Guten Tag,
Mit Kammerentscheid der KESB wurde einer verbeiständeten Person, welche 56 Jahre alt und IV-Bezüger ist, das auf einem Freizügigkeitskonto befindenden Guthaben als liquides Vermögen angerechnet. Es wurde festgehalten, dass dieses Vermögen als liquid angerechnet werden dürfe, da die verbeiständete Person dieses Geld aufgrund des bereits eingetretenen Vorsorgefalles beziehen könne. Unter Einrechnung dieses Guthabens wird die betroffenen Person verpflichtet, die Entschädigungskosten für den ProMa sowie die Verfahrenskosten zu finanzieren. Die betroffene Person möchte dieses Geld allerdings nicht antasten.
Daher unsere Frage: Ist es zulässig, dass die KESB dieses Freizügigkeitsguthaben einrechnet und somit indirekt die betroffene Person dazu zwingt, dieses Guthaben aufzulösen und für die Kosten aus der Mandatsführung zu verbrauchen. Ist dieses Guthaben nicht zweckgebunden für das Alter?
Für Ihre Rückmeldung sind wir Ihnen dankbar.
Frage beantwortet am
Urs Vogel
Expert*in Kindes- und Erwachsenenschutz
Erwägungen:
Gemäss Art. 404 Abs. 1 ZGB sind die Kosten der Entschädigung des Beistandes oder der Beiständin sowie der Ersatz der angefallenen Spesen grundsätzlich aus dem Vermögen der betroffenen Person zu entrichten. Die Kantone sind verpflichtet, Ausführungsbestimmungen zu erlassen sowie die Entschädigung und den Spesenersatz zu regeln, wenn diese nicht aus dem Vermögen der betroffenen Person finanziert werden können. Der Kanton Bern hat dies in der Verordnung über die Entschädigung und den Spesenersatz für die Führung einer Beistandschaft (ESBV) in Art. 9 Abs. 1 so geregelt, dass die Entschädigung und der Spesenersatz aus dem Vermögen der betroffenen Person bezahlt werden, soweit dieses mindestens dem Wert von 15 000 Franken entspricht.
Herr X bezieht eine volle IV-Rente. Sind die Voraussetzungen von Art. 16 Abs. 2 Verordnung über die Freizügigkeit in der beruflichen Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenvorsorge (FZV) erfüllt (volle IV-Rente und fehlende anderweitige Versicherung des Invaliditätsrisikos), so wird die Altersleistung auf Begehren der Versicherten vorzeitig ausbezahlt. Aus der kurzen Darstellung des Sachverhaltes geht nicht hervor, ob dies der Fall ist, es scheint aber aufgrund der Fragestellung so zu sein, dass die Auflösung des Guthabens möglich ist. Das Bundesgericht hat bezüglich des Bezugs von Ergänzungsleistungen in einem im Jahr 2014 ergangenen Entscheid festgehalten, dass das Freizügigkeitskapital, welches die Person gestützt auf Art. 16 Abs. 2 FZV beziehen könnte, in dem Zeitpunkt, in dem sie Anspruch auf eine ganze Invalidenrente begründet, als Vermögen anzurechnen ist (BGE 140 V 201, 203 E. 2.2). Gestützt auf diese Rechtsprechung hat sich das Kindes- und Erwachsenenschutzgericht (KESGer) des Kantons Bern mit der Frage der Anrechenbarkeit eines Freizügigkeitsguthabens gemäss Art. 16 Abs. 2 FZV als Vermögen i.S.v. Art. 9 Abs. 1 ESBV befasst (Entscheid des KESGer vom 19. Oktober 2016 [KES 16 607]). Das KESGer kam zum Ergebnis, dass das Freizügigkeitsguthaben als Vermögen i.S.v. Art. 9 Abs. 1 ESBV anzurechnen ist, auch wenn die betroffene Person sich dieses Guthaben effektiv noch nicht hatte ausbezahlen lassen. Das KESGer erwog, dass diese im Bereich des Sozialversicherungsrechts und für die Erteilung der unentgeltlichen Rechtspflege angestellten Überlegungen des Bundesgerichts auch für die Anrechnung des Vermögens bei der Entschädigung des Beistandes gelten, zumal es hier wie dort um die Beanspruchung öffentlicher Gelder geht, obwohl eigentlich Vermögen vorhanden wäre, auf das zurückzugreifen die betroffene Person freiwillig verzichtet ((KES 16 607, E. 18). Diese Rechtsprechung hat das KESGer in einem kürzlich ergangenen Entscheid (mit einer etwas anderen Ausgangslage) bestätigt (siehe dazu Entscheid vom 24. März 2017 [KES 16 879].
Somit ist es zulässig, dass die KESB bei der Berechnung des liquiden Vermögens die Freizügigkeitsleistung miteinbezieht, wobei die Steuern, welche bei einem Bezug des Freizügigkeitsvermögens anfallen würden, zur Berechnung des Vermögens abzuziehen sind.
Kulmerau, 10. Juli 2017
Urs Vogel