Guten Tag
Ich habe eine Frage dazu, wie sich die Änderungen bei den Ergänzungsleistungen von 2021 auswirken. Und zwar habe ich kürzlich mitbekommen, dass bei einem verstorbenen Ehepaar, welches im Heim wohnte und EL bezogen hat, die Erben das geerbte Wohneigentum verkaufen mussten, um die bezogenen Ergänzungsleistungen zurückzubezahlen (Freibetrag CHF 40'000.00). Es hat sich mir dann die Frage gestellt, wie es sein kann, dass dem Ehepaar das Wohneigentum gelassen wurde und vererbt werden konnte. Hätten sie es nicht vor dem EL-Bezug verkaufen müssen, um die Notwendigkeit des Bezugs zu verhindern?
Wird auf den Verkauf verzichtet, wenn Wohneigentum vorgängig übertragen wurde und nur noch in Nutzniessung bewohnt wird?
Vielen Dank für die Antwort und freundliche Grüsse
Frage beantwortet am
Peter Mösch Payot
Expert*in Sozialversicherungsrecht
Mit der Revision 2021 wurde die Rückerstattungspflicht aus dem Nachlass für Ergänzungsleistungen eingeführt (Art. 16a ELG). Allerdings kann dies nur für Ergänzungsleistungen gelten, die seit 2021 eingeführt wurden. Dabei besteht, wie Sie richtig schreiben ein allgemeiner Freibetrag von CHF 40000.
Ergänzungsleistungen können ev. trotz Vermögenswergen bezogen werden und dann kann trotzdem eine Rückerstattungspflicht entstehen. Dies ist in sich auch nachvollziehbar, weil ja der Anspruch auf Ergänzungsleistungen auch den Bedarf von betreuungs- und pflegebedürftigen Personen sichern soll, auch dort, wo bei Ehepaaren die eine Person noch zu Hause, und die andere im Heim lebt. Und diesbezüglich wurde vor einigen Jahren der Selbstbehalt für Pflegeleistungen im Krankenversicherungsrecht erhöht, dafür aber der Anspruch auf Ergänzungsleistung bei bestehendem Wohneigentum erleichtert. Vor diesem Hintergrund ist die Konstellation, dass Vermögenswerte für die Frage des Bezuges von Ergänzungsleistungen nicht im selben Masse angerechnet werden wie im Zusammenhang mit der Rückerstattung aus dem Nachlass nicht ungewöhnlich und auch nicht von Vornherein sachfremd.
Die genauen Gründe für diese Konstellation können nur bei detaillierter Aktenkenntnis beachtet werden. Mögliche Erklärungen für die von Ihnen beschriebene Konstellation liegen insbesondere darin, dass bei Bezug von Ergänzungsleistungen (anders als bei der Berechnung der Rückerstattung)
- für Wohneigentum ein besonderer Vermögensfreibetrag für die Liegenschaft von CHF 112500 zu berücksichtigen ist; in Konstellationen, wo ein Ehegatte im Heim lebt und der andere zu Hause in eigenem Wohneigentum CHF 300000 (Art. 11 Abs. 1bis ELG). Nur der Nettowert der Liegenschaft über diesem Betrag wird dann zum weiteren Vermögen gezählt. Davon wird dann noch der allgemeine Vermögensfreibetrag von CHF 50000 bei Ehegatten und dieser dann davon je nach dem zu 1/15 (AHV), 1/10 (IV) oder 1/5 (letzteres in dem meisten Kantonen beim Heimbewohnerinnen) als Einnahme zu den Ergänzungsleistungen gezählt (Art. 11 Abs. 1 lit. c ELG). Hingegen kommt bei der Rückerstattung Wohneigentum ohne besondere Freibeträge zum Tragen.
- Selbstbewohnte Liegenschaften zu ihrem Steuerwert (amtlichen Wert) berücksichtigt werden. Hingegen kommt bei der Rückerstattung der deutlich höhere Verkehrswert zur Anwendung.
- der Wert der Liegenschaft auch sonst tiefer sein kann, als bei der zeitlich ev. deutlich späteren Rückerstattung, wenn der Liegenschaftswert sich in der Zwischenzeit erhöht.
Bei der seit 2021 eingeführten Vermögensschwelle für die Berechnung von EL (bei Ehepaaren CHF 200000) werden übrigens selbstbewohnte Liegenschaften nicht dazu gezählt (Art. 9a ELG).
In der von Ihnen genannten Situation, wo vorgängig eine Liegenschaft übertragen wird, aber die Nutzniessung bei den EL-Beziehenden verbleibt, ist die Situation etwas anders.
Hier würde die EL beim EL-Bezug die Differenz zwischen dem Wert des Eigentums und dem Wert der behaltenen Nutzniessung ev. als Verzichtsvermögen einberechnet, wenn und soweit das Entgelt für diesen Wertverzicht weniger als 90% beträgt. Siehe dazu Rz. 3532.01ff. und Ziff. 14.3. Wegleitung Ergänzungsleistungen WEL (Stand 1.1.2024).
Ein solches Verzichtsvermögen würde aber bei der Berechnung der Rückerstattung nicht zum Nachlass dazugezählt.
Der Wert der Nutzniessung selber gilt beim Bezug der EL nicht als Vermögen, sondern als Einnahme und wird als solche in der EL-Rechnung berücksichtigt und vermindert somit den Anspruch auf EL (vgl. Rz. 3433.02 ff. WEL). Hat jemand bloss (noch) eine Nutzniessung ist dies kein Vermögen. Daran hat sich mit der Revision 2021 an sich nichts Grundlegendes geändert.
Das gilt auch bzgl. Nutzniessungen im Todeszeitpunkt. Diese gehören also nicht zum Vermögen, bei dem dann die Rückerstattung berechnet wird.
Ich hoffe, das dient Ihnen.
Prof. Peter Mösch Payot