Guten Tag liebes Expertenteam
Ein Sozialhilfeklient von uns hat rückwirkend nach seinem Tod eine IV-Rente erhalten. Für die Rückerstattung der bezogenen Sozialhilfeleistungen möchten wir Ergänzungsleistungen anmelden. Dazu benötigen wir die Auskunft für das Freizügigkeitsguthaben. Eine Kasse weigert sich uns Auskunft zu geben, da die Vollmacht nicht über den Tod hinaus gültig ist. Das Konkursamt hat telefonisch mitgeteilt, dass sie keinen Zugang zu Pensionskassen haben und eine Informationen anfragen können.
Die Eltern des Verstorbenen haben zwei andere Freizügigkeitskonti auszahlen lassen. Sie haben jedoch das Erbe ausgeschlagen. Fällt das Guthaben aus der 2. Säule in die Erbmasse?
Besten Dank für Ihre Bemühungen.
Beste Grüsse
Frage beantwortet am
Daniel Schilliger
Expert*in Sozialversicherungsrecht
Guten Tag
Gemäss Bundgerichtsentscheid 129 III 305 fallen die Leistungen der beruflichen Vorsorge und die Freizügigkeitsleistungen nicht in den Nachlass. Auch wenn also eine Erbschaft ausgeschlagen wird, werden die Leistungen auf den Freizügigkeitskonten entsprechend der Begünstigungsordnung nach Art. 15 FZV verteilt.
Das Bundesgericht begründet den Entscheid natürlich gestützt auf die gesetzlichen Grundlagen, aber auch damit, dass es sich um Vorsorge- bzw. Versicherungsleistungen handelt. Solche Leistungen sind eben gerade nicht Vermögen, die im Eigentum des Versicherten stehen, sondern Gelder, die der Versicherung «gehören». Bei Eintritt des versicherten Risikos / Vorsorgefalles wird auch nicht einfach das einbezahlte Vermögen ausgerichtet, sondern eine Versicherungsleistung.
Für Privatversicherungsleistungen gibt es übrigens analog eine explizite gesetzliche Grundlage in Art. 85 VVG: Sind erbberechtigte Nachkommen, ein Ehegatte, eine eingetragene Partnerin, ein eingetragener Partner, Eltern, Grosseltern oder Geschwister die Begünstigten, so fällt ihnen der Versicherungsanspruch zu, auch wenn sie die Erbschaft nicht antreten.
Gemäss Art. 15 FZV werden im Todesfall die FZ-Leistungen nachfolgender Reihenfolge verteilt:
- die Hinterlassenen nach Artikel 19, 19a und 20 BVG,
- natürliche Personen, die von der versicherten Person in erheblichem Masse unterstützt worden sind, oder die Person, die mit dieser in den letzten fünf Jahren bis zu ihrem Tod ununterbrochen eine Lebensgemeinschaft geführt hat oder die für den Unterhalt eines oder mehrerer gemeinsamer Kinder aufkommen muss,
- die Kinder des Verstorbenen, welche die Voraussetzungen nach Artikel 20 BVG nicht erfüllen, die Eltern oder die Geschwister,
- die übrigen gesetzlichen Erben, unter Ausschluss des Gemeinwesens.
Da offenbar keine Person nach Ziffer 1 und 2 in Frage kommt, geht es nach Ziffer 3 zu den Eltern und Geschwistern. Die Eltern können also ein entsprechendes Gesuch an die Freizügigkeitseinrichtung senden.
Zu beachten ist, dass bei nachträglicher Zusprache einer IV-Rente, womöglich auch eine Pensionskasse eine Invalidenrente ausrichten müsste. Diese würde dementsprechend wahrscheinlich die FZ-Leistungen einfordern. Das wäre dann für die Eltern eher ein Nachteil, da die FZ-Leistung zurück an die PK ginge. Diese würde eine Invalidenrente bis zum Tod ausrichten und danach die Hinterlassenenleistungen nach BVG, also eine Witwenrente und Waisenrenten zusprechen. Da es im vorliegenden Fall wohl keine Hinterlassenen nach BVG gibt, profitiert die PK. Denkbar wäre höchstens, dass reglementarisch eine grosszügigere Regelung vorhanden wäre. Ich denke aber nicht, dass es eine Regelung in einer PK zugunsten von Eltern gibt.
Am einfachsten aus Sicht der Eltern wäre es also wohl die FZ auszahlen zu lassen, aber nicht sofort auszugeben, da mit einer Rückforderung zu rechnen ist, wenn sich eine PK meldet.
freundlicher Gruss
Daniel Schilliger
Guten Tag Herr Schillinger
danke für Ihre hilfreichen Ausführungen. Es geht uns noch darum rückwirkend für die bereits bezogene Sozialhilfe die subsidiären Leistungen einzufordern. Wir brauchen noch den Beleg des vorhandenen Guthabens bei einer anderen Pensionskasse. Dies benötigen wir für die Ergänzungsleistungen. Haben wir da noch Möglichkeiten?
Beste Grüsse
Frage beantwortet am
Peter Mösch Payot
Expert*in Sozialversicherungsrecht
Guten Tag! Wegen eines Versehens wurde die Frage im Juli übersehen.
Tatsächlich besteht im Moment wohl keine Möglichkeit, die bevorschussende Sozialhilfe mit Freizügigkeitsleistungen zu refinanzieren. Deswegen besteht wohl auch kein unmittelbares Informationsrecht.
Allerdings ist hier ein BVG-IV-Rentenanspruch zu prüfen. Und wenn eine solche BVG-IV-Rente zeitlich und sachlich identisch für die Zeit der früheren Sozialhilfe gewährt wird, besteht ein entsprechender Drittauszahlunganspruch der Sozialhlfe und eine Verrechnungsmöglichkeit.
Der entsprechenden Pensionskassen ist die Bevorschussung und der Anspruch auf eine Drittauszahlung entsprechend anzuzeigen. Art. 39 BVG steht dem nicht entgegen.
Ich hoffe, das dient.
Prof. Peter Mösch Payot