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Entschädigung Kinderbetreuung

Veröffentlicht:
15.01.2019
Status:
Beantwortet
Rechtsgebiet:
Sozialhilferecht

Guten Tag liebes Expertenteam
wir beraten eine 55jährige alleinstehende Frau in der Sozialhilfe auf unserem Dienst. Sie ist Schmerzpatientin und ihr IV-Antrag wurde abgelehnt. Sie betreut unregelmässig das Kind ihrer Tochter in deren Wohnung. Beide Elternteile verdienen. Sie bekommt keine Entschädigung für die Kinderbetreuung.
Ist der Sozialdienst verpflichtet zu prüfen, inwieweit es den Eltern möglich ist die Kinderbetreuung der Grossmutter zu entschädigen?
Besten Dank für Ihre Bemühungen.
Mit freundlichen Grüssen
Sabine Bauer

Frage beantwortet am

Ruth Schnyder

Expert*in Sozialhilferecht

Guten Tag Frau Bauer
Gerne Beantworte ich Ihre Anfrage. Für die Sozialhilfe ist die Entschädigung der Kinderbetreuung relevant, wenn es sich um Einkommen handelt, das der Sozialhilfe im Sinne des Subsidiaritätsprinzips nach Art. 9 SHG BE vorgeht, welches Teil des Bedürftigkeitsgrundsatzes ist (Art. 23 Abs. 2 SHG BE). Nicht relevant für die Sozialhilfe wären Entschädigungen, die die Grossmutter erhält, um Auslagen zu decken die ihr durch die Kinderbetreuung entstanden sind z.B. Zoo-Besuch, Essenseinkäufe, welche sie aus ihrem Grundbedarf (vor-)finanzieren musste.
Anderes verhält es sich, wenn die Grossmutter eine Entschädigung für ihre Betreuungsleistung enthält. Damit die Sozialhilfe von der Grossmutter verlangen kann, eine Entschädigung im Sinne der Schadenminderung einzufordern (Art. 28 Abs. 2 lit. b SHG), muss klar sein, dass die Grossmutter sich gegenüber ihrer Tochter und ihrem Schwiegersohn auch auf einen Rechtsgrund berufen kann. Als Rechtsgrundlage für eine Entschädigung käme vorderhand der Arbeitsvertrag nach Art. 319 OR in Frage. Dieser bildet regelmässig die rechtliche Grundlage, wenn Eltern ihr Kind einer Drittperson (Nanny, Babysitter) überlässt. Der Unterschied bei diesen Rechtsbeziehungen ist jedoch, dass von Vornhinein eine Übereinstimmung über die Entlöhnung der erbrachten Arbeitsleistung besteht und ein Arbeitsvertrag in der Regel anzunehmen ist. Betreut die Grossmutter das Grosskind dann wird in der Regel kein Lohn abgemacht. Dies bedeutet nicht, dass nie ein Arbeitsvertrag zustande kommen könnte. Denn nach Art. 320 Abs. 2 OR gilt ein Arbeitsvertrag auch dann als abgeschlossen, wenn der Arbeitgeber Arbeit in seinem Dienst auf Zeit entgegennimmt, deren Leistungen nach den Umständen nur gegen Lohn zu erwarten ist. Diese Bestimmung kann etwa zur Anwendung gelangen, wenn die Mutter im Betrieb ihrer Tochter die umfangreiche Buchhaltung besorgt, sofern die Mutter nicht explizit auf einen Lohn verzichtet. In Bezug auf die Kinderbetreuung durch die Grosseltern, ist meiner Meinung nach Art. 320 Abs. 2 OR zurückhaltend anzuwenden insbesondere dann, wenn die Betreuungsleistung nicht über das Alltägliche hinausgeht, diese also nicht ein Pflegeverhältnis (Art. 294 ZGB) begründet.
Hütet die Grossmutter das Grosskind ihrer Tochter, wie Sie beschreiben, nur unregelmässig, handelt es sich dabei um eine Gefälligkeitsleistung gegenüber ihrer Tochter. Aber nicht nur: Die Betreuung des Grosskindes entsteht auch aus dem persönlichen Bedürfnis heraus, die Beziehung zum Grosskind zu pflegen. Häufig dient die Kinderbetreuung durch die Grosseltern also verschiedenen Bedürfnissen und vermag daher im Regelfall kein Arbeitsverhältnis in Anwendung von Art. 320 Abs. 2 OR zu begründen. Demnach sehe ich in dem von Ihnen geschilderten Fall keine Basis, auf welcher die Grossmutter eine Entschädigung für erbrachte Kinderbetreuung verlangen könnte. Theoretisch wäre natürlich möglich, dass sie für die Zukunft einen Lohn im Sinne des Arbeitsvertrages (Art. 319 OR) einfordert, so wie dies bei einer Nanny der Fall wäre. Dies würde wohl aber auf die Tochter befremdend wirken, handelt es sich doch um unregelmässige Einsätze, welche auch für die Grossmutter einen emotionalen Stellenwert haben im Sinne der Beziehungspflege zum Grosskind. Ihre Klientin könnte gar auf Unverständnis stossen, wodurch sie die Beziehung zur Tochter und zum Grosskind auf’s Spiel setzt. Bei der Einforderung der Schadenminderungspflicht im Sinne von Art. 28 Abs. 2 lit. b SHG BE ist das in der Bundesverfassung verankerte Verhältnismässigkeitsprinzip (Art. 5 BV) zu beachten, welches den Behörden einen Ermessensspielraum einräumt. D.h. die Geltendmachung von der Sozialhilfe vorrangigen finanziellen Mitteln muss geeignet, notwendig und zumutbar sein. Unter dem Aspekt der Zumutbarkeit ist es aus meiner Sicht legitim und demnach eine korrekte Ermessensausübung, wenn Sie darauf verzichten, die Grossmutter anzuhalten, eine Entschädigung einzufordern.
Ich hoffe, diese Ausführungen beantworten Ihre Frage.
Freundliche Grüsse
Ruth Schnyder

Guten Tag Frau Schnyder
vielen Dank für Ihre differenzierte Antwort.
Ich wünsche Ihnen eine gute Woche.
Beste Grüsse
Sabine Bauer