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Entschädigung für unentschuldigtes Fernbleiben

Veröffentlicht:
10.02.2022
Status:
Beantwortet
Rechtsgebiet:
Arbeitsrecht

Guten Tag

Ich habe einen Klienten, der am 13.12. 2022 einen Arbeitsvertrag als Automechaniker abgeschlossen hat. Er hat auch begonnen dort zu arbeiten. Im Januar 2022 ist er dort nicht mehr erschienen.

Am 14.01.22 hat ihm der Arbeitgeber geschrieben:
Ihren Arbeitsvertrag werden wir auflösen auf den 07. Januar 2022, da Sie aus persönlichen Gründen unentschuldigt vom Arbeitsplatz ferngeblieben sind.

Am 26.01. 22 bekam er die Nachricht, das ser seinen Arbeitgeber zu entschädigen hat für den entstandenen Schaden. Insgesamt in Höher von Fr. 10 700.- .

Entschädigung für das unentschuldigte Fernbleiben vom
Arbeitsplatz und das nicht vollenden von angefangenen Arbeiten: 6'500.00

Entschädigung für das Fehlen eines Automechanikers: 4 200.00.

Am 09.02. bekam er den Zahlungsbefehl.

Der Klient hat sich erst jetzt medizinische Hilfe geholt. Er ist psychisch krank und hat auch eine Abhängigkeitserkrankung. Es ist ihm alles zu viel geworden. 

Ich weiss, dass eine Entschädigung verlangt werden kann, wenn man die Stelle nicht antritt. Ist das in diesem Fall auch gerechtfertigt? Wenn ja, wie hoch darf die Entschädigung ausfallen? Mir scheint die Summe sehr hoch.

Vielen Dank!
 

Frage beantwortet am

Kurt Pärli

Expert*in Arbeitsrecht

Sehr geehrte(r) Fragesteller (in)

Gerne beantworte ich Ihre Frage wie folgt:

Einschlägig ist hier Art. 337d OR   

Art. 337d

c. bei ungerechtfertigtem Nichtantritt oder Verlassen der Arbeitsstelle

1 Tritt der Arbeitnehmer ohne wichtigen Grund die Arbeitsstelle nicht an oder verlässt er sie fristlos, so hat der Arbeitgeber Anspruch auf eine Entschädigung, die einem Viertel des Lohnes für einen Monat entspricht; ausserdem hat er Anspruch auf Ersatz weiteren Schadens.

2 Ist dem Arbeitgeber kein Schaden oder ein geringerer Schaden erwachsen, als der Entschädigung gemäss dem vorstehenden Absatz entspricht, so kann sie der Richter nach seinem Ermessen herabsetzen.

3 Erlischt der Anspruch auf Entschädigung nicht durch Verrechnung, so ist er durch Klage oder Betreibung innert 30 Tagen seit dem Nichtantritt oder Verlassen der Arbeitsstelle geltend zu machen; andernfalls ist der Anspruch verwirkt.

***

Was bedeutet diese Bestimmung nur für ihren Fall: Es liegt gemäss Sachverhalt ein «fristloses Verlassen der Arbeitsstelle» vor. Ein wichtiger Grund für das Verhalten des Arbeitnehmers ist nicht ersichtlich. Die psychische bedingte Arbeitsunfähigkeit hätte dem Arbeitgeber gemeldet werden müssen, was aber nicht erfolgt ist. Fraglich ist noch, ob der Arbeitgeber nach dem ersten Nichterscheinen des Arbeitnehmers zur Arbeit, diesen gemahnt hat. Dennoch ist aufgrund des Sachverhalt davon auszugehen, dass hier ein Fall von Art. 337d Abs. 1 OR vorliegt und folglich nun die Rechtsfolgen zu klären sind.

Grundsätzlich hat die Arbeitgeberin Anspruch auf den vollen Schadenersatz. Schaden bedeutet hier, ein Vermögensverlust der Arbeitgeberin, der kausal auf das Verhalten des Arbeitnehmers (fristloses Verlassen der Arbeitsstelle) zurückzuführen ist. Der Schaden an sich und der genaue Umfang muss von der Arbeitgeberin bewiesen werden. Ob das gelingt, kann ich nicht beurteilen, vermute aber, das die Arbeitgeberin hier «pokert» und einmal aufs Ganze geht. Dem Arbeitnehmer ist zu empfehlen, Rechtsvorschlag zu erheben, es ist dann am Arbeitgeber, den Grund für die Schadenersatzforderung und den Schaden zu beweisen (ersteres wird ihm gelingen, Umfang des Schadens bin ich nicht so sicher). So oder so hat die Arbeitgeberin Anspruch auf eine Entschädigung von einem Viertel Monatslohn, dafür muss sie den Schaden gerade nicht beweisen. Selbst diesen Viertel Monatslohn kann die Richterin nach Art. 337d Abs. 2 OR unter den dort genannten Voraussetzungen herabsetzen.

Möglicherweise hilft auch ein Gespräch mit dem Arbeitgeber, in dem die schwierige Situation darlegt wird, vielleicht gelingt es so, den Arbeitgeber zu motivieren auf die Forderung zu verzichten. Das wird ggf. durch Hinweis auf ohnehin bestehenden (?) Zahlungsunfähigkeit erleichtert.

Soweit meine Antwort auf Ihre Frage. Genügt Ihnen dies? Mit freundlichen Grüssen

Kurt Pärli