Ausgangslage:
-Kind mit Beistandschaft
-Mama mit Beistandschaft (u.a. Vertretungsbeistandschaft bezüglich Einkommens- und Vermögensverwaltung, Verkehr mit Behörden, Ämter, Sozialversicherungen etc.) bezieht eine IV-Rente (SVA GR) und EL
-Kind bezieht IV-Kinderrente (aufgrund IV-Rente Mutter) und ist in der EL-Berechnung der Mama
-Kind ist seit dem 21.10.2020 in einem Heim platziert
-Finanzierung Heimkosten bisher über wirtschaftliche Sozialhilfe
-Meldung bei der SVA GR wegen der Platzierung. Daraufhin wurde zuerst verfügt, dass das Kind nicht mehr in der Berechnung der Mutter aufgeführt wurde. Anschliessend eine neue Verfügung, welche dies revidierte und das Kind wieder in die Berechnung aufnahm.
-Aufgrund der Schwierigkeiten auch betr. Berechnung des Elternbeitrages (wirtschaftliche Sozialhilfe) wurde ein Antrag zur Erweiterung der Beistandschaft des Kindes in Bezug auf die Einkommens- und Vermögensverwaltung eingeleitet. Die Beistandschaft wurde nun angepasst.
-Es erfolgte eine Anfrage an die SVA GR betreffend Anpassung der Auszahlung. Diese teilte mit, dass die Auszahlung nicht gesplittet werden könne.
Offene Fragen:
-Das Kind ist jedes zweite Wochenende sowie einen Teil der Ferien bei der Mama.
-Wer hat die Kosten des Heimes zu übernehmen? Über EL oder wirtschaftliche Sozialhilfe?
-Was ist in Bezug auf die Berechnung des Elternbeitrages zu beachten?
-Was ist in Bezug auf die Einkommen (IV-Kinderrente und Anteil EL) zu beachten?
-Gibt es weitere wichtige rechtliche Grundlagen, welche zu berücksichtigen sind?
Frage beantwortet am
Ruth Schnyder
Expert*in Sozialhilferecht
Guten Tag
Gerne beantworte ich Ihre Anfrage. Ich habe jedoch noch folgende Rückfragen:
- Kostentragung Heim: Bezieht sich Ihre Frage nur auf das Wochenende und die Ferien, d.h. die Tragung der Heimkosten während dieser Zeit? Oder generell? Inwieweit finanziert die EL diese Kosten?
- Anrechnung IV-Kinderrente und Anteil EL: Bezieht sich auch diese Frage nur auf das Wochenende und Ferien, d.h. die Anrechnung dieser Einnahmen während dieser Zeit? Oder generell?
- Elternbeitrag: Sie meinen den Elternbeitrag gegenüber dem Vater? Oder auch etwa der Mutter?
Freundliche Grüsse
Ruth Schnyder
Guten Tag Frau Schnyder
Vielen Dank für Ihre Unterstützung. Gerne beantworte ich Ihre offenen Fragen.
Aktuell ist das Kind unter der Woche, jedes zweite Wochenende sowie einen Teil der Ferien im Heim. Die jeweiligen anderen Wochenenden und einen Teil der Ferien ist es bei seiner Mama. Das Kind lebt hauptsächlich im Heim und geht zur Mama zu Besuch.
Die Kosten für das Heim werden gesamthaft vom Sozialamt finanziert. Einzig ein Elternbeitrag von der Mama wird einberechnet. Die Höhe muss jedoch neu berechnet werden. Daher die Frage, was hier zu beachten ist. Aktuell bezahlt die EL nichts ans Heim.
Die EL hat die Berechnung für die Mama und Tochter zusammen. Das Kind wird im Haushalt der Mama betrachtet und nicht nach Heimberechnung einberechnet. Für das Kind wird die Krankenkassenprämien, sowie Lebensbedarf von 7200.- pro Jahr einberechnet. Zudem wird der Mietzins für einen 2-Personenhaushalt einberechnet. Die IV-Kinderrente wird bei der EL-Berechnung als Einnahme einberechnet.
Bei den offenen Fragen zu den Finanzen geht es darum festzustellen, welche Institution für was aufkommen müsste. Also generell, wer für die Heimkosten oder zu welchem Anteil aufkommen müsste. Wie die Wochenenden finanziell berücksichtigt werden können. Weiter geht es darum, von diesem Standpunkt aus zu erfahren, was in Bezug auf die Berechnung des Elternbeitrages zu berücksichtigen ist.
Ich hoffe mit diesen Informationen die Ausgangssituation präzisiert zu haben.
