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Ferienkürzung berechnen

Veröffentlicht:
14.02.2022
Status:
Beantwortet
Rechtsgebiet:
Arbeitsrecht

Sehr geehrte Damen und Herren

Wir haben in unserem Betrieb folgende Situation:

Ein Mitarbeitender ist bei einer 70% Arbeitspensumsanstellung, seit dem 15. September 2021 bis zum 31. Dezember 2021 zu 100% krankgeschrieben.
Seit dem 01. Januar 2022 bis 28. Februar ist der Mitarbeitende nun in einer 50% Krankschreibung. 
Die Ferienkürzung wird nach dem geltenden OR im Personalreglement geführt.
Wie verhält sich die Ferienkürzung insbesonders wenn der Mitarbeitende 50% krankgeschrieben ist? Verhält sich da die Ferienkürzung proportional zum Arbeitsunfähigkeitsgrad oder unproportional bis zum vollen Abwesenheitsmonat? 
Mir ist unklar wie das gerechnet wird. Wieviel beträgt nun die korrekte Ferienkürzung? 

Was ist mit dem Satz gemeint:
Die Kürzung von einem Zwölftel pro vollem Abwesenheitsmonat wird also nicht proportional zum Arbeitsunfähigkeitsgrad reduziert. ???

Vielen herzlichen Dank

A.V.M.

Frage beantwortet am

Kurt Pärli

Expert*in Arbeitsrecht

Guten Tag

gerne beantworte ich Ihre Fragen wie folgt:

Ausgangslage: Ein Mitarbeitender ist bei einer 70% Arbeitspensumsanstellung seit dem 15. September 2021 bis zum 31. Dezember 2021 zu 100% krankgeschrieben. Seit dem 01. Januar 2022 bis 28. Februar 2022 ist der Mitarbeitende nun in einer 50% Krankschreibung. 

  1. Ferienkürzungsregelungen bei Krankheit

Den Ferienanspruch "verdient" an sich mit Arbeit, pro Dienstjahr besteht ein Anspruch auf vier Wochen bezahlte Ferien, das heisst man muss 11 Monate arbeiten um einen Anspruch auf einen (knappen) Monat Ferien zu haben. Es ist vor diesem Hintergrund logisch, dass die Ferien gekürzt werden, wenn in einem Dienstjahr Arbeitsunterbrüche vorkommen. Das Gesetz privelligert indes einige Abwesenheitsgründe.

Gemäss Art. 329b Abs. 2 OR darf der Arbeitgeber die Ferien kürzen, wenn ein Arbeitnehmer infolge Krankheit mindestens zwei Monate (sog. Schonfrist) der Arbeit fernbleibt. In einem solchen Fall wird der Ferienanspruch des Arbeitnehmers 1/12 gekürzt. Dauert die krankheitsbedingte Abewesenheiteinen weiteren Monat, beträgt die Kürzung (ingesamt) 2/12 usw.. 

Illustrativ dazu ist die Abbildung bei Geiser/Müller/Pärli, Arbeitsrecht in der Schweiz, 4. Auflage, Bern 2018, S. 228 (siehe Anhang)

Wenn aslo die Abwesenheit genau oder mehr als zwei Monate beträgt (aber weniger als 3), werden die Ferientage um 1/12 gekürzt (Bei 4 Ferienwochen/Jahr = 20 Tage à 1/12 von 20 = ca. 1.67).

Wie verhält sich die Ferienkürzung, insbesondere wenn der Mitarbeitende 50% krankgeschrieben ist?

Falls der Arbeitnehmer nicht vollständig an der Arbeit verhindert ist, sondern in reduziertem Umfang Arbeit leistet, werden die Schonfristen entsprechend verlängert (d.h. bei einer Arbeitsunfähigkeit von 50% muss die Abwesenheitsdauer mindesten 4 Monate betragen).

Verhält sich da die Ferienkürzung proportional zum Arbeitsunfähigkeitsgrad oder unproportional bis zum vollen Abwesenheitsmonat? 

Die Ferienkürzung verhält sich unproportional zum Arbeitsunfähigkeitsgrad, d.h. die Schonfristen verlängern sich entsprechend je kleiner der Arbeitsunfähigkeitsgrad ist.

Wieviel beträgt nun die korrekte Ferienkürzung? 

Der Ferienanspruch berechnet sich pro Dienstjahr (und nicht pro Kalenderjahr) und steht dem Arbeitnehmer in jedem Dienstjahr von neuem zu. Gleiches gilt für die Schonfristen, auch bei einer Verhinderung des Angestellten, die den Wechsel zu einem neuen Dienstjahr überdauert.

Die meisten Betriebe rechnen jedoch die Ferien pro Kalenderjahr, weil es einfacher ist (ich nehme an, das ist hier der Fall). In einem solchen würden Ferienanspruch und Schonfristen des Arbeitnehmers ab 1. Januar 2022 von Neuem beginnen. Weil der Arbeitnehmer zu 50% krankgeschrieben ist, beträgt die Schonfrist in casu vier Monate, das heisst die Kürzung um 1/12 darf frühestens nach vier Monaten Absenz des Arbeitnehmers vorgenommen werden.

Für die Berechnung, wann die Monatsschwellen im Sinne von Art. 329b überschritten sind, ist der Monat in Arbeitstage und nicht in Kalendertage umzulegen. Bei Geltung der 5-Tage-Woche beträgt er somit 21,67 Tage (52 Wochen × 5 Tage: 12 = 21.67 Tage). Der Mitarbeiter in diesem Fall ist zu 50% krankgeschrieben, seine Schonfrist beträgt demzufolge vier Monate (d.h. 21.67 x 4 = 86.68 Tage). Vom 1. Januar bis zum 28. Februar 2022 sind es 41 Tage Abwesenheit. Der Mitarbeiter befindet sich noch in der Schonfrist und es darf noch keine Ferienkürzung erfolgen. Solange die Verhältnisse unverändert bleiben, darf die Kürzung in diesem Fall erst nach 86.68 Tage erfolgen (d.h. ab dem 3. Mai), und zwar um 1/12 des Ferienanspruchs (d.h. pro vollen Monat Abwesenheit um 1.67 Tage).

Die vorgenommene Rechnung gilt solange der Mitarbeiter die gesetzlich vorgesehenen 4 Wochen Ferien im Jahr geniesst und solange sein Dienstjahr einem Kalenderjahr entspricht, ansonsten ändert sich die Rechnung.

Was ist mit dem Satz gemeint: Die Kürzung von einem Zwölftel pro vollem Abwesenheitsmonat wird also nicht proportional zum Arbeitsunfähigkeitsgrad reduziert?

Wenn ein Arbeitnehmer zu 50% krankgeschrieben ist, beträgt die Schonfrist vier Monate (doppelt so viel als die gesetzlichen zwei Monate bei einem 100% Pensum). Das heisst die Kürzung um 1/12 darf vom Arbeitgeber frühestens nach vier Monaten Absenz des Arbeitnehmers vorgenommen werden. Würden sich die Schonfristen proportional zum Arbeitsunfähigkeitsgrad verhalten, würden sie dementsprechend gekürzt, d.h. bei 50% Krankheit nur noch ein Monat Schonfrist statt die gesetzlichen zwei.

Genügen IHnen diese Auskünfte? Mit Dank für die Kenntnisnahme und freundlichen Grüssen

Kurt Pärli

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