Sehr geehrte Damen und Herren
Ich habe eine Frage zum Ermessensspielraum bei den Integrationszulagen. In dem vorliegenden Fall ist es m.E. eine Ermessensunterschreitung in der Argumentation des Sozialdienstes.
Die Situation ist folgende: Mein Klient arbeitet in einer Beschäftigung/Tagesstruktur, was er auf Anraten des Sozialdienstes , aber v.a. auch auf eingenen Wunschin macht. Ich habe nachgefragt, was er machen muss, damit er eine höhere IZU erhält (junger Erwachsener ohne Ausbildung). Die Gemeinde schreibt dazu:
Nach Absprache mit der Bereichsleiterin muss ich Ihnen mitteilen, dass wir uns auf die Grundsatzentscheide der Gemeinde X stützen müssen. Für Klienten unter 25J. ist Fr. 50.- vorgesehen. Was in unserem Ermessen steht, ist die Auszahlung von IZU zusammen mit EFB."
Mein Klient erhält jedoch keinen Lohn, wobei eine EFB gar nicht angerechnet werden kann .Ich habe dann versucht, mit der Ermessensunterschreitung zu argumentieren, wobei der zuständige Sozialvorsteher offenbar folgendes verlauten liess:
"Der Sozialdienst möchte sich nach wie vor auf die bestehenden Grundsatzentscheide stützen und sieht pauschal für junge Erwachsene den Betrag in Höhe von CHF 50.00 vor. Ich denke jedoch, dass es wichtig ist zu erwähnen, dass wir situationsbedingte Leistungen wohlwollend prüfen und Ihnen vielleicht auch so entgegen kommen können."
Das Zuger Handbuch für Sozialhilfe bezieht sich auf die SHV, wobei folgendes festgehalten ist:
"Im Kanton Zug sind die Bedingungen zur Ausrichtung von Integrationszulagen in der Verordnung zum Sozialhilfegesetz (Sozialhilfeverordnung,
) verbindlich geregelt:
§ 9b, Abs. 1 SHV: Bis zum vollendeten 25. Altersjahr wird während der Dauer eines Lehrverhältnisses eine Integrationszulage ausbezahlt.
§ 9b, Abs. 2 SHV: Die Integrationszulage beträgt:
- im 1. Lehrjahr: 150 Franken
- im 2. Lehrjahr: 200 Franken
- im 3. Lehrjahr: 250 Franken
- im 4. Lehrjahr: 300 Franken
§ 9c, Abs. 1 SHV: Nichterwerbstätige, die namentlich an einem Integrations-, Beschäftigungs- oder Qualifikationsprogramm teilnehmen oder ein Praktikum absolvieren oder die sich besonders um ihre soziale Integration bemühen, erhalten eine Integrationszulage.
§ 9c, Abs. 2 SHV: Die Integrationszulage beträgt:
a) mindestens 100 Franken und höchstens 300 Franken monatlich;
b) für Nichterwerbstätige bis zum vollendeten 25. Altersjahr die Hälfte des Betrags nach Abs. 2 lit. a.
Meiner Ansicht nach ist dies nicht zulässig, die IZU mit den SIL und den EFB so stark zu vermischen. Zudem sehe ich es als Ermessensunterschreitung zu sagen, dass einfach pauschal 50.- bei jungen Erwachsenen angerechnet werden. Ist diese Einschätzung soweit korrekt? Kann man für die IZU eine Verfügung verlangen und dann eine Einsprache erheben?
Ich danke Ihnen für Ihre Antwort und wünsche ein schönes Wochenende.