Vielen Dank und freundliche Grüsse
Frage beantwortet am
Ruth Schnyder
Expert*in Sozialhilferecht
Guten Tag
Sie haben mir auf meine Bitte hin die EL-Verfügungen zukommen lassen, ohne diese Ihre sozialhilferechtlichen Fragen nicht beantwortet werden können. In Ihrem Fall ist die aktuell massgebende Verfügung für die laufende EL jene vom 29.3.21. Und zwar nimmt die EL die Bemessung nach neurechtlichen Regeln vor, da diese gegenüber einer altrechtlichen Berechnung günstiger sind. Der EL-Verfügung können folgende wichtige Eckdaten entnommen werden:
Ausgaben
NE-Beiträge: Fr. 529 pro Jahr
Mietzins Fr. 18'900 pro Jahr (effektiv wäre etwas höher) Lebensbedarf Mutter Fr. 19'610 pro Jahr Lebensbedarf Tochter Fr. 7'200 pro Jahr
Einnahmen
IV-Rente Mutter Fr. X pro Jahr
IV-Rente Tochter Fr. X pro Jahr
Wie Sie bereits ausgeführt haben, finanzieren die EL keine Heimkosten, dafür rechnen sie die Tochter so ein als würde sie stets zuhause leben. Sie erwähnen aber, dass sie lediglich jedes 2. Wochenende zuhause ist und während eines Teiles der Ferien. Insofern kann festgestellt werden, dass die Mutter damit einen Überschuss aufweist, da die Tochter nur wenig zuhause ist. Insoweit ist es gerechtfertigt, dass sie einen Beitrag an die Heimkosten leistet. Bei der Berechnung des Beitrages könnte wie folgt vorgegangen werden:
Variante 1: Berechnung eines Elternbeitrages nach den SKOS-RL (Art. 1 ABzUG i.V.m. SKOS-RL D.4.2 und Erl. d) sowie Praxishilfe "erweitertes SKOS-Budget")
Variante 2: Es werden die eingesparten Kosten bei den EL ausgeschieden.
Variante 3: Vorgehen nach Variante 2 und Rückkopplung mit Variante 2 (so nachfolgend)
Variante 2 entpuppt sich als nicht einfach, da die EL Kosten zur Ausübung des Besuchsrechts nicht anerkennen. Es besteht aber die Möglichkeit, die in Rz. 3640.01 WEL (https://sozialversicherungen.admin.ch/de/d/6930/download) Regelung bei zeitweisem Heimaufenthalt analog anzuwenden. Danach wird pro Tag zuhause 1/20 von der minimalen Altersrente vergütet, wobei dieser Betrag Kost und Logis umfasst, sodass kein Mietzins mehr angerechnet würde. Dieser 20stel beläuft sich auf Fr. 59.75 pro Tag (1'195 : 20). Demnach würde der Betrag für Kost und Logis auf's Jahr wie folgt ausfallen: 26 Wochenenden x 2 = 52 Tage + 10 Ferientage (von mir getroffene Annahme) = 3'704.50. Für die Tochter werden aber Fr. 7'200 eingerechnet, d.h. die Differenz (Fr. 3'495 pro Jahr) dürfte an die Heimkosten gehen. Dazu käme noch die Differenz der Mietkosten zwischen einem 1- und 2 Personenhaushalt, vorliegend zwischen Fr. 15'900 und Fr. 18'900 (Region 2), d.h. Fr. 3'000. D.h. auch diese Kosten sind zuviel eingerechnet und können deshalb an die Heimtaxe gegeben werden, da die Logiskosten im Tagesansatz von Fr. 59.75 enthalten sind (Nachteil: Es wird damit zu wenig beachtet, dass generell nicht nur zu Besuchstagen das Zimmer bereitgehalten werden muss, sondern auch in der übrigen Zeit). Insgesamt könnten demnach theoretisch Fr. 6'495.50 pro Jahr (pro Monat Fr. 541.30) an die Heimtaxen bezahlt werden. Dieser Betrag wird aus der IV-Kinderrente bezahlt. Mit dem übrigen Teil der Kinderrente und den EL finanziert die Mutter den Betrag von Fr. 3'704.50, der bei den Besuchen des Kindes anfällt.
Variante 1 ist insofern heikel, da ein erweitertes SKOS-Budget als Grundlage für die Berechnung genommen wird, das womöglich unterhalb des EL-Existenzminimus zu liegen kommt. Da aber die Sozialhilfe mit den situationsbedingten Leistungen mehr Finanzierungsmöglichkeiten als die EL besitzt, ist dies nicht in jedem Fall so. Ausserdem hat das Bundesgericht im BGE 142 V 513 bestätigt, dass bei einem Konkubinat auch dann ein Beitrag auf Basis des erweiterten SKOS-Budgets zu berechnen ist, wenn der nicht unterstützte Partner EL-Bezüger ist.
Insoweit ist es vertretbar, wenn für den Beitrag der Mutter das erweiterte SKOS-Budget bzw. die Elternbeitragsberechnung zum Tragen kommt, d.h. Variante 1. Dabei wäre gemäss Praxishilfe wie folgt vorzugehen:
Ausgaben der Mutter:
- GB 1 PHH pro Monat
- Wohnkosten pro Monat: Es stellt sich die Frage, ob die effektiven oder jene gemäss den Mietzinsrichtlinien (1 Person zuzüglich 1 Zimmer für Besuchsrecht) zu berücksichtigen sind. Die Praxishilfen erwähnen unter 2. nichts dazu, dies im Unterschied zum Konkubinatsbeitrag (1.). Dies lässt vermuten, dass die effektiven Mietzinskosten zu berücksichtigen sind. Ich denke, bei stark überhöhten Mietzinskosten müsste hier unter Umständen eine Korrektur stattfinden.
