Guten Tag
Seit in Kanton Zürich das neue KJG in Kraft ist, werden wir im Erwachsenenschutz vermehrt mit Fragen konfrontiert wer die Kosten welche nicht vom AJB bezahlt werden übernehmen soll/muss. Diese Fragen stellen sich sowohl wenn wir eine Beistandschaft für die jung-erwachsene Person in einem solchen Heim führen, als auch wenn wir eine Beistandschaft für Eltern von einer jung-erwachsenen Person in einem solchen Heim führen.
Es handelt sich um
- Pauschale CHF 25.--/Tag für Verpflegung, welche die Heime den Eltern in Rechnung stellen (§47 KJV)
- Gesundheitskosten (KVG, Franchise, Selbstbehalt)
- sonstige Nebenkosten (Taschengeld, Fahrspesen, Anschaffungen usw.)
Gemäss KJV sind diese Kosten den Unterhaltspflichtien in Rechnung zu selle (i.c. Eltern).
Könen wir uns auf dem Standpunkt stellen, dass jung-erwachsene Personen (da volljährig) selber Anspruch auf Sozialhilfe, ergänzend zu ihren Einnahmen (aus Lohn, Renten, usw.) haben oder müssen die Eltern in jedem Fall diese Kosten übernehmen oder wenn sie dazu nicht in der Lage sind Sozialhilfe beantragen (wie dies von div. Sozialbehörden gehandhabt wird)?
Danke und liebe Grüsse
Frage beantwortet am
Karin Anderer
Expert*in Kindes- und Erwachsenenschutz
Guten Tag
Die Unterhaltspflicht der Eltern ist in Art. 276 ZGB geregelt:
1 Der Unterhalt wird durch Pflege, Erziehung und Geldzahlung geleistet.
2 Die Eltern sorgen gemeinsam, ein jeder Elternteil nach seinen Kräften, für den gebührenden Unterhalt des Kindes und tragen insbesondere die Kosten von Betreuung, Erziehung, Ausbildung und Kindesschutzmassnahmen.
3 Die Eltern sind von der Unterhaltspflicht in dem Mass befreit, als dem Kinde zugemutet werden kann, den Unterhalt aus seinem Arbeitserwerb oder andern Mitteln zu bestreiten.
Die Unterhaltspflicht der Eltern dauert bis zur Volljährigkeit des Kindes. Hat es dann noch keine angemessene Ausbildung, so haben die Eltern, soweit es ihnen nach den gesamten Umständen zugemutet werden darf, für seinen Unterhalt aufzukommen, bis eine entsprechende Ausbildung ordentlicherweise abgeschlossen werden kann (Art. 277 ZGB).
Befindet sich ein volljähriges Kind nicht in einer entsprechenden Ausbildung, dann schulden die Eltern keinen Unterhalt. Das volljährige und sich nicht in einer Ausbildung befindende Kind muss für seinen Unterhalt selbst aufkommen.
Das neue KJG definiert in § 2 die ergänzende Hilfe zur Erziehung: die sozialpädagogische Familienhilfe, die Familienpflege, die Dienstleistungsangebote in der Familienpflege, die Heimpflege. Anspruch auf ergänzende Hilfen zur Erziehung haben Kinder und Jugendliche mit Wohnsitz im Kanton Zürich. Er besteht grundsätzlich bis zur Volljährigkeit. Über die Volljährigkeit hinaus besteht er insbesondere bis zum Abschluss einer ergänzenden Hilfe zur Erziehung (§ 3 KJG).
§ 5.KJV regelt Näheres über die Dauer des Anspruchs:
1 Der Anspruch auf ergänzende Hilfen zur Erziehung besteht bis zum vollendeten 25. Altersjahr, wenn der Leistungsbezug
a. vor dem vollendeten 18. Altersjahr begonnen hat und
b. zur Sicherstellung seiner nachhaltigen Wirkung erst nach Vollendung des 18. Altersjahres abgeschlossen werden kann.
2 - 3 (…)
Der Leistungsanspruch über die Volljährigkeit hinaus bedarf also einer besonderen Begründung.
