. Auch auf diese zusätzliche Grundlage kann hingewiesen werden gegenüber der Krankenkasse. Wo notwendig, einfach rückfragen!

Peter Mösch Payot