Guten Tag
Ich habe einen Klienten Jg 1991. Dieser hatte im Mai 2021 einen Arbeitsunfall und verdrehte sich dabei das Knie.
In der Anmeldung für die Suva erwähnte er, dass er 2015 bereits einmal einen Miniskusriss an denselben Knie hatte. Nun lehnte die Suva die Übernahme der Taggelder und Behandlungskosten mit der Begründung ab, dass er sich bei seinem ehemaligen Versicherer von 2015 melden soll.
Der Klient war aber 2015 nirgends gegen Unfall versichert. Er war damals arbeitslos und nicht bei der ALV gemeldet. Bei der KK hatte er den Unfall nicht eingeschlossen. Er kam für die Behandlungskosten damals teilweise eigenständig auf, die meisten davon sind aber betrieben worden.
Dieser Arbeitsunfall vom Mai 2021 zieht nun aber weite Kreise, der Klient wird das Knie operieren müssen und ist arbeitsunfähig. Der AG hat die Unfalltaggelder bezahlt bis die Suva hätte übernehmen müssen, nun ist der Klient ohne Einkommen. Und ohne, dass jemand seine Behandlungskosten übernimmt.
Meine Fragen:
Handelt die Suva wirklich korrekt? Darf sie dies ablehnen, wenn er beim 1. Vorfall gar keinen Versicherer hatte?
Gibt es irgendeine andere Möglichkeit, dass er eine Unfalldeckung erhält? Wir sind aktuell mit der KK in Verhandlung, dass diese den Unfall noch rückwirkend einschliesst, jedoch hat er dann immernoch kein Unfalltaggeld.
Besten Dank für eure Rückmeldungen und Überlegungen,
liebe Grüsse Fabienne Mattmann
Frage beantwortet am
Daniel Schilliger
Expert*in Sozialversicherungsrecht
Guten Tag Frau Mattmann
Die Leistungspflicht bei mehreren Unfallereignissen wird in Art. 100 UV für verschiedene Konstellationen unterschiedlich geregelt.
Ich gehe davon aus, dass der erste Unfall - auch bezogen auf die Behandlungen - abgeschlossen war.
Dann ist die Versicherung des ersten Unfalls für das neue Ereignis nur dann zuständig, wenn es sich um Spätfolgen des ersten Unfalls oder einen Rückfall handelt (Art. 11 UVV). Bei einem Rückfall handelt es sich um das Wiederaufflackern einer vermeintlich geheilten Krankheit, so dass es zu ärztlicher Behandlung, möglicherweise sogar zu Arbeitsunfähigkeit kommt. Von Spätfolgen spricht man, wenn ein scheinbar geheiltes Leiden im Verlaufe längerer Zeit organische Veränderungen bewirkt, die zu einem oft völlig anders gearteten Krankheitsbild führt.
Es empfiehlt sich also mit den behandelnde ÄrztInnen abzuklären, ob ein solcher Zusammenhang zwischen dem ersten Unfall und dem heutigen Ereignis besteht. Wenn Rückfall oder Spätfolgen bejaht werden, ist die heutige UV nicht zuständig.
Wenn die UV nicht zuständig ist, ist die aktuelle Krankenkasse leistungspflichtig. Denn diese kommt bei Unfällen immer dann zum Tragen, wenn dafür keine Unfallversicherung aufkommt (Art. 1a KVG). Dabei sind die früheren Unfälle nicht relevant. Sie übernimmt aber nur die Behandlungskosten.
Bezüglich des damaligen Unfalles war vermutlich ebenfalls eine KVG-Deckung gegeben. Denn gemäss Art. 8 KVG kann die Krankenversicherung die Unfalldeckung nur sistieren, bzw. ruhen lassen, wenn der Versicherte nachweist, dass er voll nach UVG versichert ist. Zudem gilt gemäss Art. 8 Abs. 2 KVG, dass Unfälle automatisch wieder gedeckt sind (nach KVG), sobald die Deckung nach UVG ganz oder teilweise aufhört. Es sind dann aber die Prämien nachzuzahlen. Auch muss die Krankenversicherung die Kosten für die Folgen der Unfälle übernehmen, die vor dem Ruhen der Versicherung bei ihr versichert waren (Art. 8 Abs. 3 KVG). Davon ausgehend, dass der Klient damals einfach vergass die Krankenkasse zu informieren, aber wohl eher nicht einen Nachweis über ein (nicht vorhandenes Arbeitsverhältnis) einreichte, lebte die KVG-Deckung automatisch wieder auf. Mit entsprechender Nachzahlung der ausstehenden Prämie, hätte die KK also auch den damaligen Unfall übernehmen müssen.
Für die Lohnfortzahlung ist der Arbeitgeber zuständig, sofern nicht eine Sozialversicherung (SVR) oder eine Krankentaggeldversicherung (KTV) dafür aufkommt (Art. 324a/b OR).
Wenn die UV nicht zuständig ist, kommt keine andere SVR für die Taggeldzahlungen in Frage. Betreffend die KTV kommt es darauf an, ob diese nach KVG oder nach VVG (Privatversicherungs- recht) geregelt ist. Die allermeisten stützen sich auf das VVG. Demnach müssten die Allgemeinen Versicherungsbedingungen (AVB) konsultiert werden. Wohl in den meisten AVB’s sind Leistungen bei Unfällen ausgeschlossen, also käme eine KTV auch nicht in Frage. Dann bleibt subsidiär die Lohnfortzahlungspflicht des Arbeitsgebers bestehen. Diese richtet sich nach Arbeitsvertrag und wenn darin nichts Genaueres geregelt ist, nach den anwendbaren Skalen (Berner, Basler oder Zürcher Skala).
Ich empfehle also vorab mit den behandelnden ÄrztInnen zu klären, ob ein Zusammenhang zu dem früheren Unfall im Sinne eines Rückfalls oder von Spätfolgen besteht. Wenn die Situation unklar bleibt, kann es sich lohnen rechtlichen Beistand zu organisieren z.B. mittels einer Beratung bei der Rechtsberatung-UP. Vielleicht beteiligt sich der Arbeitgeber an den Kosten, da er ebenfalls ein grosses Interesse an dieser Frage hat (www.rechtsberatung-up.ch).
Freundlicher Gruss
Daniel Schilliger