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erweiterte WSH / Kopfquote

Veröffentlicht:
05.02.2018
Status:
Beantwortet
Rechtsgebiet:
Sozialhilferecht

Guten Tag Frau Schnyder
Zu folgender Situation bitte ich um Ihre rechtliche Einschätzung:
Es geht um eine 5-köpfige Familie bestehend aus Eltern und drei minderjährigen Töchtern. Die älteste Tochter (Jg. 2001) wurde im Mai 2017 erstmals fremdplatziert (Pflegefamilie), im Dezember 2017 erfolgte eine unbefristete Umplatzierung (Jugendheim). Die Platzierungen erfolgten jeweils auf "freiwilliger" Basis, in Zusammenarbeit mit der Jugend- und Familienberatung. Die KÜG Seitens Kanton für die letzte Platzierung besteht mit Wirkung ab dem 1.12.17.
Alle Familienmitglieder stammen aus dem selben Drittstaat, reisten aber nicht gleichzeitig in die Schweiz ein. Im Ausländerausweis sind folgende Einreisedaten vermerkt:
Vater: am 28.11.2005
Mutter und 2 Töchter (Jg. 2001 und 2004): am 18.04.2007
Die jüngste Tochter (Jg. 2010) wurde in der Schweiz geboren.
Die Familie wurde bis und mit November 2017 vom Kanton unterstützt. Am 8. Januar 2018 reichten die Eltern einen Antrag für den Elternbeitrag (erweiterte WSH). Die Familie hat als einziges Einkommen den Lohn des Vaters. Dieses deckt die Existenz der Familie jedoch nicht, da die Anspruchsberechnung (ohne fremdplatziertes Kind) ergibt nebst dem Anspruch auf erweiterte WSH einen Anspruch auf "reguläre" WSH.
Obwohl ich folgende Rechtsgrundlage zu Rate gezogen habe (Art. 19 ZUG und Art. 28 SHG NW) sind für mich folgende Fragen noch offen:

  • Ab welchem Zeitpunkt beginnen die 12 Jahre zu laufen und somit der Wechsel der Zuständigkeit vom Kanton zur Gemeinde (Einreise des Vaters od. des fremdplatziertes Kindes)?
  • Kann Art. 19 ZUG trotz Revision am 7.4.2017 in diesem Fall angewendet werden für die Aufteilung der WSH-Kosten nach Kopfquoten? Gibt es spezifische Unterschiede zu beachten bei den Budgets WSH und erweiterte WSH?
    Besten Dank für Ihre wie immer kompetente Rückmeldung.

Frage beantwortet am

Ruth Schnyder

Expert*in Sozialhilferecht

Sehr geehrte Frau Dell’Amore
Gerne beantworte ich Ihre Anfrage. Zur Frage, ab wann die 12-jährige Frist gemäss Art. 28 SHG (NW) zu laufen beginnt, lässt sich dem Gesetz lediglich entnehmen, dass der Kanton «seit Einreise» für die wirtschaftliche Hilfe 12 Jahren zuständig ist, und zwar gemäss Abs. 1 in folgenden Fällen:

