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Freizügigkeitskonto / PK Invalidenrente nach Todesfall?

Veröffentlicht:
24.08.2018
Status:
Beantwortet
Rechtsgebiet:
Sozialversicherungsrecht

Sehr geehrter Herr Mösch Payot
Mein Klient lebte 22J. mit seiner Partnerin zusammen. Sie waren nicht verheiratet, haben einen gemeinsamen, 19j. Sohn in Ausbildung. Die Partnerin ist nach 1jährigem Krebsleiden letzte Woche verstorben.
Sie hat aus früherer Tätigkeit ein Freizügigkeitskonto, wo die grössten Anteile ihres 2.Säule Guthabens liegen. Nach einer Arbeitslosigkeit hat sie das zweitletzte Lebensjahr bei einer anderen Firma gearbeitet, dabei wurde versäumt, das Freizügigkeitskonto in die neue PK einzubringen. Seit Dez. 2017 erhielt sie eine 100% IV Rente, gemäss meinem Klienten wurde keine Invalidenrente der PK bezahlt (wohl auch nicht beantragt?).
Meine Fragen:

  • Kann man nach dem Todesfall ein Freizügigkeitskonto noch in die PK überführen oder geht das Konto jetzt einfach im Erbgang an den Sohn (einziger Erbe) über?
  • Hat der Lebenspartner allenfalls auch Anspruch auf Anteile des Freizügigkeitskonto (wie bei den PK-Reglementen möglich?)
  • Kann man nach dem Todesfall noch bei der PK für die Zeit Dez. 17- Todesfall eine PK Rente (inkl. Kinderrente) beantragen?
    Besten Dank für die Klärung!
    Freundliche Grüsse
    Katrin Schenker

Frage beantwortet am

Peter Mösch Payot

Expert*in Sozialversicherungsrecht

Sehr geehrte Frau Schenker
a) Gemäss Art. 3 Abs. 1 FZG und Art. 4 Abs. 2bis FZV gilt, dass Versicherte, die in eine neue Vorsorgeeinrichtung eintreten das Vorsorgekapital auf dem Freizügigkeitskonto in die neue Vorsorgeeinrichtung (Pensionskasse) einbringen müssen.
Die neue Vorsorgeeinrichtung hat die Kapitalien aus einem Freizügigkeitskonto gemäss Bundesgericht auch nach Eintritt des Versicherungsfalles (hier des Todes) dann zu übernehmen und anzurechnen, wenn die versicherte Person zuvor die Vorsorgeeinrichtung über das Bestehen des Kontos in Kenntnis gesetzt hatte (Vgl. Bundesgerichtsurteil 9C790/2007 vom 5.6.2008 ). Hingegen ist die neue Vorsorgeinrichtung nicht verpflichtet, nach Eintritt des Leistungsfalles die Übertragung noch entgegenzunehmen, wenn die versicherte Person die Überweisung unterlassen hat (EVG-Entscheid i.S. K. vom 30.4.2004, E. 5.3). Ihr steht aber gemäss Art. 11 Abs. 2 FZG das Recht zu, eine solche Leistung bei der Freizügigkeitseinrichtung auf Rechnung des Versicherten zu fordern, aber keine Pflicht. Relevant ist diese Einforderung insbesondere, wenn die IV-Leistungen (Risikoleistungen) vom Lohn abhängen, bzw. vom bestehenden Kapital (so genannten Leistungsprimatkomponente). Ich würde hier gegenüber der Pensionskasse in einem ersten Schritt nachfragen, inwieweit das eingebrachte Freizügigkeitskapital überhaupt etwas an der Risikoleistung ändert. Wenn dies der Fall ist, so ist zu prüfen, ob unter Verweis auf Bundesgerichtsurteil 9C790/2007 vom 5.6.2008 die Übertragung noch verlangt werden kann.
Ob die PK dazu verpflichtet werden kann dürfte davon abhängen, welche Angaben die Versicherte bei Eintritt in die Versicherung gegenüber der PK gemacht hat, ob er also auf die Freizügigkeitskonti verwiesen hat.
Vor dem Hintergrund dieser offenen Sachverhaltsfrage wäre es sicherlich ratsam, dass die Erben bzw. die möglicherweise begünstigte Person in einem ersten Schritt Akteneinsicht verlangen in das PK-Dossier und zu prüfen, welche Angaben wann gemacht wurden.
b) Für die PK-Ansprüche gilt dann die Begünstigtenordnung nach Art. 19 und Art. 20 BVG, bzw. Art. 20a BVG. Hier ist das Reglement zu konsultieren: Daraus sind die genauen Voraussetzungen der Begünstigung für Lebenspartner erkennbar. Ebenso die Frage, ob die (überobligatorischen) Leistungen für Waisen- und Wittwen-/Wittwerrenten Ansprüchen des/der Lebenspartner vorgehen (BGE 136 V 49 E.4).
c) Falls in diesem Fall eine Übertragung nicht mehr möglich ist, so werden die Freizügigkeitsgelder nicht nach dem Erbrecht verteilt, sondern nach der Freizügigkeitsordnung:
Art. 15 FZV sieht vor, dass die Leistungen primär an die Hinterlassenen gemäss Art. 19 (Ehegatten), Art. 19a eingetragene Partner) und Art. 20 BVG (Waisen) gehen. Erst in zweiter Linie kommen allenfalls Lebenspartner, die mit der betroffenen Person die letzten fünf Jahre bis zum Tod ununterbrochen eine Lebensgemeinschaft geführt haben (Art. 15 Abs. 1 Ziff. 2 FZV). Es ist aber möglich, dass die versicherte Person im Vertrag mit der Freizügigkeitseinrichtung die Lebenspartner besserstellt, bis mitunter den Waisen voranstellt. Es ist also in Ihrem Fall bei der Freizügigkeitseinrichtung nachzufragen, ob eine solche Vereinbarung gemäss Art. 15 Abs. 2 FZV besteht.
d) Wenn vor dem Tod des Betroffenen kein Anspruch auf eine PK-Renten wegen Invalidität geltend gemacht wurde, aber ein Anspruch auf eine IV-Rente bestanden hätte, so stellt das Recht, diese Ansprüche geltend zu machen, eine Anwartschaft auf öffentlichrechtlich geregelte Ansprüch mit öffentlichrechtlichem Charakter dar. Soweit keine Spezialregeln bestehen, sind solche Rechte vererblich (vgl. dazu Basler Kommentar ZGB II – Schwander, Art. 560 N. 8 ) und können auch durch die Erben noch angemeldet werden. Vorbehältlich der Verjährung. Dies wurde für den Bereich von IV-Renten aus der ersten Säule explizit entschieden (BGE 99 V 165 E. 1 und 2) und muss auch für die PK gelten. Eventuell können aus dem Regelment der PK (für überobligatorische Leistungen) Beschränkungen bestehen.
Diese Anmeldung kann nur zum Erfolg führen, wenn die Voraussetzungen für eine IV-Rente tatsächlich bestanden haben, namentlich die Invalditität im Sinne der IV, und dass diese verursacht wurde durch eine Ursache (Arbeitsunfähigkeit) zu einem Zeitpunkt, als die Person versichert war. Zu beachten sind auch Spezifitäten des Reglementes der Pensionskasse. Die Ansprüche verjähren nach fünf Jahren seit deren Fälligkeit gemäss Art. 41 Abs. 1 BVG.
Ich hoffe, das dient Ihnen.
Peter Mösch Payot