- Situationsbedingt:
- Hausrat- und Haftpflichtversicherung pro Monat
- Monatliche Besuchskosten Kind nach SKOS-RL C.3.2 Abs. 7 und Erl. f): Fr. 20 pro Besuchstag (26 Wochen x 2 : 12 = durchschnittliche Besuchstage pro Monat), bei Ferien von > 5 Tagen: GB-anteilsmässig von Basis Anteil Kind 2-PHH (= Fr. 763 vgl. C.3.1 Abs. 2), z.B. bei 10 Ferientagen würde die Rechnung wie folgt aussehen: Fr. 763 x 12 (Monate) : 365 Tage x 10 Ferientage. Dies ergibt den Jahresbeitrag für 10-Ferientage, d.h. dieser wäre dann noch auf den Monat herunterzubrechen.
- NE-Beitrag AHV (da in der EL ausgeschieden): Fr. 529 : 12
- Weitere?
- Keine Berücksichtigung der med. Grundversorgung, Zahnarztkosten oder weiterer krankheits- oder behinderungsbedingter Kosten i. S. v. Art. 14 Abs. 2 ELG, da diese für Mutter als auch Tochter über die EL laufen.
- Kosten wie Steuern und Alimentenverpflichtungen scheinen keine anzufallen, falls doch, wären diese zu ergänzen, wobei Alimenenverpflichtungen auch die EL einbeziehen müssten, was in der massgeblichen Bemessung nicht der Fall ist.
Einnahmen der Mutter gemäss EL-Berechnung auf den Monat herunterbrechen:
IV-Rente Mutter Fr. X pro Jahr gemäss EL-Berechnung
IV-Rente Tochter Fr. X pro Jahr gemäss EL-Berechnung
EL Fr. X pro Jahr ohne Krankenkassenprämie (wird direkt bezahlt und ist bei den Ausgaben der Mutter oben nicht berücksichtigt) gemäss EL-Berechnung
Kein Vermögen vorhanden, daher kein Verzehr.
Die Einnahmen pro Monat den monatlichen Ausgaben gegenüberstellen. In etwa die Hälfte (siehe Praxishilfe unter 2.) von der Differenz ergibt den Elternbeitrag (Variante 1).
Nun zu Variante 3: Ist der so ermittelte Elternbeitrag höher als jener von Variante 2 (siehe oben), wäre dies gemäss Rechtsprechung Konkubinatsbeitrag vertretbar. Fällt der Elternbeitrag tiefer aus als Variante 2, könnte geprüft werden, ob es sachgerecht wäre, den Elternbeitrag auf den Beitrag gemäss Variante 2 anzuheben, oder zumindest etwas anzunähern, meiner Meinung nach maximal aber bis zum Betrag gemäss Elternbeitragsberechnung vor Halbierung. Auf diese Weise werden die Nachteile auf Seiten EL (siehe unter Variante 2) nicht komplett übernommen.
Die maximale Höhe wäre generell die Heimtaxe, welche laut Ihren nachgereichten Angaben von der Sozialhilfe (nur diese) finanziert wird, d.h. es fallen nicht noch weitere Kosten an. Eine Deckelung des Beitrages der Erziehungsberechtigten habe ich keine in der bündnerischen Gesetzgebung gefunden. Massgebend für die Heimtaxe ist aus meiner Sicht Art. 9 des Pflegekindergesetzes (BR 219.050), da es sich nicht um eine sonderpädagogische Massnahme handelt, sondern um eine Kindesschutzmassnahme (laut ihren nachgereichten Angaben). Ich gehe davon aus, dass die kantonale Regierung zu den Maximalansätzen einen Beschluss erlassen hat. Die Regierungsratsbeschlüsse sind aber nicht publiziert (Publikationen des Regierungsrates). Womöglich sind die Taxen auch einkommensabhängig ausgerichtet.
Zu guter Letzt noch ein weiterer Hinweis: Den Vater trifft auch eine Unterhaltspflicht. Es wäre auch für ihn eine Elternbeitragsberechnung anzustellen, so dass jeder nach seinen Kräften zur Finanzierung beträgt. Laut Ihrer Information, die Sie mir per Mail zukommen liessen, ist der Vater landesabwesend und hat keine finanzielle Mittel, um das Kind zu unterstützen.
Ich hoffe, Ihnen damit Ihre Fragen zur Sozialhilfe beantwortet zu haben. Wie bereits per Mail besprochen, werden Ihre EL-rechtlichen Fragen im Sozialversicherungsforum beantwortet. Dabei geht es um die Frage, ob die EL zu Recht den Heimaufenthalt des Kindes nicht finanziert. Ebenfalls interessiert Sie, wie ein Heimaufenthalt wie im vorliegenden Fall von den EL berücksichtigt werden müsste, falls sie diesen finanzieren müsste.
Freundliche Grüsse
Ruth Schnyder