Zum Inhalt oder zum Footer

Erbschaft

Veröffentlicht:
30.08.2023
Kanton:
Aargau
Status:
Beantwortet
Rechtsgebiet:
Kindes- und Erwachsenenschutz

Der Vater der betreuten Person, welche unter umfassender Beistandschaft gem. Art. 398 ZGB steht, ist verstorben. Nebst der betreuten Person zählt zu den Nachkommen eine Tochter des Verstorbenen, welche jedoch im Wachkoma liegt und ebenfalls verbeiständet ist. Andere Nachkommen (allfällige Erben) gibt es keine.

Da die finanzielle Situation des Verstorbenen unklar ist, wurde ein Sicherungsinventar beantragt.

Von Seiten der Wohngemeinde des Verstorbenen kommt die Forderungen an die Beiständin, die Angelegenheiten des verstorbenen Vaters zu regeln, wie das von Nachkommen/Erben erwartet wird.

Folgende Fragen stellen sich:

  1. Inwieweit ist die Beiständin der betreuten Person verpflichtet, Handlungen als Vertreterin der betreuten Person für den Verstorbenen vorzunehmen wie Dritte z.B. AHV- und EL-Stellen informieren, Wohnung kündigen?
  2. Wenn sich die Beiständin z.B. mit dem Steueramt am Wohnsitz des Verstorbenen in Verbindung setzt, um Informationen für die Erledigung der in Punkt 1 gefragten Handlungen zu beschaffen, würde dies bereits als Annahme des Erbes gelten?

Frage beantwortet am

Karin Anderer

Expert*in Kindes- und Erwachsenenschutz

Grüezi

Ist der Nachlass überschuldet oder bestehen Zweifel darüber, kann jeder Erbe die Erbschaft ausschlagen (Art. 566 ZGB), das öffentliche Inventar (Art. 580 ff. ZGB) oder die die amtliche Liquidation (Art. 593 ff. ZGB) verlangen.

Nach Art. 553 Abs. 4 ZGB, wird die Aufnahme eines Sicherungsinventars angeordnet, wenn ein volljähriger Erbe unter umfassender Beistandschaft steht oder unter sie zu stellen ist.

Sie können sich mit dem Sicherungsinventar (Art. 533 ZGB) aber keinen Überblick über Schulden der Erbschaft verschaffen, sein Zweck ist die Bestandesfeststellung per Todestag und nur die Aktiven werden inventarisiert (CHK-Völk ZGB Art. 553 N 2).

Mit einem öffentlichen Inventar nach Art. 580 ff. ZGB wird ein Verzeichnis der Vermögenswerte und Schulden der Erbschaft angelegt. Es dient den Erben zur Entscheidfindung, ob sie eine Erbschaft annehmen oder ausschlagen sollen (CHK-Abt ZGB Art. 580 N 4). Das Begehren um Aufnahme des öffentlichen Inventars muss innert eines Monat gestellt werden. Die Frist beginnt für die gesetzlichen Erben – so weit sie nicht nachweisbar erst später vom Erbfall Kenntnis erhalten haben – mit dem Zeitpunkt, da ihnen der Tod des Erblassers bekannt geworden ist. Für die eingesetzten Erben beginnt sie mit dem Zeitpunkt, da ihnen die amtliche Mitteilung von der letztwilligen Verfügung des Erblassers (Testamentseröffnungsverfügung) zugekommen ist (Art. 566 und Art. 567 ZGB). Der Vater ist gemäss den zusätzlichen Angaben am 26. August 2023 verstorben, die Frist ist also noch nicht abgelaufen.

Anstatt die Erbschaft auszuschlagen oder unter öffentlichem Inventar anzunehmen, kann jeder Erbe die amtliche Liquidation des Nachlasses verlangen. Solange jedoch ein Miterbe die Annahme erklärt, kann dem Begehren keine Folge geleistet werden (vgl. Art. 593 ZGB). Das Begehren um amtliche Liquidation des Nachlasses muss innert drei Monaten nach dem Ableben des Erblassers beim Bezirksgericht am letzten Wohnsitz des Erblassers gestellt werden. Ich bin hier nicht ganz sicher, meine aber, dass die amtliche Liquidation der Zustimmung der KESB (Art. 416 ZGB) unterliegt, das müssten Sie abklären.

Die Erben erwerben die Erbschaft, nach Art. 560 Abs. 1 ZGB, von Gesetzes wegen und es gehört zu ihren Aufgaben, sich um die Angelegenheiten des verstorbenen Vaters zu kümmern. Hier müssen Sie sich mit der gesetzlichen Vertretung der ebenfalls verbeiständeten Schwester absprechen. Blosse Verwaltungshandlungen, wie bspw. Dritte über den Tod des Vaters zu informieren, Auskünfte über den Stand der Erschafft einzuholen, stellen keine Einmischung in die Angelegenheit der Erbschaft dar. Die reine Informationsbeschaffung beim Steueramt ist somit unproblematisch.

Die Gerichte im Kanton Zürich stellen den Erben, falls kein Testament eröffnet wurde, eine “Bescheinigung für Auskunft” aus. So können die Erben abklären, ob der Nachlass überschuldet ist und sie können Auskünfte über den Stand des Nachlassvermögens bei Banken, Behörden etc. einzuholen (vgl. https://www.gerichte-zh.ch/themen/erbschaft/erbgangssicherung/bescheinigung-fuer-auskunft.html). Fragen Sie beim zuständigen Bezirksgericht nach, ob es eine solche «Bescheinigung für Auskunft» ausstellt.

Allenfalls reichen die Auskünfte, um das weitere Vorgehen festlegen zu können.

Ich hoffe, die Angaben sind nützlich und ich grüsse Sie freundlich.

Luzern, 6.9.2023

Karin Anderer