Guten Tag liebes Expertenteam
bei einem Klienten wurde zu Hause ein Abklärungsgespräch durchgeführt. Anlass war eine Wiederanmeldung aufgrund der Verschlechterung des Zustandes, auf welches die IV auch einging. Der Klient hat seit ca. sieben Jahren nichts mehr gearbeitet. Zuletzt temporär im Stundenlohn in der Montage. Gelernter Beruf ist Bäcker. Die abklärende Person eruierte seinen momentanen Lebensbedarf und vermerkte sein SKOS-Budget. Ist es überhaupt zulässig die Vergleichsrechnung anhand der SKOS-Richtlinien festzulegen, im Sinne "von Beruf Sozialhilfeempfänger"?
Besten Dank für Ihre Bemühungen.
Freundliche Grüsse
Sabine Bauer
Frage beantwortet am
Peter Mösch Payot
Expert*in Sozialversicherungsrecht
Liebe Sabine
Der Status einer Person für die Methode der Berechnung des IV-Grades (Erwerbstätig mit der Folge Einkommensvergleich, Nichterwerbstätig mit der Folge Betätigungsvergleich etc.) ist danach festzulegen, welche Tätigkeit die Person ausführen würde, wenn sie die Gesundheitseinschränkung nicht erlebt hätte. Der gleiche Massstab gilt für die Frage wie bei der gemischten Methode die Anteile (Einkommensvergleich, Haushaltseinschränkung) bemessen sind.
Dafür muss im konkreten Fall geprüft werden, welche Tätigkeit die versicherte Person ausüben würde, wenn sie nicht gesundheitlich beeinträchtigt wäre (Erwerbstätigkeit, Teilerwerbstätigkeit, Tätigkeit im Haushalt etc.).
Die Bemessungsmethode beurteilt sich nach den Verhältnissen, wie sie sich bis zum Erlass der Verfügung entwickelt haben (ZAK 1989 S. 116 Erw. 2b). Tritt nach Verfügungserlass eine wesentliche Änderung ein, kann dies ein Revisionsgrund darstellen. Wenn also zum Beispiel eine Nichterwerbstätigkeit und ein Sozialhilfebezug UNABHAENGIG von der IV-relevanten Gesundheitseinschränkung entsteht, könnte dies ein Indiz sein, dass der IV-Grad neu nach dem Status der Nichterwerbstätigkeit bestimmt wird.
Zur Entscheidung der Frage des Status sind alle Gegebenheiten des Einzelfalles zu prüfen. Namentlich allfällige Erziehungs- und Betreuungsaufgaben gegenüber Kindern, das Alter, die beruflichen Fähigkeiten, die Ausbildung sowie die persönlichen Neigungen und Begabungen der versicherten Person nach Massgabe der allgemeinen Lebenserfahrung.
Es ist der Beweisgrad der überwiegenden Wahrscheinlichkeit erforderlich (. Es ist auf Grund objektiver Umstände „vernünftig“ zu beurteilen, wie die versicherte Person in ihrer konkreten Lebenssituation ohne gesundheitliche Beeinträchtigungen entschieden hätte (BGE 117 V 194). Dieser subjektive Entschluss muss nicht zwingend auch der objektiv vernünftigste Entscheid sein (8C_319/2010, 8C_731/2010).
Das Kreisschreiben kennt einige weitere Konkretisierungen hierfür (vgl. KSIH (Stand 1.1.2021), Rz. 3006 und 3007:
- Verboten sind gemäss dem Kreisschreiben starre Rollenzuweisungen, zum Beispiel hinsichtlich der Aufgabenteilung von Frau und Mann.
- Bei Unselbstständigerwerbenden ist davon auszugehen, dass die versicherte Person die unselbstständige Erwerbstätigkeit auch ohne Gesundheitsschaden weiterhin ausgeübt hätte, sofern nicht genügend wahrscheinlich gemacht wird, dass sie sich in der Zwischenzeit selbstständig gemacht hätte.
Die IV-Stelle muss die Bemessungsmethode zusammen mit den für die Bestimmung des Invaliditätsgrades massgebenden Berechnungselementen mit einer kurzen Begründung im Dossier festhalten. Die Frage der Bestimmung des Status ist also auch einem allfälligen Einwand oder weiteren Rechtsmitteln zugänglich.
Sowohl beim Einkommensvergleich (bei Erwerbstätigkeit) als auch beim Beschäftigungsvergleich (Nichterwerbstätig) ist auf jeden Fall das Sozialhilfeeinkommen grundsätzlich keine Bezugsgrösse für die Bestimmung des IV-Grades. Immerhin kann aber bei Sozialhilfebeziehenden deren Erwerbstätigkeit Grundlage sein für die Bemessung des dafür (hypothetischen) Einkommens. Und dieses kann als Invalideneinkommen in die Berechnung des IV-Grades einbezogen werden.
Ich rate dazu, im vorliegenden Fall vor allem auch darauf zu achten, was die versicherte Person mündlich im Rahmen des Revisionsverfahrens zur Frage der Tätigkeit (bzw. zur hypothetischen Tätigkeit, wenn das Handicap nicht eingetreten wäre) ausgesagt hat, und was entsprechend dokumentiert ist in den IV-Akten. Dafür ist rasch Akteneinsicht zu verlangen. Eventuell können dann weitere Beweismittel und Indizien zur Statusfrage (z.B. die Gründe für die Sozialhilfeabhängigkeit, vor allem wenn diese auch gesundheitsbedingt sind) im Verfahren eingereicht werden. Später ist dann sicherlich der Vorbescheid genau und auf der Basis der Durchsicht der Akten zu prüfen.
Ich hoffe, das dient Dir.
Peter Mösch Payot