Eine Mitarbeitende ist seit Anfangs Februar 2017 krank geschrieben. Die Arztzeugnisse kamen immer wieder Wochenweise. Diese lassen darauf schliessen, dass es sich um eine psychische Erkrankung handelt. Die Mitarbeitende hat jeglichen Kontakt abgebrochen, nimmt keine Telefonanrufe entgegen und beantwortet auch keine Mails. Seit einem Monat fehlen die Arztzeugnisse und die geplanten Gespräche mit dem Chef fanden nicht statt. Ein Case Manager wurde bis jetzt (obwohl es unser Wunsch ist) nicht eingeschaltet.
Die Verantwortlichen auf der Chefetage meinen, wir müssen abwarten und geduldig sein, da wir der Mitarbeitenden nicht kündigen können.
Wir jedoch sind der Meinung,( da die Arztzeugnisse fehlen und ein Zusammenarbeit ihrerseits nicht möglich bzw. verweigert wird), dass dies Gründe für eine Kündigung seien.
Wie sollen wir weiter vorgehen?
Frage beantwortet am
Kurt Pärli
Expert*in Arbeitsrecht
Sehr geehrte Frau Waser
Wer nicht zur Arbeit kommt, erfüllt seine vertragliche Arbeitspflicht nicht. In dieser Konstellation schuldet die Arbeitgeberin auch keinen Lohn, es sei denn, es liege ein Fall von Art. 324a OR vor. Gemäss dieser Bestimmung hat die Arbeitgeberin dem Arbeitnehmer in Fällen unverschuldeter Verhinderung an der Arbeitsleistung für eine beschränkte zeit den Lohn weiter auszurichten. Krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit ist einer der Gründe, die zur einer Lohnfortzahlungspflicht der Arbeitgeberin führen. Nun ist es allerdings so, dass der Arbeitnehmer die krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit beweisen muss, was i.d.R. mittels eines Arztzeugnisses erfolgt. Legt der Arbeitnehmer kein Arztzeugnis vor kann er seine krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit nicht anderweitig beweisen, so schuldet der Arbeitggeber keinen Lohn bzw. eine allfällig involvierte Taggeldversicherung wird in dieser Konstellation ebenfalls die Zahlung verweigern.
Somit ist als Zwischenergebnis festzuhalten: Arbeitet der Arbeitnehmer nicht und beweist auch nicht ,dass er krankheitsbedingt arbeitsunfähig ist, so kann die Lohnzahlung sistiert werden.
Nun zur Frage der Kündigungsmöglichkeit. Art. 336c OR sieht so genannte Sperrfristen vor, während derer nicht gekündigt werden darf (je nach Anzahl der Dienstjahre). Krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit löst eine solche Sperrfrist aus. Wie bei der Lohnfortzahlung gilt aber auch hier: Der Arbeitnehmer muss den Beweis erbringen, dass er arbeitsunfähig ist, nur dann geniesst er den Sperrfristenschutz.
Somit steht fest: Wenn der Arbeitnehmer kein Arztzeugnis vorlegt und die Arbeitsunfähigkeit auch nicht anderweitig belegt bzw. es aufgrund der Umstände nicht völlig klar ist, dass eine Arbeitsunfähigkeit vorliegt, dann schuldet die Arbeitgeberin keinen Lohn und auch eine Kündigung ist zulässig.
Da jedoch der Arbeitnehmer Zeugnisse eingereicht hat und zudem vermutet wird, dass eine psychische Erkrankung vorliegt, muss die Arbeitgeberin aufgrund der Fürsorgepflicht auf geeignetem Wege dem Arbeitnehmer unmissverständlich mitteilen, dass ohne Arztzeugnisse oder andere Beweise die erwähnten Folgen (Einstellung der Lohnzahlungen, Kündigung) eintreten werden. Die Bemühungen der Arbeitgeberin, in Wahrnehmung ihrer Fürsorgepflicht den Arbeitnehmer zu kontaktieren, sind sorgfältig zu dokumentieren, damit eine allfällige spätere Kündigung nicht wegen Verletzung der Fürsorgepflicht missbräuchlich ist.
Genügen Ihnen diese Angaben?
Mit Dank für die Kenntnisnahme und freundlichen Grüssen
Kurt Pärli