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Erbe bei Volljährigkeit

Veröffentlicht:
11.07.2022
Kanton:
St. Gallen
Status:
Beantwortet
Rechtsgebiet:
Kindes- und Erwachsenenschutz

Sehr geehrte Damen und Herren,

Die Mutter meines Klienten ist vor 16 Jahren verstorben. Der Vater habe zwei Jahre später wieder geheiratet. Nun ist mein Klient volljährig geworden. Das Verhältnis zu seinem Vater und seiner Stiefmutter ist zerüttet.

Das Erbe der Mutter sei auf einem normalen Sparkonto des Vaters hinterlegt. Mein Klient erhält keine weiteren Auskünfte der zuständigen Bank oder vom Vater. An eine frühere Beistandschaft kann er sich nicht erinnern.

Wie ist in einem solchen Fall vorzugehen?

Besten Dank für eine Rückmeldung.

Frage beantwortet am

Karin Anderer

Expert*in Kindes- und Erwachsenenschutz

Grüezi

Der Klient soll zuerst vom Vater, schriftlich per Einschreiben und unter Ansetzung einer Frist, die vollumfängliche Auskunft verlangen. Bleibt diese aus, wird zur Klärung ein gerichtliches Verfahren eingeleitet.

Um festzustellen, ob die Mutter einen Nachlass hatte und wie hoch er ausfiel, gibt es verschiedene Möglichkeiten. Möglich ist auch, dass die Mutter den überlebenden Ehegatten in einem ehe- und Erbvertrag maximal begünstigte, und es keinen zu teilenden Nachlass gab.

1. Steht die elterliche Sorge nur einem Elternteil zu, so hatte, nach Art. 318 Abs. 2 ZGB (in der Fassung bis zum 31.12.2012: Steht die elterliche Sorge nur einem Elternteil zu, so hat dieser der Vormundschaftsbehörde ein Inventar über das Kindesvermögen einzureichen), der nach dem Tod der Mutter und Ehefrau alleinsorgeberechtigte Vater der Vormundschaftsbehörde ein Inventar über das Kindesvermögen einzureichen (BSK ZGB I-Breitschmid, Art. 318 N 14, 4. Auflage 2010). Diese Bestimmung wurde per 1.1.2013 revidiert und konkretisiert, Art. 318 Abs. 2 ZGB lautet seitdem: Stirbt ein Elternteil, so hat der überlebende Elternteil der Kindesschutzbehörde ein Inventar über das Kindesvermögen einzureichen.

Der Klient soll sich bei der KESB, die die Nachfolge der damaligen Vormundschaftsbehörde angetreten hat, nach dem Inventar erkundigen.

2. Der Klient kann auch, nach Art. 326 ZGB, vom Vater die Herausgabe und eine Abrechnung über das Kindesvermögen verlangen. Endet die elterliche Sorge oder Verwaltung, so haben die Eltern das Kindesvermögen aufgrund einer Abrechnung dem volljährigen Kind oder seinem gesetzlichen Vertreter herauszugeben. Hat der Klient seine Mutter beerbt, so muss das aus der Abrechnung hervorgehen, die erforderliche Belege sind der Abrechnung beizulegen (BK Affolter-Fringeli/Vogel, Art. 326 ZGB N 17).

3. Mit dem Tod der Mutter wurde ein Steuerinventar fällig. Der Klient kann beim Steueramt am Ort, wo die Mutter im Todeszeitpunkt lebte, das Steuerinventar verlangen.

4. Hat der Klient zusammen mit seinem Vater die Mutter beerbt und liegt das Geld auf einem Konto, so handelt es sich um eine unverteilte Erbschaft. Der Klient kann beim Steueramt am Steuerdomizil des Vaters Auskunft einholen, betreffend die Steuererklärung der Erbengemeinschaft. Möglich ist, dass der Vater das Geld auf einem eigenen Konto angelegt und keine solche Steuererklärung eingereicht hat.

5. Fehlen weiterhin Angaben über den Nachlass, ist eine Erbteilungsklage einzureichen. Da mangels Angaben die Teilungsklage nicht beziffert werden kann, wäre im ersten Schritt ein Auskunftsbegehren über den Nachlass der Mutter zu stellen. Allenfalls ist auch eine Klage betreffend die Herausgabe des Kindesvermögens in Erwägung zu ziehen oder eine Verantwortlichkeitsklage betreffend der Kindesvermögensverwaltung nach Art. 327 ZGB. Beim gerichtlichen Weg ist es ggf. sinnvoll, eine Anwaltsperson beizuziehen.

Ich hoffe, die Angaben sind hilfreich und ich grüsse Sie freundlich.

Luzern, 20.7.2021

Karin Anderer