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Ferienkürzung bei Krankheit

Veröffentlicht:
26.10.2022
Kanton:
Bern
Status:
Beantwortet
Rechtsgebiet:
Arbeitsrecht

Guten Tag

Meine Frage betrifft die Ferienkürzung gemäss L-GAV.

Mein Klient war vom 1.02.2020 bis 30.09.2022 als Küchenchef angestellt. 100% krankgeschrieben war er vom 8.02.2022 – 13.02.2022 und vom 7.04.2022 bis 30.09.2022. Die Berechnung des Arbeitgebers betreffend Ferienkürzung sieht so aus: Sie waren 184 Tage arbeitsunfähig: davon haben wir 30 Tage abgezogen (Karenzfrist). Dies ergibt 154 Tage. 154 durch 30 = 5.13 Monate. Also sind es 5 vollständige Monate nach der Kürzung der 30 Tage. Eine Kürzung von 5/12 ist somit korrekt.

Auszug aus dem LGAV:
Kürzung des Ferienanspruchs:
Die Ferien können wegen Krankheit, Militärdienst oder Unfall nur gekürzt werden, wenn der Mitarbeiter pro Arbeitsjahr mehr als zwei Monate fehlt. Eine Kürzung von 1/12 erfolgt nur für einen ganzen Monat; der erste Monat der Abwesenheit begründet keine Kürzung der Ferien.

Gemäss den Ausführungen des Arbeitgebers beginnt die Ferienkürzung am 1.05.2022 (5 Monate bis zum Ablauf der Kündigungsfrist). Ich bin der Meinung, dass der Mai 2022 dem erste vollständigen Monat entspricht und deshalb die Kürzungen erst am dem 1. Juni 2022 gemacht werden dürfen. Welche Berechnung ist da korrekt?

Vielen Dank für eine klärende Antwort!

Frage beantwortet am

Kurt Pärli

Expert*in Arbeitsrecht

Guten Tag

gerne beantworte ich Ihre Frage.

Die gesetzliche Regelung in Art. 329b OR lautet wie folgt:

1 Ist der Arbeitnehmer durch sein Verschulden während eines Dienstjahres insgesamt um mehr als einen Monat an der Arbeitsleistung verhindert, so kann der Arbeitgeber die Ferien für jeden vollen Monat der Verhinderung um einen Zwölftel kürzen.              

2 Beträgt die Verhinderung insgesamt nicht mehr als einen Monat im Dienstjahr und ist sie durch Gründe, die in der Person des Arbeitnehmers liegen, wie Krankheit, Unfall, Erfüllung gesetzlicher Pflichten, Ausübung eines öffentlichen Amtes oder Jugendurlaub, ohne Verschulden des Arbeitnehmers verursacht, so dürfen die Ferien vom Arbeitgeber nicht gekürzt werden.

(...)

4 Durch Normalarbeitsvertrag oder Gesamtarbeitsvertrag kann eine von den Absätzen 2 und 3 abweichende Regelung getroffen werden, wenn sie für die Arbeitnehmer im Ganzen mindestens gleichwertig ist.

 

Im Kommentar zum L-GAV findet sich zum Thema folgende Aussage:

Kürzung des Ferienanspruchs
Die Ferien können wegen Krankheit, Militärdienst oder Unfall nur gekürzt werden, wenn der Mitarbeiter pro Arbeitsjahr mehr als zwei Monate fehlt. Eine Kürzung von 1
/ 12 erfolgt nur für einen ganzen Monat; der erste Monat der Abwesenheit begründet keine Kürzung der Ferien.

https://l-gav.ch/fileadmin/downloads/L-GAV2017/Kommentar_d_L_GAV_2017_internet.pdf

und hier: https://l-gav.ch/vertrag-aktuell/iv-arbeitszeit-und-freizeit/art-17-ferien

Wichtig ist die Feststellung, dass es sich hier nicht um eine l-GAV-Bestimmung handelt, sondern "nur" um einen Kommentar zu Art. 17 des L-GAV.  Der L-GAV weicht somit nicht von der gesetzlichen Regelung ab. Damit ist für die vorliegende Frage Art. 329b Abs. 2 OR massgebend.

Sie vertreten die Auffassung, dass erst der Monat Mai Kürzungsrelevanz hat und somit die Kürzung erst ab Juni erfolgen darf. Gegen diese Auslegung spricht, dass der Gesetzestext lautet "Beträgt die Verhinderung insgesamt nicht mehr als einen Monat ..." Mehrere Absenzen innerhalb eines Dienstjahres sind deshalb zusammenzuzählen (siehe: Rehbinder Manfred/Stöckli Jean-Fritz, Berner Kommentar, Einleitung und Kommentar zu den Art. 319–330b OR, Schweizerisches Zivilgesetzbuch, Das Obligationenrecht, Die einzelnen Vertragsverhältnisse, Der Arbeitsvertrag, Art. 319-362 OR, Bern 2010, Art. 329b N 4.

Gleicher Meinung auch: Prinz Marc Ph./Geel Gian, in: Etter Boris/Facincani Nicolas/Sutter Reto (Hrsg.), Arbeitsvertrag, Bern 2021, Art. 329b N 11): "Mehrere von Art. 329b OR erfasste Verhinderungen, sei es aus demselben oder aus verschiedenen Gründen, werden für die Berechnung der Ferienkürzung zusammengezählt, soweit sie sich nicht überschneiden".

Nach meiner Einschätzung ist die Antwort des Arbeitgebers vorliegend also korrekt.

 

Genügen Ihnen diese Auskünfte? Mit Dank für die Kenntnisnahme und freundlichen Grüssen

Kurt Pärli