Frage beantwortet am
Anja Loosli
Expert*in Sozialhilferecht
Guten Tag
Vielen Dank für Ihre Frage. Ich beantworte diese gerne wie folgt:
Nach § 9 Abs. 1 SHV, BGS 861.41 richtet sich die Ausgestaltung und das Ausmass der Unterstützung (§§ 20 und 29 SHG) nach den Richtlinien der Schweizerischen Konferenz für Sozialhilfe (SKOS-Richtlinien). Der Regierungsrat kann ergänzende und präzisierende Vorschriften zu den SKOS-Richtlinien erlassen oder festlegen, dass bestimmte Teile nicht anwendbar sind. Der Regierungsrat hat dies bezüglich Einkommensfreibetrag in § 9a SHV und bezüglich Integrationszulage in § 9b und 9c SHV getan. Nach § 9c Abs. 2 lit. a SHV beträgt die Integrationszulage für Nichterwerbstätige, die sich in einem Integrations-, Beschäftigungs- oder Qualifikationsprogramm befinden, mindestens Fr. 100.-- und höchstens Fr. 300.-- pro Monat. In lit. b ist geregelt, dass Nichterwerbstätige bis zum vollendeten 25. Altersjahr die Hälfte des Betrages von § 9c Abs. 2 lit. a SHV erhalten sollen, mithin ein Betrag zwischen Fr. 50.-- und Fr. 150.--. Nach welchen Kriterien der Betrag festgelegt werden soll, regelt die SHV nicht. In SKOS-RL C.6.1 Abs. 2 ist festgehalten, dass die Höhe der Integrationszulage von der erbrachten Leistung und deren Bedeutung abhängt. Der Sozialhilfe kommt deshalb ein gewisses Ermessen zu bei der Festlegung der Höhe der Integrationszulage für Nichterwerbstätige. Insbesondere hat sie bei der Bestimmung der Höhe der Integrationszulage die erbrachte Leistung und deren Bedeutung im Einzelfall zu berücksichtigen und grundsätzlich nicht einen Pauschalbetrag festzulegen, der den Einzelfall nicht berücksichtigt.
Die Behörde darf ihr Ermessen nicht missbräuchlich ausüben. Ermessensmissbrauch ist gegeben, wenn die Behörde zwar im Rahmen des ihr eingeräumten Ermessens bleibt, sich aber von unsachlichen, dem Zweck der massgebenden Vorschriften fremden Erwägungen leiten lässt, oder allgemeine Rechtsprinzipien, wie das Verbot von Willkür und von rechtsungleicher Behandlung, das Gebot von Treu und Glauben sowie den Grundsatz der Verhältnismässigkeit verletzt (BGE 141 V 365 E. 5.1 S. 73 mit Hinweis). Dagegen liegt Ermessensüberschreitung vor, wenn die Behörde Ermessen walten lässt, wo ihr das Gesetz keines einräumt, oder wo sie statt zweier zulässiger Lösungen eine dritte wählt. In diesem Zusammenhang ist auch die Ermessensunterschreitung bedeutsam, die darin besteht, dass die entscheidende Behörde sich als gebunden betrachtet, obschon sie nach Gesetz berechtigt wäre, nach Ermessen zu handeln, oder dass sie auf Ermessensausübung ganz oder teilweise von vornherein verzichtet (BGE 137 V 71 E. 5.2 S. 73; 116 V 307 E. 2 S. 310; Urteil 8C_556/2016 vom 23. November 2016 E. 4.1, in: ARV 2016 S. 308).
Ihr Klient erwirtschaftet keinen Lohn. Die Voraussetzungen für einen Einkommensfreibetrag sind deshalb nicht erfüllt. Es handelt sich bei Beschäftigung/Tagesstruktur typischerweise um ein Beschäftigungsprogramm, weshalb ein Anspruch auf eine Integrationszulage besteht, welche für Nichterwerbstätige unter 25 Jahren zwischen Fr. 50.-- und Fr. 150.-- liegt, je nach erbrachter Leistung und deren Bedeutung. Mit der pauschalen Festlegung der Integrationszulage für Nichterwerbstätige unter 25 Jahren ohne Berücksichtigung der Leistung im Einzelfall unterschreitet die Sozialhilfe, wie Sie schreiben, ihr Ermessen.
Ich schlage Ihnen deshalb vor, sich nochmals mit der Sozialhilfe in Verbindung zu setzen. Bleibt die Sozialhilfe bei ihrem Entscheid, könnten Sie die nächste Budget- oder Abrechnungsverfügung bezüglich der Höhe der Integrationszulage anfechten und geltend machen, dass die Leistung Ihres Klienten gross und bedeutend sei und deshalb eine höhere Integrationszulage angezeigt sei. Insbesondere rechtfertige sich keine Pauschale, da damit das Ermessen der Sozialhilfe unterschritten werde.
Ich hoffe, Ihnen mit meiner Antwort weiterhelfen zu können.
Freundliche Grüsse
Anja Loosli Brendebach