Sehr geehrter Herr Mösch Payot
Mittlerweile konnte ich mit der PK klären, dass sie die Freizügigkeitsleistungen auch post mortem noch übernehmen würden. Nun hat mir mein Klient aber mitgeteilt, dass er eigentlich eine Auszahlung des Todesfallkapitals der Freizügigkeitskonten doch favorisieren würde gegenüber höheren Waisen- und Lebenspartnerrente aus der PK. Wie sieht hier die rechtliche Lage aus? Sind die Hinterlassenen verpfllichtet, Freizügigkeitsgelder in die PK zu überbringen oder können sie hier wählen und sich die Freizügigkeitskonti mittels Todesfallmeldung auszahlen lassen? Oder handeln sie sich da allenfalls Probleme mit der PK ein?
Herzlichen Dank für die Klärung!
Freundliche Grüsse
Katrin Schenker

Frage beantwortet am

Peter Mösch Payot

Expert*in Sozialversicherungsrecht

Sehr geehrte Frau Schenker
Ich rate dazu, bei der fraglichen PK zunächst berechnen zu lassen, inwieweit der entsprechende Betrag überhaupt etwas an der Todesfallleistung ändern würde.
Tatsächlich wird im Übrigen ansonsten ohne die Information der Freizügigkeitsleistungen an die PK üblicherweise die entsprechende Leistung unabhängig von der Freizügigkeitsleistung berechnet.
Der PK steht aber gemäss Art. 11 Abs. 2 FZG das Recht zu, eine solche Leistung bei der Freizügigkeitseinrichtung auf Rechnung des Versicherten zu fordern.
Es ist zu raten, im Pensionskassenreglement zu prüfen, ob allfällige entsprechende Obliegenheiten bestehen.
In der Regel verzichten die PK auf die Einforderung der Freizügigkeitsmittel, wenn diese rentenbildend sind, da sie dann von einer Einforderung keinen ökonomischen Vorteil haben. Namentlich wenn die PK-Leistungen gemäss Reglement aber in ihrer Höhe unabhängig vom eingebrachten Freizügigkeitskapital sind, ist es nicht unmöglich, dass auf der Einbringung beharrt wird.
Ich rate Ihnen dazu, das konkrete Vorgehen auf der Basis der Durchsicht des konkreten PK-Reglementes mit einer unabhängigen PK-Spezialistin abzusprechen (z.B. spezialisierte Anwältin, PK-Expertinnen oder Fachleute des VZ-Vermögenszentrums).
Ich hoffe, das dient Ihnen.
Peter Mösch Payot