Guten Tag liebes Expertenteam
der folgende Sachverhalt hat Schnittstellen auch zu anderen Rechtsthemen. Es geht aber vorwiegend um die Frage der Zuständigkeit für die Ausrichtung der Ergänzungsleistungen und daher stelle ich in diesem Forum die Fragen:
Im Jahr 2016 zog der Klient aus einem Heim von einem anderen Kanton in den Kanton Bern in unseren Zuständigkeitsbereich in eine eigene Wohnung. Er meldete sich bei der Gemeinde als Wochenaufenthalter an. Im Jahr 2020 ging er in seinen Ursprungskanton zurück und trat dort direkt in ein Heim ein. Die Ausgleichskasse des Kantons Bern richtet die Ergänzungsleistungen aus. Die Heimtaxe, die der Kanton Bern bezahlt, ist tiefer als sie nötig wäre um das Heim im anderen Kanton zu bezahlen. Bis anhin wurde dies durch das Vermögen des Klienten beglichen. Er hat nun auf unserem Dienst einen Antrag auf Sozialhilfe gestellt, damit die Sozialhilfe die Differenz ausgleicht.
Er hat sich an den örtlichen Sozialdienst und an die örtliche KESB gewandt, die ihn wiederum an uns verwiesen haben.
Welche Möglichkeiten gibt es, dass die Ausgleichskasse des anderen Kantons die EL ausrichtet und so die Heimkosten regulär gedeckt wären?
Der Klient ist psychiatrisch erkrankt und kann seine finanziellen und administrativen Belange nur unzureichend regeln. Welche KESB ist hier für die Eröffnung eines Verfahrens zuständig, resp. an welchem Sitz soll die Beistandschaft geführt werden?
Besten Dank für die Bemühungen.
Freundliche Grüsse
Sabine Bauer
Frage beantwortet am
Peter Mösch Payot
Expert*in Sozialversicherungsrecht
Liebe S.B.
Gerne beantworte ich die Anfrage, soweit es um die sozialversicherungsrechtlichen Aspekte geht.
1. a) Mit Blick auf die kantonale Zuständigkeit in der EL gilt, dass bei einem Heimeintritt der Kanton zuständig bleibt, wo jemand vor dem Heimeintritt den Wohnsitz hatte. Der Aufenthalt in einem Heim, einem Spital oder einer Anstalt und die behördliche Anordnung, eine volljährige Person in Familienpflege zu geben, begründen keine neue Zuständigkeit (Art. 21 Abs.1bis ELG).
Das gilt auch in den Fällen, wo der Anspruch auf EL erst nach dem Heimeintritt entstanden ist.
Im Weiteren gilt diese Zuständigkeit am Wohnort VOR dem Heimeintritt selbst dann, wenn die Person einen (zivilrechtlichen) Wohnsitz (siehe unten Ziff. 2) am Standort des Heimes begründet (Art. 21 Abs. 1quater ELG).
b) Bei Personen, die dauernd in einem Heim oder Spital leben, werden neben den allgemeinen Augaben insb. die Tagestaxe und der Betrag für persönliche Auslagen als Ausgaben anerkannt.
c) Bei ausserkantonalem Heimaufenthalt sind die Bestimmungen des Kantons massgebend, der für die Festsetzung und Auszahlung der EL zuständig ist (WEL, Stand 1.1.2021,Rz. 3320.02). Das Bundesgericht hat diese Praxis, obwohl sie mitunter wie in casu zu einer Sozialhilfeabhängigkeit führt(vgl. Art. 10 Abs. 2 lit. a ELG), als zulässig beurteilt (BGE 138 V 381).
Ganz ähnlich ist die Regelung für die Frage, welcher Kanton allfällige von der Krankenversicherung nicht übernommene und über dem Selbstbehalt liegende Pflegekosten (Art.25a KVG) zu übernehmen hat.
Fazit: Solange der Klient in diesem Heim lebt bleibt die Zuständigkeit sicher gleich und richtet sich somit auch die Bestimmung des Tarifs für die Heimtaxen und den Betrag für persönliche Auslagen nach dem Wohnkanton vor dem Heimeintritt.
Mit Blick auf die Sozialhilfe ist im Rahmen der Subsidiarität zu prüfen, ob eine Rückkehr in ein Heim im Kanton, der für die EL zuständig ist, bzw. in ein Heim mit tieferen Tarifen verhältnismässig, namentlich zumutbar wäre. Je länger der Betroffene bereits in diesem Heim ist und je schlechter sein Gesundheitszustand, desto eher ist dies zu verneinen. Zum Teil kann auch mit dem Heim selber über eine allfällige Anpassung des Tarifs diskutiert werden.
2. Zur zweiten Frage, die das Erwachsenschutzrecht betrifft, aber aus Effizienzgründen doch direkt in diesem Forum beantwortet wird:
Bzgl. der Frage der Zuständigkeit der KESB ist zu beachten, dass sich diese nach dem zivilrechtlichen Wohnsitz richtet. Und ein solcher kann im Prinzip auch am Aufenthaltsort in einem Heim entstehen, wenn dort jemand seinen Lebensmittelpunkt errichtet hat.
Der selbständige Wohnsitz wird durch eigenen Willen begründet und gilt als der Ort, an welchem sich eine Person mit der Absicht dauernden Verbleibens aufhält (CHK ZGB-Breitschmid, Art. 23 N 3). Es müssen also zwei Kriterien erfüllt sein: der objektive physische Aufenthalt und die subjektive Absicht des dauernden Verbleibens (BGE 137 II 122, 126; 136 II 405 E. 4.5). Das subjektive Element ist der Wille dauernden Verbleibens. An die Urteilsfähigkeit als subjektives Element, welche der Absicht des dauernden Verbleibens an einem Wohnort zugrunde liegen muss, sind nur geringe Anforderungen zu stellen (BGE 127 V 237, 240 ff. E. 2.c mit dort zitierten Hinweisen). Massgebend ist daher der Mittelpunkt der Lebensbeziehungen (125 III 100, 102; BSK ZGB I-Staehelin, Art. 23 N 5).
Der Aufenthalt zu einem Sonderzweck allein begründet hingegen keinen Wohnsitz. Art. 23 ZGB begründet insoweit eine widerlegbare Vermutung:
Denn eine Begründung eines neuen Wohnsitzes am Ort der Einrichtung ist nicht ausgeschlossen, wenn der dortige Aufenthalt nicht nur dem Sonderzweck dient (BBl 2006, 7001, 7096).
Wer also freiwillig seinen Lebensmittelpunkt an diesen Ort verlegt, begründet hier einen zivilrechtlichen Wohnsitz und behält nicht seinen bisherigen Wohnsitz gemäss Art. 24 Abs. 1 ZGB als fiktiven bei (statt vieler BGE 135 III 49, 56). Dabei gelten die oben genannten Kriterien (Mittelpunkt der Lebensbeziehungen als äusseres Zeichen für die Absicht des dauernden Verbleibes und des fortgesetzten Aufenthaltes).
Soweit dies erfüllt ist, so müsste die KESB am Standort des Heimes eine allfällige Erwachsenenschutzmassnahme prüfen und bei Vorliegen der Voraussetzungen beschliessen.
Ich hoffe, das dient Dir.
Peter Mösch Payot