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Ermessensspielraum GBL bei alternierender Obhut

Veröffentlicht:
14.03.2025
Kanton:
St. Gallen
Status:
Beantwortet
Rechtsgebiet:
Sozialhilferecht

Guten Tag

Ein Mann mit zwei Kindern mit alternierender Obhut wird vom Sozialamt unterstützt. Die zwei Kinder werden je zwei Wochen von der Kindsmutter und je zwei Wochen vom Kindsvater betreut.

Es gibt zwei verschiedene Möglichkeiten, dies zu berechnen und wir haben uns gefragt, welcher Ermessensspielraum vorhanden ist bzw. ob es ein Richtig oder Falsch gibt?

Wird die Erwachsene Person als 1 Personenhaushalt gerechnet, liegt der Grundbedarf bei CHF 1'031.00
Die zwei Kinder sind je 1 Person im 3 Personenhaushalt während zwei Wochen (je CHF 639.00) : 2 (50%) = CHF 319.65 
Resultat: GBL für Gesamteinheit pro Monat: 1'670.00

Die zweite Berechnungsmöglichkeit wäre folgende:

½ v. 1 Personenhaushalt (halber Monat) = 515.50 und ½ v. für 1 Person im 3 Personenhaushalt (halber Monat, CHF 319.65, = Total Grundbedarf Erwachsene Person CHF 835.15

Kinder 2 Personen im 3 Personenhaushalt: CHF 1'918.00 : 3 Personen : 2 (50%) = CHF 319.65
Resultat GBL für Gesamteinheit pro Monat: 1'474.15

Besten Dank für eine rechtliche Einordnung.

Frage beantwortet am

Ruth Schnyder

Expert*in Sozialhilferecht

Guten Morgen

Besten Dank für Ihre Frage, die ich gerne beantworte – arbeitsbedingt leider etwas verzögert. Gemäss Art. 11 Abs. 1bis SHG SG orientiert sich die Bemessung der finanziellen Sozialhilfe an den Richtlinien der St. Gallischen Konferenz der Sozialhilfe.  Dem KOS-Handbuch lässt sich zum Grundbedarf C.3, insbesondere C.3.2., keine Angaben entnehmen, wie mit der Situation der alternierenden Obhut zu verfahren ist. Die Durchsicht der kantonalen Rechtsprechung und der Rechtsprechung des Bundesgerichts zur Sozialhilfe ergab keine Urteile zu dieser Frage. Lediglich dem TISG-Handbuch, welches die Unterstützung von u.a. Asylsuchenden regelt, lässt sich unter C.3.2. eine Regelung zu Mehrkosten für Besuch und Ferien von Familienangehörigen, die nicht im selben Haushalt leben, entnehmen. Ich gehe indessen nicht davon aus, dass ihre Anfrage den Asylbereich o.ä. betrifft, andernfalls lassen Sie es mich wissen.

Indessen sehen die SKOS-Richtlinien, welche für den Kanton St. Gallen zwar unverbindlich, jedoch von den KOS zur Anwendung empfohlen sind, eine Handhabung auf der Ebene der Erläuterung zu C.3.2. vor. In der Erläuterung f) zu C.3.2 «Eltern mit Besuchsrechten». wird die Unterstützungshöhe bei Ausübung des Besuchsrechts an der Aufenthaltsdauer ausgerichtet. Bei Aufenthalten ab sechs Tagen, wobei die alternierende Obhut in der Klammerbemerkung genannt wird, werden die Kosten für den Lebensunterhalt, die für den Besuch der Kinder entstehen, anteilsmässig auf Basis des Grundbedarfs berechnet. Bei einem kürzeren Aufenthalt wird der Tagessatz von Fr. 20 empfohlen. Unter der Praxishilfe zu «Eltern mit Besuchsrechten» finden sich zwei Zeso-Beispiele zum Besuchsrecht, wobei jenes aus dem Jahr 2014 (aktualisiert 2024) die alternierende Obhut aufnimmt. Darin widerspiegelt sich die von Ihnen geschilderte zweite Berechungsvariante.

Unter dem Kapitel «Grundbedarf bei gemeinsamer elterlicher Sorge» erläutert Guido Wizent in seinem Buch, Sozialhilferecht, alphaius, Dike, 2. Auflage, N 494, ebenfalls diese Praxishandhabung. Indessen zeigt er auch eine andere Lösung auf (N 495), wobei diese sich auch auf die Frage der Unterstützungszuständigkeit bezieht. Jedenfalls erachtet er es als praktikabler, wenn die Fälle rechnerisch gleich wie getrennte Familienhaushalte mit alleinigem Sorgerecht und Besuchsrechtskosten gehandhabt würden. Der unterstützte Haupthaushalt würde den ganzen Grundbedarf mit den Kindern in einer Unterstützungseinheit erhalten. Dem anderen Ehegatten würden (wohl als Einpersonenhaushalt) dann die Obhutstage anteilsmässig vergütet. Dies wäre sodann eine dritte Berechnungsvariante im Vergleich zu den zwei von Ihnen präsentierten.

Zusammenfassend ergibt sich aus den SKOS-RL, Ebene Erläuterungen und Praxishilfen, eine wohl verbreitete Handhabung der Grundbedarfsbemessung bei alternierender Obhut. Dennoch käme auch Ihre erste Variante in Frage, wobei die rechtgleiche Behandlung zu gewährleisten wäre. Diese würde es ermöglichen, der Situation stärker Rechnung zu tragen, dass es sich um zwei Haushalte handelt und für die betreffenden Elternteile höhere Kosten anfallen können. Dazu müssten sicher noch weiterführende Überlegungen angestellt werden. Indessen wird diesem Umstand bei der SKOS-Lösung ebenfalls Rechnung getragen, da während der Zeit, wo die Kinder beim anderen Elternteil sind, der Grundbedarf für einen Einpersonenhaushalt anteilsmässig ausgerichtet wird.

Ich hoffe, Ihnen mit dieser Auslegeordnung eine hilfreiche Antwort gegeben zu haben.

Freundliche Grüsse

Ruth Schnyder