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Freizügigkeitsguthaben

Veröffentlicht:
05.12.2019
Status:
Beantwortet
Rechtsgebiet:
Sozialversicherungsrecht

Liebes Expertenteam

ein Klient von uns hat sein Freizügigkeitsguthaben aufgelöst. Er ist verbeiständet und hat Sozialhilfe. Es erfolgte eine Sonderveranlagung der Steuerbehörde. Das Guthaben wurde durch die Beiständin wieder gesichert, so dass der Klient nicht darauf zugreifen kann. Der Vermögensanfall hätte zur Folge, dass die Sozialhilfe eingestellt wird. Die Auslösung des BVG-Guthabens würde die Sozialhilfe jedoch nicht verlangen. 

Besteht die Möglichkeit, dass das Guthaben bei der Stiftung Auffangeinrichtung einbezahlt werden kann und weiterhin Sozialhilfe ausgerichtet wird?

Die Frage betrifft auch  Teile des Sozialhilferechts, aber ich hoffe sie kann auch hier beantwortet werden. 

Besten Dank. 

Freundliche Grüsse

Sabine Bauer 

Frage beantwortet am

Peter Mösch Payot

Expert*in Sozialversicherungsrecht

 

Liebe Sabine

Ich gehe davon aus, dass die Freizügigkeitsleistung fünf Jahre vor dem AHV-Alter bezogen wurde (Art. 16 FZV) und von einem Freizügigkeitskonto

Eine Weiterführung der beruflichen Vorsorge (für den Sparteil oder für den Spar- und den Risikoteil) ist nur möglich für Arbeitnehmer nach Beendigung der obligatorischen beruflichen Vorsorge (Art. 47 BVG).

Also nach Beendigung eines Arbeitsvertrages oder nach Aussteuerung aus der ALV oder nach Erreichen des ordentlichen Rentenalters (Art. 10 Abs. 2 BVG).  

Es besteht dann eine Frist von drei Monaten zur Erklärung des Anschlusses nach Beendigung der obligatorischen Vorsorge für die Weiterführung des Vorsorgeschutzes in der Stiftung Auffangeinrichtung (vgl. Art. 1 des Reglementes der Stiftung Auffangeinrichtung, vgl. https://doc.aeis.ch/docs/pdfs/1865.pdf).

Im hier vorliegenden Fall ist schon in Frage gestellt, ob die Arbeitnehmereigenschaft noch gegeben ist, namentlich wenn mit dem Vorbezug der Vorsorgefall eingetreten ist. In der Lehre und in der Praxis wird vertreten, dass nach einem Bezug der Freizügigkeitsleistungen (sei es wegen des Bezuges bei voller Invalidität oder bei der Pensionierung, also nach Eintritt des Vorsorgefalles, wegen des Versicherungsprinzips keine freiwillige Weiterführung des Vorsorgeschutzes möglich sei (vgl. Geiser/Senti, Art. 47 N 12. In: Schneider/Geiser/Gächter (2010). Stämpflis Handkommentar BVG/FZG).

Im Übrigen bestand hier, wenn ich es richtig verstehe, gar keine obligatorische Versicherung beim Vorbezug, sondern einzig eine Anwartschaft auf Freizügigkeitsleistungen.

Ich rate trotzdem dazu, im vorliegenden Fall die Weiterversicherung bei der Stiftung Auffangeinrichtung zu versuchen mit dem entsprechenden Formular (

Im Weiteren könnte auch geprüft werden, ob der Betroffene beim Bezug der Freizügigkeit urteilsfähig war und Verfügungsmacht hatte (namentlich, ob nicht die Zustimmung des Beistandes nötig gewesen wäre). Ev. ist ansonsten die Ungültigkeit des Rechtsgeschäftes und die Rückabwicklung mit der Freizügigkeitsleistung anzustreben.

Schliesslich ist es auch denkbar, die freien Mittel auf ein Konto im Rahmen der freiwilligen Vorsorge auf ein Festgeldkonto zu überweisen oder auf dem freien Markt eine Leistung auf eine Leibrente zu prüfen. Dafür dürfte ein Einbezug der KESB notwendig sein (Art. 416 Abs. 1 Ziff. 7 ZGB). Mit Blick auf Sinn und Zweck des Vorsorgeschutzes dürfte so keine Möglichkeit bestehen für die Sozialhilfe, auf diese Mittel zu greifen.

Ich hoffe, das dient Dir.

Peter Mösch Payot

Lieber Peter

vielen Dank für Deine Antwort. 

ich ergänze meine Anfrage. Das Freizügigkeitsguthaben lag bei einer Bank und nicht bei der Stiftung Auffangeinrichtung. Macht das einen Unterschied? Der Klient ist verbeiständet mit Einkommens- und Vermögensverwaltung. Allerdings wurde seitens der Beiständin das Freizügigkeitsguthaben nicht gesichert, resp. die Bank nicht informiert. Daher ist mir unklar, ob man das Geschäft rückabwickeln kann. 

Besten Dank für die Weiterbearbeitung. 

Beste Grüsse

Sabine Bauer 

Frage beantwortet am

Peter Mösch Payot

Expert*in Sozialversicherungsrecht

Liebe Sabine

Bei dieser Sachlage würde ich tatsächlich in erster LInie raten, zu prüfen gegenüber der Bank, ob es für das Begehren zur Auszahlung des Freizügigkeitsguthabens keine Vertretungsmacht beim Verbeiständeten gab.

Eine genaue Antwort bedürfte der präzisen Analyse der entsprechenden Ernennungsurkunde und des Mandates des Beistandes.

In einem nächsten Schritt kann auf jeden Fall gegenüber der Bank (als Trägerin des früheren Freizügigkeitskontos) geltend gemacht werden, dass der Betroffene nicht befugt war, die Auszahlung des Freizügigkeitskapitals zu verlangen.

 

Beste Grüsse Peter Mösch Payot