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Finanzierung Verhütungsmittel als situationsbedingte Leistung SIL

Veröffentlicht:
17.06.2020
Kanton:
Uri
Status:
Beantwortet
Rechtsgebiet:
Sozialhilferecht

Guten Tag

Meine Klientin musste ihr längerfristiges Verhütungsmittel (wirksam für 3 Jahre) mit Kosten von über Fr. 500.-- erneuern. Sie ist 19 Jahre alt, lebt mit ihrer Mutter zusammen die ebenfalls Sozialhilfe bezieht und hat ein Einkommen von etwas über Fr. 500.-- in einem Praktikum bevor sie im August eine Lerhe startet.

Das Sozialamt lehnt eine Übernahme der Kosten gemäss einem sozialdienstinternen Grundsatzentscheid ab. Nun stellt sich mir, die Frage ob diese Kosten auf dem Hintergrund der Überlegung, dass die Verhütung ein persönliches Grundrecht darstellt nicht von der Sozialhilfe getragen werden müsste? Soweit ein Ermessensspielraum besteht,  was spricht für oder gegen eine Übernahme? Oder fallen die entsprechenden Kosten unter den Grundbedarf?

Ich bedanke mich für Ihre Informationen und grüsse Sie freundlich.

Guten Tag

Ich beziehe mich auf meine oben aufgeführte Anfrage vom 17.6.2020. Ich bin dankbar, wenn Sie mir mitteilen, bis wann ich Ihre Antwort erwarten darf.

Freundliche Grüsse

Maria Egli

Frage beantwortet am

Ruth Schnyder

Expert*in Sozialhilferecht

Sehr geehrte Frau Egli

Gerne beantworte ich Ihre Anfrage. Es geht dabei um die Frage der Bemessung der wirtschaftlichen Hilfe, und zwar, ob das Verhütungsmittel im Grundbedarf eingeschlossen oder separat als situationsbedingte Leistung zu vergüten ist. Nach Art. 28 SHG UR erlässt der Regierungsrat Richtlinien für die Bemessung der wirtschaftlichen Hilfe und orientiert sich dabei an den Empfehlungen der SKOS.

Mit dem Regierungsratsbeschluss vom 31. August 2005 (RRB Nr. 490) sind die SKOS-Richtlinien vom April 2005 grundsätzlich, mit einzelnen Anpassungen, als verbindlich erklärt worden (Sozialhilfehandbuch Kanton URI Stichwort SKOS-Richtlinien, S 06, Stand 2012).

Weder den SKOS-Richtlinien noch dem Urner Sozialhilfehandbuch lässt sich etwas zum Thema Verhütung entnehmen. Es stellt sich die Frage, ob die Verhütung zur Gesundheitsversorgung gehört, die über die im Grundbedarf eingeschlossene Gesundheitspflege (Kap. B.2 SKOS-Richtlinien) hinausgeht und daher als grundversorgende situationsbedingte Leistung zu übernehmen wäre (C.1 SKOS-Richtlinien). Denn die Verhütung gehört grundsätzlich nicht zur medizinischen Grundversorgung, die Teil der materiellen Grundsicherung ist und vom KVG sowie durch die Sozialhilfe durch Übernahme von Franchise und Selbstbehalt gewährleistet ist (Kap. B.5 SKOS-Richtlinien). Die Verhütung kann allenfalls in Ausnahmefällen von der Krankenkasse übernommen, wenn aus gesundheitlichen Gründen notwendig z.B. zur Behandlung von hormonell bedingter Akne.

Das Bundesgericht hat sich mit der Frage zur Übernahme von Kosten für Verhütungsmittel durch die Sozialhilfe im Urteil 8C_824/2015 vom 19.5.2016 Erw. 13 befasst. Es hat die Ablehnung einer Thurgauer Gemeinde geschützt. Es befand in Erw. 13.2, dass Schwangerschaftsverhütung grundsätzlich nicht von der Sozialhilfe zu übernehmen sind, ausser in begründeten Fällen. Es braucht also nach Bundesgericht eine besondere Notwendigkeit. Das könnten auch besondere Gründe sein, dass das Verhütungsmittel nicht aus dem Grundbedarf bezahlt werden kann. Der Betrag von Fr. 500 ist zweifellos ein erheblicher Betrag für das Monatsbudget einer jungen Erwachsenen, jedoch wäre zu klären, ob nicht eine Ratenzahlung möglich wäre. Falls nicht, wäre dies gegenüber der Sozialhilfe darzulegen und zu beweisen, womöglich würde hier auch die Frage nach alternativen Produkten gestellt werden.  

Ich hoffe, Ihnen mit diesen Ausführungen Ihre Frage beantwortet zu haben.

Freundliche Grüsse

Ruth Schnyder