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Finanzierung Kindesschutzmassnahmen bei Pflegefamilien

Veröffentlicht:
04.10.2024
Kanton:
Solothurn
Status:
Beantwortet
Rechtsgebiet:
Sozialhilferecht

Sehr geehrte Damen und Herren

Bei folgender Situation wäre ich um eine rechtliche Einschätzung Ihrerseits dankbar.

Ausgangslage:
Es besteht eine Kindesschutzmassnahme für einen Jungen nach Art. 308 Abs. 1 und 2 ZGB. (Rat & Tat, Ansprechsperson für Fachpersonen & Institutionen sein, Besuchsrecht organisieren & überwachen). Der Junge lebte bei der Mutter. Die Mutter musste notfallmässig in eine Klinik.  Der Junge konnte zu seinem Patenonkel, da der Vater den Jungen nicht betreuuen konnte. Die Dauer dieser Situation welche als Notfallplatzierung innerhalb 2 Tagen umgesetzt musste, war anfänglich unbekannt. Nach mehreren Monaten ist jedoch klar, das der Junge kurzfristig nicht zur Mutter oder dem Vater zurückkehren kann.
Die zuständige Sozialhilfe weist die Mandatsperson für die
Entschädigung der Nebenkosten sowie der Betreuungskosten an direkt beim Kanton Solothurn eine Kostenübernahmegarantie einzuholen, sowie einen Pflegevertrag auszustellen. Auszahlungen wie Auslagen für Fahrtkosten sowie die Entschädigung für Betreuung, Wohnen und Unterhalt werden seitens Sozialhilfe erst nach Vorliegen der KÜG, des Pflegevertrages sowie der Bewilligung des Kantons als Pflegefamilie erbracht. (Eine Kostengutsprache wird  seitens Sozialhilfe nicht erlassen.

Meine Frage an Sie:
Aus meiner Sicht stellt die oben beschriebene Situation eine Kindeschutzmassnahme dar, für welche die unterstützungspflichtige Sozialhilfe eine (subsidiäre) Kostengutsprache zu leisten hat (und die entsprechenden Kosten im Sinne einer effektiven Vorleistung allfälliger elterlicher Kostentragungen zu erbringen. ) 
( BGE 8C_25/2018, Urteil vom 19. Juni 2018)
https://www.bger.ch/ext/eurospider/live/de/php/aza/http/index.php?lang=de&type=show_document&highlight_docid=aza://aza://19-06-2018-8C_25-2018

Im Sinne eines Antrages an die zuständige Sozialhilfe wären m.E. die Kosten gemäss "Finanzielle Leistungen für Pflegefamilien" des Kanton Solothurn (Ansätze für Betreuung, Wohnen und Unterhalt) sowie die üblichen Nebenkosten für ausserfamiliäre Unterbringungen von Minderjährigen von Seiten Mandatsperson zu beantragen.

Ich erachte den Verweis der Sozialhilfe an das Einholen und der Vorlage der Kostenübernahmegarantie des Kantons als nicht legitim.

Ebenso betrachte ich kritisch, dass der Mandatsperson die Aufgabe des Einholens der Kostenübernahmegarantie aufgetragen wird. Aus meiner Sicht wäre dies als Teilaufgabe im Rahmen der Finanzierung der unterstützungspflichtigen Sozialhilfe zu erachten.
Insbesondere auch unter dem Aspekt der Rechtskonformität: Da es sich um eine freiwillige Platzierung handelt, sind auf dem Formular Kostenübernahmegesuch die Unterschriften der Eltern notwendig. Jedoch: Auf diesem Formular ist keine Rechtsmittelbelehrung enthalten. Die Eltern sind somit zu diesem Zeitpunkt über allfällige Kostenfolgen (via Elternbeitrag) nicht in Kentnnis gesetzt.
(vgl. Formular "Gesuch Kostenübernahme"
https://so.ch/verwaltung/departement-des-innern/amt-fuer-gesellschaft-und-soziales/kinder-jugendliche-und-familien/ausserfamiliaere-unterbringung/koordination/

Und auch das vorgängige Einfordern eines Pflegevertrages seitens Sozialhilfe (als Voraussetzung finanzieller Leistungen) erachte hinterfrage ich. Im oben beschriebenen Falle war für den Pflegevertrag zuerst eine Bewilligung durch den Kanton notwendig und vom Vorgehen der entsprechenden Fachstelle
abhängig. Damit verzögerte sich die Auszahlung der Entschädigungen an die Pflegefamilie ebenso. Dass die Sozialhilfe die vertragliche Basis zumindest nachträglich dokumentiert haben möchte (muss?) wäre für mich nachvollziehbar.

