Sehr geehrte Damen und Herren
Wir haben bei uns folgende Situation: Wir unterstützen seit 10.2018 eine Frau, welche von ihrem Ehemann und Kindern getrennt lebt. Die Kinder leben beim Kindsvater. Von verschiedenen Seiten (Betreibungsamt , Gemeinde, Polizei) kam wiederkehrend der Verdacht, dass die Frau nicht in unserer Gemeinde lebt, da sie sich nie in der Wohnung aufhält. Auch wir haben mehrfach Hausbesuche durchgeführt, bei welchen der Verdacht da ist, dass sich die Frau selten in der Wohnung aufhält. Es kamen immer wieder Informationen, dass sie sich mehrheitlich in der Nachbarsgemeinde bei ihrem Mann und den Kindern aufhält. Wir haben schlussendlich zu wenig handfeste Beweise, um die Sozialhilfeleistungen wegen fehlender örtlicher Zuständigkeit einzustellen.
Die Frau sowie ihr Mann haben uns jedoch bestätigt, dass sie mehrmals in der Woche dort ist, um die Kinderbetreuung wahrzunehmen, da auch sämtliche Integrationsmassnahmen scheitern, da sie nicht daran teilnimmt, haben wir uns jetzt gefragt, ob wir für die Betreuung der Kinder in irgend einer Form eine Entschädigung verlangen können. Grundsätzlich wurde ja das Aufenthaltsbestimungsrecht dem Vater zugeteilt, somit ist er verpflichtet, die Betreuung der Kinder (abgesehen von den regulären Besuchstagen) zu gewährleisten, können wir vom Ehepaar verlangen, dass der Kindsvater die Kindsmutter für die Kinderbetreuung entschädigt?
Wenn ja, in welcher Form wäre dies zu verlangen? Mittels Auflage zum Erstellen eines Arbeitsvertrags, könnte man allenfalls auch die Variante nehmen eines erweiterten SKOS-Budgets oder ist dies nicht möglich, da sie nicht im selben Haushalt sind?
Vielen Dank für die Rückmeldung.
Freundliche Grüsse
Frage beantwortet am
Ruth Schnyder
Expert*in Sozialhilferecht
Guten Tag
Entschuldigen Sie die arbeitsbedingt verzögerte Antwort, die ich, soweit mir möglich, gerne beantworte.
Ich entnehme Ihrer Fragestellung, dass von einem seit Oktober 2018 getrennt lebenden (noch nicht geschiedenen) Ehepaar auszugehen ist, es sich dabei nicht mehr um eine intakte Partnerschaft mehr handelt, sondern um ein zivilrechtlich im Sinne von Art. 176 ff. ZGB getrennt lebendes Ehepaar. Die Mutter hält sich jedoch laut Bestätigung des getrennt lebenden Ehepaars mehrmals in der Woche beim Vater auf, um die Kinder vor Ort zu betreuen. Der Vater verfügt laut Ihren Angaben über das Aufenthaltsbestimmungsrecht. Insoweit gehe ich davon aus, dass ein Gerichtsurteil über das Getrenntleben vorliegt. Ich bin der Meinung, dass in diesem Fall in erster Linie ein familienrechtliches Vorgehen gewählt werden sollte, weniger ein arbeitsrechtliches.
Laut Art. 176 Abs. 3 ZGB trifft das Gericht bei Getrenntleben die nötigen Massnahmen gemäss den Bestimmungen über die Wirkungen des Kindesverhältnisses. Dazu gehört u.a. der Kindesunterhalt nach Art. 276 ZGB. Nach Art. 285 Abs. 2 ZGB dient der Unterhaltsbeitrag auch der Gewährleistung der Betreuung des Kindes durch die Eltern oder Dritte. Im geschilderten Fall geht es um die Betreuung durch die Mutter somit um den Betreuungsunterhalt. Dabei kann meiner Meinung nach keine Rolle spielen, dass die Mutter die Kinder nicht bei sich, sondern im Haushalt des Vaters betreut. Soweit das Gericht im Urteil demnach keinen Betreuungsunterhalt für die Mutter festgelegt hatte, scheint es mir angezeigt, dass das Gericht prüft, ob der Betreuungssituation mit der Festlegung eines Betreuungsunterhalts Rechnung zu tragen ist. Insoweit müsste eine Revision des Urteils (Art. 179 ZGB) eingeleitet werden. Falls ein Betreuungsunterhalt für die Mutter festgelegt worden wäre, wäre dieser beim Vater (stellvertretend für die Kinder) einzufordern. Ist dieser nicht mehr angemessen, könnte ebenfalls eine gerichtliche Überprüfung eingeleitet werden.
Insoweit scheint es mir angezeigt, dass sich die Mutter beim Gericht kundig macht, ggf. eine entsprechende Klage einreicht (1 Jahr rückwirkend möglich, Art. 279 ZGB), damit das Gericht einen Betreuungsunterhalt für die Kinder festlegt, welcher ihr letztlich zugute kommt. Die Sozialhilfe dürfte eine entsprechende Auflage (§ 148 Abs. 2 SG / SO) machen.
Weniger in Frage kommt aus meiner Sicht die Anrechnung einer Haushaltsentschädigung oder eines Konkubinatsbeitrages, da offenbar nicht von einer familienähnlichen Wohn- und Lebensgemeinschaft im Sinne von D. 4.5 SKOS-RL, ebensowenig von einem stabilen Konkubinat im Sinne von D.4.4 SKOS-RL ausgegangen werden kann.
Kommen Sie zum Schluss, dass das Ehepaar die Partnerschaft wieder aufgenommen hat, jedoch es getrennte Wohnungen bevorzugt, ist es nicht Sache der Sozialhilfe, dies ohne weitere Gründe zu finanzieren (vgl. dazu D.4.1 Abs. 5 SKOS-RL i.V.m. § 152 SG / SO).
Ich hoffe, Ihnen damit Ihre Frage beantwortet zu haben.
Freundliche Grüsse
Ruth Schnyder