Die Leistungserbringenden erheben von den Unterhaltspflichtigen pauschale Beiträge an die Verpflegungskosten, die auch als Beiträge der Unterhaltspflichtigen bezeichnet werden. Die Verordnung regelt die Höhe der Beiträge und das Verfahren (§ 19 KJG). Bei den Beiträgen der Unterhaltspflichtigen handelt es sich um die Beteiligung der Eltern, es wird an ihre Unterhaltspflicht nach dem ZGB angeknüpft. Es geht um Kosten, „die sie ihrerseits einsparen, wenn ihr Kind in einem Heim oder in einer Pflegefamilie verpflegt wird“ (vgl. Amtsblatt des Kantons Zürich vom 28. August 2015, Kinder- und Jugendheimgesetz (KJG, Neuerlass), Vorlage 5222, ABl 2015-08-28, S. 35).
§ 47 KJV regelt Näheres zu den Beiträgen der Unterhaltspflichtigen:
1 Der Beitrag der Unterhaltspflichtigen an die Verpflegungskosten gemäss § 19 KJG (Verpflegungsbeitrag) beträgt in Familienpflege- und Heimpflegeangeboten Fr. 25 pro Aufenthaltstag.
2-7 (…)
Zusätzlich müssen die Eltern die Nebenkosten bezahlen, wie Taschengeld, Kleider, Gesundheitskosten. Das wird im KJG nicht erwähnt, der Gesetzgeber beurteilt das als selbstverständlich (vgl. Amtsblatt des Kantons Zürich vom 28. August 2015, Kinder- und Jugendheimgesetz (KJG, Neuerlass), Vorlage 5222, ABl 2015-08-28, S. 35).
Vom Kind kann verlangt werden, dass es sich an seinem Unterhalt beteiligt, wenn es über Einkommen oder Vermögen verfügt (Art. 276 Abs. 3 ZGB). Zum Umfang und zu den Grenzen seiner Beteiligung vgl. BSK ZGB I-Fountoulakis/Breitschmid, Art. 276 N 34; OFK/ZGB-Gmünder, Art. 276 ZGB N 8.
Im KJG fehlt eine gesetzliche Regelung eines Kostenbeitrags einer erwachsenen leistungsbeziehenden Person, die keinen Anspruch auf Volljährigenunterhalt hat. Sind die Eltern nicht unterhaltspflichtig, weil sich das volljährige Kind in keiner Ausbildung befindet, so können keine Beiträge der Unterhaltspflichtigen erhoben werden. Mangels einer gesetzlichen Grundlage sehe ich auch keine Pflicht des unterstützungspflichtigen Gemeinwesens, diese Beiträge zu leisten. Für die Nebenkosten bzw. die weiteren Lebenshaltungskosten hat das volljährige Kind selbst aufzukommen, ist es bedürftig so hat es, oder ggf. der Beistand mit einer entsprechenden Vertretungsbefugnis, Sozialhilfe zu beantragen.
Wenn die Eltern nach Art. 277 Abs. 2 ZGB für den Volljährigenunterhalt aufzukommen haben, so müssen sie die Beiträge der Unterhaltspflichtigen leisten. Können oder wollen sie die Beiträge nicht zahlen, so hat die Behörde am Unterstützungswohnsitz des Kindes für den Beitrag der Unterhaltspflichtigen sowie die Nebenkosten aufzukommen. Die Behörde kann versuchen, mit den Eltern Elternbeiträge zu verhandeln; allenfalls ist eine Klage auf Volljährigenunterhalt in Erwägung zu ziehen. In diesem Fall hat das volljährige Kind, oder ggf. der Beistand mit einer entsprechenden Vertretungsbefugnis, die Sozialhilfe zu beantragen. Auch kann die Behörde vom Kind verlangen, dass es sich an seinem Unterhalt beteiligt, wenn es über Einkommen oder Vermögen verfügt.
Das Amt für Jugend und Berufsberatung vollzieht das Kinder- und Jugendheimgesetz und die Verordnung (§1 KJV). Das Kantonale Sozialamt Zürich hält in seinem Handbuch die Finanzierungsabläufe fest und klärt die Schnittstelle zur Sozialhilfe. Ich empfehle Ihnen, diese beiden Stellen auf die Unsicherheiten beim Vorgehen hinzuweisen. Verlangen Sie auch eine Auskunft betreffend die Beiträge der Unterhaltspflichtigen, wenn es um volljährige Kinder ohne Unterhaltsanspruch geht.
Ich hoffe, die Angaben sind nützlich und ich grüsse Sie freundlich.
Karin Anderer
Luzern, 13.6.2022