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Erhalt von Beträgen, welche anschliessend nicht zur Bestreitung des Lebensunterhalts genutzt werden

Veröffentlicht:
14.03.2018
Status:
Beantwortet
Rechtsgebiet:
Sozialhilferecht

Fall aus dem Kanton Bern.
Eine von der Sozialhilfe unterstützte Person erhält einmalig eine einmalige zweckbestimmte Schenkung(beispielsweise mehrere tausend Franken) einer Drittperson. Diese Person verwendet das Geld anschliessend zweckbestimmt zur Bezahlung von Bussgelder und nicht zur Bestreitung des Lebensunterhalts, was zur Ablösung von der Sozialhilfe hätte führen können.
Daraus ergeben sich für uns folgende Fragen:
-Welche Konsequenzen muss dies haben?
-Sind die Konsequenzen die gleichen, wenn die Schenkung in Form von Gütern (Auto, Haus, Stroh) anstatt in Form von Geld erfolgt wäre?

Frage beantwortet am

Ruth Schnyder

Expert*in Sozialhilferecht

Sehr geehrter Herr Schmid
Gerne beantworte ich Ihre Frage. Es geht dabei um das Thema der freiwilligen Zuwendungen, die ein Klient während des Sozialhilfebezugs erhält. Unabhängig der Zweckgebundenheit sind Zuwendungen als Eigenmittel einzustufen, die der Sozialhilfe im Sinne des Subsidiaritätsprinzips (Art. 9 SHG BE) vorgehen. Dabei spielt es keine Rolle, ob es sich um Bargeld oder um Mobilien oder Immobilien handelt. Sie gehen der Sozialhilfe vor, wobei bei Mobilien und Immobilien während einer allfälligen Verwertung die bedürftige Person unterstützt werden muss.
Bevor die Frage, wie mit zweckgebundenen Zuwendungen umzugehen ist, gestellt wird, ist generell danach zu fragen, ob es Gründe gibt, von einer Anrechnung abzusehen. Nach der Lehre (Felix Wolffers, Grundriss des Sozialhilferechts, 2. A., Bern 1999,S. 154 und Guido Wizent, Die Sozialhilferechtliche Bedürftigkeit, Dike Zürich/St. Gallen, 2014, S. 435 ff.) sind generell Zuwendungen im bescheidenen Umfang, die zur Ergänzung der Sozialhilfe bestimmt sind und bei einer Anrechnung wegfallen würden, nicht anzurechnen. Darüber hinaus sind solche Zuwendungen nicht anzurechnen, die der Zielsetzung der Sozialhilfe entsprechen (Wolffers und Wizent, a.a.O.). Nicht zulässig sind Zuwendungen, wenn sie zu einer deutlichen Besserstellung führen, gar Luxuszuwendungen darstellen. In diese Richtung gehen auch die Empfehlungen im Handbuch für die Sozialhilfe im Kanton Bern (BKSE) zur Handhabung von Zuwendungen (Stichwörter freiwillige Leistungen Dritter), wobei es bei den Zuwendungen, die der Zielsetzung der Sozialhilfe entsprechen, im Regelfall einen Richtwert empfiehlt.
In Bezug auf die Busse gilt es demnach generell zu entscheiden, ob es sich dabei um eine Zuwendung handelt, die toleriert werden kann. Einerseits gilt es zu prüfen, ob es um eine zweckgebundene, bescheidene Zuwendung handelt. Oder ob damit den Zielsetzungen der Sozialhilfe gedient ist. Man könnte sich durchaus überlegen, ob es Gründe gibt, die den Zielsetzungen der Sozialhilfe in die Hände spielen, wenn man die Zuwendung nicht anrechnet, etwa um einen Gefängnisaufenthalt mit drohendem Arbeitsplatzverlust abzuwenden.
Falls die Zuwendung den vertretbaren Rahmen sprengt, ist sie grundsätzlich für die Zukunft anzurechnen, selbst wenn sie zweckgebunden ist. Die Zweckgebundenheit verdient keinen Schutz, wenn die unterstützte Person sich durch diese Zuwendung eine für Sozialhilfebezüger übersetzte Lebensweise leisten kann, die den Sozialhilfebezug als unbillig, gar unrechtmässig erscheinen lässt (vgl. im Urteil des Aargauer Verwaltungsgerichts AGVE 2015 32, das sich darin mit dem Thema freiwilliger Zuwendungen differenziert auseinandersetzt) .
Wenn durch die Anrechnung, die Drittperson ihre Zuwendungen einstellt wegen Missachtung der Zweckgebundenheit, muss die Sozialhilfe getreu dem Tatsächlichkeitsprinzip von der Anrechnung absehen. Dabei ist sicher rechtlich zu überprüfen, ob die Drittperson nicht trotzdem eine rechtliche Verpflichtung trifft, die Leistungen weiterhin zu erbringen. Bei einer Schenkung etwa müsste rechtlich geprüft werden, ob diese überhaupt rückgängig gemacht werden kann, d.h. ob sie etwa mit einer Bedingung gemäss Art. 245 OR verknüpft war.
Wurde eine derartige, nicht statthafte Zuwendung verschwiegen, kann sich für bisher geleistete Unterstützung die Frage der Rückerstattung wegen unrechtmässigen Bezugs stellen (vgl. zum Beispiel Entscheid des Regierungsstatthalteramtes Bern-Mittelland 200 16 697 SH vom 1. Juli 2016, oder das Urteil des Verwaltungsgerichts Zürich VB.2015.00251 vom 23. März 2016; auch das Urteil des Aargauer Verwaltungsgerichts AGVE 2015 32).
In Frage käme in diesen Fällen schliesslich eine Kürzung wegen Verletzung der Meldepflicht (Art. 28 i.V.m. Art. 36 SHG), soweit nicht gleichzeitig eine Strafanzeige erfolgt (vgl. BKSE Stichwort Kürzung Ziff. 1.1).
Ich hoffe, Ihnen damit die Leitlinien aufzeigen zu können, handelt es sich doch um ein recht umfassendes Thema.
Freundliche Grüsse
Ruth Schnyder