  1. Asylsuchenden und Schutzbedürftigen;
  2. Personen mit einem Nicht-Eintretens-Entscheid;
  3. vorläufig aufgenommenen Personen;
  4. anerkannten Flüchtlingen.
    Bei den anerkannten Flüchtlinge nimmt er jedoch auf die Gemeinden Rückgriff gemäss Art. 50 Abs. 3 SHG: «Sie [die Gemeinden] haben dem Kanton die Kosten für die wirtschaftliche Sozialhilfe gemäss Art. 28 Abs. 1 Ziff. 4 zu ersetzen. Für die Berechnung der Gemeindebeiträge sind die Einwohnerzahlen gemäss der kantonalen Einwohnerstatistik des vorangehenden Jahres massgebend.» Dem Vernehmlassungsbericht des Regierungsrates vom 26.11.13 zum SHG hält fest, dass es bei den anerkannten Flüchtlingen um jene wirtschaftliche Hilfe geht, die nicht mehr von der Bundespauschale finanziert wird, also jene die ab dem sechsten Jahr geleistet wird.
    Den anerkannten Flüchtlingen und der übrigen unter in den vier Ziffern von Art. 28 Abs. 1 SHG aufgeführten Personengruppen ist gemeinsam, dass ein Teil der wirtschaftlichen Hilfe vom Bund mit Bundesbeiträgen abgegolten wird, wobei Beginn, Dauer und Höhe unterschiedlich definiert ist (Art. 20 ff. Asylverordnung 2 über Finanzierungsfragen vom 11.8.1999, AsylV 2). Die Pauschalen für Asylsuchende etwa werden ab Beginn des Monats der Zuweisung in den Kanton ausgerichtet (Art. 20 AsylV 2), für anerkannte Flüchtlinge vergütet er die Pauschalen ab Beginn des Monats, welcher dem Entscheid über die Asylgewährung, über die Aufnahme als vorläufig aufgenommener Flüchtling folgt. Die Pauschale ist individuell ausgestaltet (Art. 26 Abs. 1 AsylV 2). D.h. es gibt keine Pauschalen für Familieneinheiten bzw. Unterstützungseinheiten. Insoweit bestimmt sich auch der Beginn der Pauschalvergütung individuell. Wird etwa das Kind einer Flüchtlingsfamilie in der Schweiz geboren, ist der Geburtszeitpunkt massgebend für den Beginn. Werden Familienangehörige im Rahmen des Familiennachzuges in die Bewilligung des bereits ansässigen Familienangehörigen einbezogen, ist das Einbezugsdatum massgebend.
    Aufgrund dessen, dass sich die im Nidwaldner SHG geregelte Kantonszuständigkeit auf Personengruppen bezieht, die mit den Bundespauschalen verknüpft ist, wäre aus meiner Sicht legitim, den Zeitpunkt der Einreise bzw. den Lauf der 12-jährigen Frist individuell zu bestimmen, d.h. pro Kind und Ehegatte. Für die Abstimmung und Verifizierung der Praxis zu den Bundesbeiträgen gemäss Art. 20 ff. AsylV 2 empfehle ich Ihnen, mit dem für Nidwalden zuständigen Asylkoordinator Rücksprache zu nehmen, da sich die vorstehende Auslegung bei Geburt und Familiennachzug mangels öffentlicher Grundlagen auf mündliche Auskünfte stützen.
    Die Anwendung des ZUG führt nach der jüngsten Revision nicht weiter. Der damals für die Rückvergütung bei Heimatfällen massgebende Art. 8 ZUG ist nicht mehr in Kraft. Art. 8 ZUG gilt nur noch für pendente Abrechnungsfälle bis 7.4.17 (Geltendmachung längstens bis 7.4.18 ). Bei dieser Bestimmung griff bei Familien nicht eine individuelle Betrachtung, sondern eine einheitliche, indem im Regelfall die längere Wohnsitzdauer zusammenlebender Ehegatten einschliesslich Kinder für die Bemessung der 2-jährigen Rückerstattungspflicht massgebend war (altArt. 8 lit. a ZUG).
    Nach dem Gesagten erachte ich bei der Bestimmung der Dauer der Kantonszuständigkeit gemäss § 28 SHG eine individuelle Sichtweise sachgerecht, damit eine einheitliche Handhabung mit dem Bund erzielt werden kann, wobei ich Ihnen, wie gesagt, eine Rücksprache mit der kantonalen Asylkoordination empfehle. Demnach würde in ihrem Fall die Dauer der Kantonszuständigkeit für die Kinder und Ehefrau nicht von der Einreise des Vaters abgeleitet, sondern individuell festgelegt werden. Es ist aber festzuhalten, dass das SHG selber keine spezifische Regelung vorsieht.
    Die individuelle Sichtweise bedingt aus meiner Sicht eine Aufteilung nach den Unterstützungsanteilen bzw. Kopfquote. Auch der von Ihnen genannte Art. 19 Abs. 1 ZUG ist nicht mehr in Kraft und kann deshalb nicht mehr herangezogen werden. Im Übrigen war dieser lediglich im interkantonalen Kontext massgebend, so zumindest Art. 30 SHG.
    Ich hoffe, Ihnen mit diesen Ausführungen für die Praxishandhabung weiterhelfen zu können.
    Freundliche Grüsse
    Ruth Schnyder