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Freiwillige Leistung Dritter

Veröffentlicht:
19.08.2020
Kanton:
Wallis
Status:
Beantwortet
Rechtsgebiet:
Sozialhilferecht

Guten Tag

Ein Klient (alleinlebend, 25) hat sich neu bei uns im Sozialdienst angemeldet. Er hat von seiner Mutter als Überbrückung ein Darlehen erhalten, damit er sich Nahrungsmittel kaufen kann und die Miete und Krankenkasse bezahlen kann. (Betrag 1200.-, Miete ist 700.-)

Nun ist es ja so, dass von der Sozialhilfe her, sämtliche Einnahmen angerechnet werden müssen. Dies hat im oben genannten Beispiel zur Folge, dass ich ihm die Zuwendung seiner Mutter vollumfänglich als Einnahme anrechnen muss. Obwohl er ja das Geld der Mutter wieder zurückzahlen muss.

Auf mein Nachfragen bei der kantonalen Dienststelle für Sozialwesen wurde mir mitgeteilt, dass diesbezüglich keine Ausnahmen gewährt werden. Gleich verhält es sich auch mit sonstigen Zuwendungen von Dritten. (Bspw. Zuwendung von Familienmitglieder zum Geburtstag etc.)

Konsultiert man diesbezüglich das Zürcher oder Berner Behördenhandbuch gibt es differenzierte Auslegungen dieser Grundsätze. (zweckgebunden, wenn in bescheidenen Ausmass etc.)

Sehen Sie rechtlich eine Möglichkeit, wie da allenfalls der Klient vorgehen könnte. Die kantonale Weisung über die Berechnung des Sozialhilfebudgets sieht in Punkt D. lediglich folgendes vor:
"Sämtliche Einnahmen (Einkommen, Versicherungsleistungen, Hilfe Dritter, …) werden ins Budget aufgenommen, ausser den Beträgen aus dem kantonalen Familienfonds, die Geburtszulagen, die durch die Beratungszentren SIPE an junge Mütter gewährten Beträge und die von anerkannten Institutionen erhaltenen Spenden für besondere Aufwendungen."

Freundliche Grüsse

A. Zehnder

Frage beantwortet am

Anja Loosli

Expert*in Sozialhilferecht

Sehr geehrte/r Frau/Herr Zehnder

Vielen Dank für Ihre Frage. Ich muss in einem ersten Schritt eine Nachfrage stellen: Hat die Mutter dem Klienten das Darlehen vor Anmeldung bei der Sozialhilfe oder nach Aufnahme der Unterstützung bezahlt?

Freundliche Grüsse

Anja Loosli Brendebach

Frage beantwortet am

Anja Loosli

Expert*in Sozialhilferecht

Sehr geehrte/r Frau/Herr Zehnder

Ich beantworte nun Ihre Frage ohne eine Rückmeldung von Ihnen und muss deshalb 2 Varianten machen.

Variante 1: Die Mutter hat dem Klienten das Darlehen während der Unterstützung gegeben (dies bezweifle ich zwar, weil es nach Ihrer Schilderung zur Überbrückung gegeben wurde)

Mit der Formulierung "während der Unterstützung" meine ich, dass das Darlehen dem Klienten zugeflossen ist, als er bereits von der Sozialhilfe unterstützt wurde (Zuflussprinzip, Guido Wizent, Sozialhilferecht, Zürich/St. Gallen 2020, N. 616 ff).

Gemäss Art. 2 des Gessetzes über die Eingliederung und die Sozialhilfe des Kantons Wallis (GES, SGS 850.1) gilt in der Sozialhilfe das Institut der Subsidiarität. Nach Abs. 2 ist die Sozialhilfe subsidiär zu allen anderen Einkommensquellen. In Art. 10 Abs. 4 GES wird festgehalten, dass die Bestimmungen über die materiellen Leistungen im Ausführungsreglement und subsidiär in den SKOS-Richtlinien festgehalten würden. In Art. 1 des Ausführungsreglements zum Gesetz über die Eingliederung und die Sozialhilfe (ARGES, SGS 850.100) wird das Prinzip der Subsidiarität wiederholt. In beiden Erlassen wird das Thema Darlehen nicht ausdrücklich geregelt. Auch in den Weisungen vom 01.07.2020 wird betreffend Einnahmen unter Kapitel D wird lediglich festgehalten, dass sämtliche Einnahmen ins Budget aufzunehmen sind. Als Beispiel wird die Hilfe von Dritten genannt. Es wird aber nicht erwähnt, ob Darlehen als solche Hilfe zu gelten haben. Auch die SKOS-Richtlinien halten in Kapitel E.1.1 ausschliesslich fest, dass bei der Bemessung der finanziellen Leistungen prinzipiell das ganze verfügbare Einkommen einzubeziehen ist. In den Erläuterungen der ab 01.01.2021 gültigen SKOS-Richtlinien wird unter Kapitel D. 1 festgehalten, dass freiwillige Leistungen Dritter als Einnahmen anzurechnen sind, wenn keine Ausnahme gewährt wird und sie während der Unterstützung zugeflossen sind. Als freiwillige Leistungen Dritter gelten Zuwendungen ohne rechtliche Verpflichtung (Guido Wizent, a.a.O., N. 645). Dazu können auch Darlehen gezählt werden, auch wenn sie rückzahlbar sind, da sie dann zur Bestreitung des Lebensunterhalts zur Verfügung stehen, wenn sie zufliessen. Guido Wizent schlägt vor,  Darlehen dann nicht als Einnahmen anzurechnen, wenn sie in relativ bescheidenem Umfang sind, mit einem besonderen Zweck (z.B. Ferien) bezahlt wurden und zustätzlich zu den Sozialhilfeleistungen erbracht wurden.  In VGer ZH 27.11.2018 wurde festgehalten, dass Darlehen mit blossem Überbrückungscharakter nicht anzurechnen seien.

Schlussfolgerung; Wenn das Darlehen während der Unterstützung zugeflossen ist, kann es grundsätzlich als Einnahme gesehen werden, die angerechnet werden kann. Wenn es aber den Zweck hatte, die entstandenen Lebenshaltungskosten bis zur Unterstützungsaufnahme abzudecken, fände ich es stossend und nicht richtig, das Darlehen als Einnahmen anzurechnen, da es dann Überbrückungscharakter hatte und die Lebenskosten bis zum Beginn der Unterstützung abgedeckt wurden.

Variante 2: Das Darlehen der Mutter ist dem Klienten VOR der Unterstützungsaufnahme zugeflossen (dies halte ich für wahrscheinlicher, denn ab Unterstützungsaufnahme werden die Lebenshaltungskosten ja von der Sozialhilfe bezahlt)

Gemäss Zuflusstheorie, die ab 01.01.2021 offiziell auch gemäss SKOS-Richtlinien gilt (siehe meine Ausführungen zu Variante 1) gelten sämtliche Zuflüsse vor der Unterstützung als Vermögen. Es müssten dann nach Kapitel E.2.1 die Vermögensfreibeträge beachtet werden, die für Einzelpersonen nach SKOS-Richtlinien Fr. 4'000.-- betragen. Verfügte der Klient nicht über sonstiges Vermögen, würde das Darlehen innerhalb dieses Freibetrags liegen und dürfte bei der Bedarfsberechnung nicht berücksichtigt werden.

Ich hoffe, Ihnen mit dieser Antwort weiterhelfen zu können.

Freundliche Grüsse

Anja Loosli Brendebach