Liebes Expertenteam
ich gelange wegen einer Frage bezüglich Ergänzungsleistungen und Liegenschaften im Kanton Bern an Euch:
Der Klient ist 86 Jahre alt und wohnt seit 23.03.2018 im Altersheim. Er ist verbeiständet gem. Art. 394 Abs. 1 i.V.m. Art. 395 Abs. 1 ZGB.
Der Klient verfügt über 10 Grundstücke: Haus, Wald, Alp, Weide, Acker und Kuhrechte. Die Grundstücke unterstehen zum Teil dem landwirtschaftlichen Bodenrecht.
Das uralte Holzhaus verfügt weder über ein Badezimmer (es ist ein Plumpskloo im Haus vorhanden) eine Zentralheizung noch über sonstige zeitgemässe Ausstattungen. Früher fuhr das Postauto beim Haus vorbei, heute nicht mehr. Im Winter ist das Haus nicht einfach erreichbar.
Das Wohnhaus hat einen amtlichen Wert von CHF 122`960.-. Aus Gründen des Alters, der Ausstattung und der Lage könnte es sehr schwierig bis unmöglich sein, das Haus zu verkaufen.
Um die Grundstücke verkaufen zu können, müsste die Sozialhilfe div. Vorschüsse leisten (Schätzung und Verkauf, ca. CHF 15`000.-), Räumung (ca. CHF 15`000.-). Die Sozialhilfe ergänzt aktuell den Fehlbetrag.
Es scheint ein grosses Risiko zu bestehen, dass die Grundstücke nicht oder nicht innerhalb nützlicher Zeit verkauft werden können. Wie kann hier vermieden werden, dass wir auf den Kosten sitzen bleibt? Was wird grundsätzlich empfohlen bei nicht/ schwer verkäuflichen Häuser?
Besten Dank für Ihre Bemühungen.
Freundliche Grüsse
Frage beantwortet am
Daniel Schilliger
Expert*in Sozialversicherungsrecht
Sehr geehrte Frau Bauer
Ein Teil der Frage zielt auf die Absicherung von Leistungen der wirtschaftlichen Sozialhilfe. Dazu kann ich nicht viel beitragen. Ich empfehle Ihnen diesen Teil im Sozialhilfeforum zu stellen und nehme hier Stellung zur EL bzw. Bewertung der Liegenschaft.
Das anrechenbare Vermögen ist nach den Grundsätzen der Gesetzgebung über die direkte kantonale Steuer für die Bewertung des Vermögens im Wohnsitzkanton zu bewerten. Dienen Grundstücke dem Bezüger oder einer Person, die in der EL-Berechnung eingeschlossen ist, nicht zu eigenen Wohnzwecken, so sind diese zum Verkehrswert einzusetzen (Art. 17 Abs. 1 und 4 ELV). Die Kantone können anstelle des Verkehrswertes einheitlich den für die interkantonale Steuerausscheidung massgebenden Repartitionswert anwenden (Art. 17 Abs. 6 ELV). Der Kanton Bern hat von dieser Möglichkeit Gebrauch gemacht (Art. 4 Einführungsgesetz zum Bundesgesetz über Ergänzungsleistungen, EG ELG, BSG 841.31).
Die steuerliche Bewertung von Grundstücken ist kantonal unterschiedlich geregelt. Der Repartitionswert ist ein für alle Kantone einheitlicher Referenzwert zur Besteuerung von ausserkantonalen Liegenschaften (Regeln für die Bewertung der Grundstücke bei interkantonalen Steuerausscheidungen, Kreisschreiben 22 vom 22. März 2018). Für nicht landwirtschaftliche Grundstücke beträgt dieser Wert im Jahr 2019 155% des amtlichen Werts (2018: 100%); für landwirtschaftliche Grundstücke entspricht er dem amtlichen Wert.
Die EL wird die Liegenschaft also zu diesem Reparationswert einrechnen, sofern nicht eine Konstellation vorliegt, in der sie nicht oder anders eingerechnet würde: Z.B. wenn ein Rechtsanspruch (z.B. eines Erben) auf Übernahme zu einem tieferen Wert besteht, weil ein landwirtschaftliches Gewerbe weitergeführt wird (Wegleitung über die Ergänzungsleistung, WEL 3444.04) oder z.B. ein Nutzniessungs- oder Wohnrecht besteht (WEL 3443.06).
Das Bundesgericht akzeptiert kantonale Unterschiede zur Festlegung des Liegenschaftswerts (Verkehrswertschätzung der kantonalen Schätzungskommission, Addition des Zeitwertes der auf dem Grundstück liegenden Gebäude und des Marktwertes des Bodens, Mittelwert zwischen Steuerwert und Gebäudeversicherungswert, amtliche Schätzung etc.). Gemäss den Erläuterungen zum steuerlichen Bewertungssystem von Grundstücken und Liegenschaften im Kanton Bern wird der amtliche Wert von nichtlandwirtschaftlichen Grundstücken aufgrund des Verkehrswertes unter Berücksichtigung von Ertrags- und Realwert ermittelt, wobei unter Verkehrswert der auf dem Markt unter normalen Verhältnissen erzielbare Verkaufspreis verstanden wird. Dabei handelt es sich nicht um eine exakte Wissenschaft. Es ist entsprechend auch möglich mit guten Beweismitteln eine Herabsetzung des amtlichen Wertes zu verlangen.
Da die Ergänzungsleistung grundsätzlich an die Beurteilung durch die Steuerbehörde gebunden ist, wäre es empfehlenswert eine solche Neubeurteilung des amtlichen Wertes zu verlangen um das Vermögen bei der EL auf den realistischen Wert senken zu können. Ein Abweichen vom Reparationswert ist gemäss Bundesgericht nur in Ausnahmefällen denkbar, wenn ein «besonderer Umstand» gegeben ist, welcher ein Festhalten am Repartitionswert als missbräuchlich erscheinen lässt oder zu einem stossenden Ergebnis führt (Bger P 55/01 oder P 23/0). Denkbar wäre eine Ausnahme, wenn z.B. nur ein Miteigentumsanteil verkauft werden soll, was je nach Konstellation fast unmöglich sein kann. In Ihrem Fall wird lediglich geltend gemacht, dass es schwierig ist die Liegenschaft zu verkaufen, das wird so kaum für eine Ausnahme reichen.
Bei der EL-Berechnung können allfällige Aufwände im Zusammenhang mit dem Hausverkauf vom Erlös abgezogen werden.
Zusammenfassend wird sich die EL also weiterhin auf den Liegenschaftswert gemäss Steuereinschätzung stützen. Ein allfälliger Verkauf ändert an diesem Wert nichts, sofern keine Ausnahme (vgl. oben) vorliegt. Wird die Liegenschaft nämlich deutlich unter diesem Wert verkauft, würde die EL allenfalls ein Verzichtsvermögen einrechnen.
Betreffend das Vorgehen aus Sicht der Sozialhilfe, verweise ich wie eingangs erwähnt auf das Sozialhilfeforum.
Freundlicher Gruss
Daniel Schilliger