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Frage um finanzielle Unterstützung im Konkubinat

Veröffentlicht:
09.06.2022
Kanton:
Luzern
Status:
Beantwortet
Rechtsgebiet:
Sozialhilferecht

Ein junges Paar, beide 24jährig, beide in Zweitausbildung, wohnend im Konkubinat (seit 2 Jahren). Der junge Mann bezieht WSH, die junge Frau wurde im Gespräch beim Sozialamt angesprochen auf finanzielle Unterstützung für Ihren Freund. Sie ist jedoch ebenfalls in Zweitausbildung und arbeitet nebenher. Das ersparte Geld benötigt sie für ihr Studium. Die Eltern der jungen Frau arbeiten beide, unterstützen jedoch noch einen jüngeren Sohn und entlasten die Tochter mit der Zahlung der Krankenkassenkosten. Die Eltern des jungen Mannes können keine finanzielle Unterstützung leisten. 

Muss die Frau wirklich für ihren Freund finanziell aufkommen und ihn unterstützen? 

Vielen Dank für Ihre Unterstützung in dieser Frage. 

Freundlicher Gruss 

Guten Tag

Ich habe bei Ihnen am 9.6. angefragt, bezüglich eines jungen Paares das im Konkubinat lebt. 

Da ich bisher keine Antwort von Ihnen erhalten habe, frage ich gerne nach, ob Sie weitere Details wissen müssten. 

Vielen Dank für Ihre Kontaktnahme und eine Rückmeldung.

Freundlicher Gruss

Frage beantwortet am

Melanie Studer

Expert*in Sozialhilferecht

Guten Tag Katharina Studer

Ihre Frage lässt sich an sich kurz beantworten: die Frau hat grundsätzlich keine Pflicht, ihren Freund finanziell zu unterstützen und für ihn aufzukommen; die beiden sind gerade nicht verheiratet und daher nicht verpflichtet gemeinsam für den Unterhalt zu sorgen. Die Frage die sich jedoch stellt ist, ob im Budget des unterstützten Partners der (allenfalls auch nicht geleistete) Konkubinatsbeitrag als Einnahme berücksichtigt werden kann und sich somit der sozialhilferechtliche Bedarf der unterstützen Person verringert. Die Folgen einer Anrechnung eines Konkubinatsbeitrags treten also in erster Linie bei der unterstützten Person selbst ein. Ich werde im Folgenden also schildern, welche Voraussetzungen für die Anrechnung eines Konkubinatsbeitrags bei der unterstützten Person gelten.

Zunächst kurz zu den gesetzlichen Rahmenbedingungen im Kanton Luzern: gem.§ 31 Abs. 1 SHG Luzern sind die SKOS-Richtlinien für die Bemessung der Sozialhilfe wegleitend; in der Verordnung können Abweichungen von den SKOS-RL festgehalten werden. In Bezug auf die Berücksichtigung von Konkubinatsbeiträgen für die Bemessung der Wirtschaftlichen Hilfe, sind in der SHV Luzern keine Abweichungen von den SKOS-RL festgehalten. Zudem entsprechen auch die Ausführungen im Luzerner Handbuch (S. 66 und Anhang 14) denjenigen in den SKOS-RL in Bezug auf den Konkubinatsbeitrag.

Die SKOS-RL stellen die Vermutung auf, dass ein Konkubinatspaar, das seit mindestens zwei Jahren zusammenwohnt als stabiles Konkubinat gilt. An dieser Vermutung hängt weiter die Annahme, dass der*die leistungsfähiger*e Konkubinatspartner*in, den*die bedürftige*n Konkubinatspartner*in in finanzieller Hinsicht unterstützt. Diese Vermutung kann jedoch widerlegt werden. Dies kann etwa dadurch geschehen, dass klar offengelegt wird, wie der gemeinsame Haushalt in finanzieller Hinsicht geführt wird: wer bezahlt den Einkauf, bzw. wer leistet welchen Betrag in die Haushaltskasse? Wie werden Freizeitaktivitäten bezahlt etc.? Dies hat die zuständige Person auf dem Sozialdienst abzuklären. Die Vermutung darf nicht unhinterfragt als Tatsache gelten (vgl. Wizent Guido, Sozialhilferecht, Zürich/St. Gallen 2020, N 698), ansonsten wird dem Tatsächlichkeits- und Bedarfsdeckungsprinzip nicht Rechnung getragen.

Im Fall den sie schildern, stellt sich aber v.a. auch die Frage, ob die Leistungsfähigkeit, der nicht unterstützten Frau überhaupt gegeben ist – ob sie überhaupt in der Lage ist, einen Beitrag zu leisten.

Die Leistungsfähigkeit wird durch die Erstellung eines erweiterten SKOS-Budgets ermittelt (vgl. SKOS-RL D.4.4, Praxishilfe). Im erweiterten Budget werden einerseits gewisse Positionen mitberücksichtigen, die in einem gewöhnlichen Budget nicht angerechnet werden. Andererseits werden eben auch die Budget-Posten eines regulären SKOS-Budgets berücksichtigt. Dazu gehören insbesondere auch Situationsbedingte Leistungen nach SKOS-RL C.6. Unter den Situationsbedingten Leistungen können insbesondere auch Kosten für Bildung, gerade auch Zweitausbildungen berücksichtigt werden (SKOS-RL C.6.2 Abs. 5). Weiter scheint mir aufgrund Ihrer Schilderung – Unterstützung durch die Eltern bezüglich Krankenkassen – die finanzielle Situation der Frau auch eher knapp zu sein. Berücksichtigt wird jedoch auch das Vermögen der Konkubinatspartnerin; dieses darf den Freibetrag der bei Genugtuungen und Integritätsschädigungen gewährt wird, nicht überschreiten (vgl. Praxishilfe «Erweitertes Budget», S. 2). Dies sind CHF 30'000 (SKOS-RL D.3.1 Abs. 5).

Ich empfehle Ihnen also für die Frau ein erweitertes Budget zu erstellen und zu prüfen, ob überhaupt ein Überschuss zurückbliebe, mit dem sie den Partner unterstützen könnte.

Zudem, selbst wenn ein Überschuss gegeben wäre oder auch Vermögen über dem Freibetrag vorhanden wäre, das sie für die Zweitausbildung einsetzen will: bei der Anrechnung von Konkubinatsbeiträgen besteht für den Sozialdienst ein Ermessensspielraum, den es unter Berücksichtigung der gesamten Situation und v.a. i.S. der Verhältnismässigkeit auszufüllen. Sowohl die SKOS-RL D.4.4. Abs. 1 als auch das Luzerner Handbuch sprechen davon, dass Einkommen und Vermögen der nicht unterstützen Person «angemessen» zu berücksichtigen ist. Eine Möglichkeit, diese Angemessenheit zu gewähren bietet das erweiterte Budget (vgl. SKOS-RL D.4.4, Erläuterung c). Im von Ihnen geschilderten Fall wäre dieser Angemessenheit meines Erachtens nicht mehr Rechnung getragen, wenn die junge Frau ihre Zweitausbildung zugunsten ihres Partners, dessen Zweitausbildung durch die Sozialhilfe finanziert wird, abbrechen müsste; bzw. wenn beim jungen Mann ein Konkubinatsbeitrag in einer Höhe als Einnahme berücksichtigt würde, der dies indirekt bewirken würde. Das wäre meiner Meinung nach unbillig und die mit dem Konkubinatsbeitrag angestrebte Solidarität überstrapaziert.

Ich hoffe Ihnen mit diesen Angaben zu dienen und bitte Sie um Entschuldigung für die längere Wartefrist. 

Beste Grüsse