Guten Tag
Herr B ist längere Zeit krank.
Schliesslich will er beim alten Arbeitgeber wieder einen Arbeitsversuch machen.
Dieser ist einverstanden, aber erst nachdem das alte Arbeitsverhältnis aufgelöst ist - die gesetzlichen Fristen wurden eingehalten. Der Arbeitsversuch soll über eine Temporärfirma organisiert werden.
Es kommt wieder zur Arbeitsunfähigkeit. Die Temporärfirma bzw. deren Taggeldversicherung zahlen für einen Monat Taggelder. Damit sei der Anspruch gemäss ihres Vertrages erschöpft.
Die Taggeldversicherung des alten Arbeitgebers erklärt sich auch als nicht mehr zuständig, da durch die Taggeldversicherung der Temporärfirma ja Freizügigkeit angeboten und gewährt worden sei.
In einem ersten Schritt habe ich Herrn B geraten, der ersten Taggeldversicherung mitzuteilen, dass er ihre Einschätzung nicht teile.
Es sei keine Freizügigkeit gewährt worden, da er ja nicht in eine gleichwertige Taggeldversicherung mit einer Bezugsdauer von 720 Tagen aufgenommen worden sei.
Ausserdem sei er durch diesen über die Tenporärfirma organisierten Arbeitsversuch ja nur seiner Schadensminderungspflicht nachgekommen.
Erscheint Ihnen meine Argumentation erfolgversprechend?
(Die detaillierten Unterlagen, AVB etc muss Herr B noch bringen.)
freundliche Grüsse
M. Blindow
Frage beantwortet am
Daniel Schilliger
Expert*in Sozialversicherungsrecht
Guten Tag
Der Übertritt von einer Kollektivversicherung in eine andere Kollektivversicherung ist im VVG gesetzlich nicht geregelt.
Neben den AVB ist hierzu das Freizügigkeitsabkommen (FZA-KTV) unter den KTV zwischen dem Schweizerischen Versicherungsverband und dem Schweizerischen Krankenversichererverband massgebend. Darin geregelt ist der Übertritt von einer Kollektivversicherung zur anderen nach VVG und KVG.
Das FZA-KTV regelt unter anderem, dass bei einem Übertritt sämtlichen bisher versicherten Personen den beim neuen Versicherer vorgesehenen Versicherungsschutz gewährt wird. Der neue Versicherer darf keine neuen Versicherungsvorbehalte anbringen, soweit er nicht ein höheres Taggeld oder eine längere Leistungsdauer oder eine kürzere Wartefrist versichert. Versicherungsvorbehalte bzw. Ausschlüsse früherer Versicherer dürfen vom neuen Versicherer weitergeführt werden (Art. 3 FZA-KTV).
Bei laufenden Schadenfällen gilt: Nicht voll arbeitsfähige Personen müssen im Umfang der bestehenden Arbeitsfähigkeit beim neuen Versicherer weiterversichert werden. Laufende Schadenfälle gehen ab Datum des Versichererwechsels im Umfange der beim bisherigen Versicherer vorgesehenen Höhe des Taggeldes, der Wartefrist und der Leistungsdauer zu Lasten des neuen Versicherers, sofern der Arbeitnehmer beim neuen bzw. bisherigen Arbeitgeber im gleichen Umfang angestellt ist. Bei einer Anstellung im Rahmen der Restarbeitsfähigkeit, übernimmt der bisherige Versicherer den laufenden Schadenfall (FZA-KTV Art. 4).
Demgegenüber steht Art. 9 VVG. Gemäss Art. 9 VVG können bereits eingetretene Ereignisse grundsätzlich nicht versichert werden (sog. Rückwärtsversicherungsverbot). Hat der Versicherte vor Vertragsabschluss eine Krankheit erlitten, bei der nach medizinischer Erfahrung mit Rückfällen zu rechnen ist, ist das Ereignis bereits eingetreten, so dass Rückfälle nicht versicherbar sind.
Das Bundesgericht hat im Urteil 4A_327/2016 vom 27.09.2016 zum Verhältnis dieses Art. 9 VVG und Art. 4 FZA-KTV Stellung genommen: Die im FZA enthaltene Regelung ist inhaltlich nichts anderes als die Gewährleistung einer Nachhaftung für Krankheiten, die bereits im bisherigen Arbeitsverhältnis bestanden und zur Arbeitsunfähigkeit geführt haben. Dass es um eine Nachhaftung nach dem bisher geltenden Versicherungsvertrag geht, zeigt sich auch daran, dass die Leistungen nach den Bedingungen des beim alten Versicherer bestehenden Vertrages zu erbringen sind und nicht nach dem neuen Versicherungsvertrag; und zwar sowohl hinsichtlich der Höhe des Taggeldes, der Wartefrist und der Leistungsdauer (Art. 4 Abs. 2 FZA) als auch betreffend Anrechnung der vom bisherigen Versicherer bereits geleisteten Taggelder an die Leistungsdauer (Art. 4 Abs. 4 FZA). Dementsprechend hat also die Freizügigkeitsregelung trotz Rückwärtsversicherungsverbot, Gültigkeit.
Wenn also die Arbeitsunfähigkeit nicht auf ein neues Ereignis zurückzuführen ist, ist die neue KTV nach Massgabe der Regeln des alten KTV zuständig.
Freundlicher Gruss Daniel Schilliger