Last but not least: Der Aspekt, dass die Entschädigung der Betreuungsentschädigung einen Lohn darstellt und die Sozialregion damit eine arbeitgeberrechtliche Stellung einnimmt (inkl. allfälliger Sozialversicherungsrechtlicher Aspekte wie z.B. Anmeldung AHV) dürfte meiner Ansicht nach, das oben beschriebene Vorgehen nicht tangieren.

Besten Dank für Ihre rechtliche Einschätzung bezüglich der verschiedenen Aspekten in diesen (durchaus spannenden) Fragestellungen.

Frage beantwortet am

Anja Loosli

Expert*in Sozialhilferecht

Guten Tag

Ich bedanke mich für Ihre Fragen und beantworte diese gerne wie folgt:

Pflegeeltern haben nach Art. 294 Abs. 1 des Zivilgesetzbuches (ZGB) einen Anspruch auf ein angemessenes Pflegegeld, soweit nichts Abweichendes vereinbart ist oder sich eindeutig aus den Umständen ergibt. Das Pflegegeld ist grundsätzlich von den Eltern oder dem Kind zu bezahlen (Art. 293). Bezahlen die Eltern das Pfleggeld nicht, hat der Unterstützungswohnsitz gemäss Sozialhilfehandbuch des Kantons Solothurn (Pflegekinder, Ziff. 1.3) eine Kostengutsprache zu leisten. Sind die Eltern nicht leistungsfähig, verbleibt die Kostentragung beim Unterstützungswohnsitz des Kindes. Die Sozialhilfe ist an einen rechtskräftigen Entscheid der KESB gebunden und hat grundsätzlich für die Kosten aufzukommen (Sozialhilfehandbuch Kanton Solothurn, Pflegekinder, Ziff. 1.3). Wie hoch die Entschädigung für Pflegeeltern im Kanton Solothurn sein kann, lässt sich dem Merkblatt «Finanzielle Leistungen für Pflegefamilien» entnehmen. Aus diesem Merkblatt lässt sich auch entnehmen, in welchem Umfang die Entschädigung steuerpflichtig ist und inwieweit darauf Sozialabgaben zu bezahlen sind.     

Für Pflegeeltern gibt es aber gewisse Voraussetzungen: Gemäss Art. 1 Abs. 1 i.V.m. Art. 4 Abs. 1 der Pflegekinderverordnung des Bundes (PAVO, SR 211.222.338) bedarf es für die Aufnahme von Minderjährigen ausserhalb des Elternhauses einer Bewilligung, wenn das Kind mehr als einen Monat entgeltlich oder mehr als 3 Monate unentgeltlich aufgenommen wird.

Daraus folgt, dass ein Pflegegeld erst ab dann geschuldet sein kann, wenn eine Bewilligung als Pflegeeltern erteilt ist. Es ist vorliegend deshalb zulässig, dass die Sozialhilfe kein Pflegegeld bezahlt und auch keine Kostengutsprache erteilt, bis die Bewilligung als Pflegevater nachweislich vorliegt.

Dies heisst aber nicht, dass das Kind nicht vor Bewilligungserteilung an den Onkel als Pflegevater Anspruch auf Sozialhilfeleistungen gehabt haben könnte. Das Kind ist gemäss Sozialhilfehandbuch des Kantons Solothurn (Kapitel Pflegeeltern, Ziff. 1.3) als eigener Unterstützungsfall zu führen, wenn es nicht bei den Eltern lebt. Dabei spielt es keine Rolle, ob es dauerhaft nicht bei den Eltern wohnt oder (vorerst) nur vorübergehend.

Daraus folgt, dass vorliegend bereits im Zeitpunkt der Gesuchseinreichung von der Sozialhilfe hätte geprüft werden müssen, ob das Kind bedürftig ist. Ist die Bedürftigkeit zu bejahen, hätte die Sozialhilfe bereits ab diesem Zeitpunkt die Unterstützung in Form eines Grundbedarfs, von Wohn-, Gesundheits- und allenfalls weiteren notwendigen Kosten übernehmen, vorerst aber noch kein Pflegegeld bezahlen müssen.

Ich hoffe, Sie mit meiner Antwort unterstützen zu können.

Freundliche Grüsse