Guten Tag
Frau X. lebt mit ihren beiden erwachsenen Kinder zusammen und wird seit einigen Jahren von der wirtschaftlichen Sozialhilfe unterstützt. Sie ist aus gesundheitlichen Gründen nicht erwerbstätig, hat aber keinen Anspruch auf Leistungen aus den Sozialversicherungen.
Eines der Kinder ist seit 2 Jahren erwerbstätig, das andere absolviert momentan während eines Jahres den Militärdienst und verbringt nur die Wochenenden zuhause. Bisher haben sich beide Kinder pauschal an den Kosten für die Miete und den gemeinsamen Haushalt beteiligt. Nun hat die Gemeinde neu einen Beitrag für die Führung des Haushalts als Einkommen angerechnet. Die Gemeinde stützt sich hier auf Kapitel F 5.2 der SKOS-Richtlinien und rechnet je die Hälfte der Differenz zwischen dem effektiven Einkommen und dem erweiterten SKOS-Existenzminimum an. Mit diesen Einnahmen hat meine Klientin keinen Anspruch mehr auf Sozialhilfe.
a) Darf die Gemeinde für das Kind im Militärdienst (=nur am Wochenenden zuhause) auch einen Beitrag an die Haushaltsführung einrechnen?
b) Frau X. steht eine grössere Zahnbehandlung bevor. Wenn sie keinen Anspruch auf Sozialhilfe mehr hat, muss sie diese Auslagen (wie auch Franchise und Selbstbehalt etc) selber tragen. Können diese Kosten weiter bei der Gemeinde geltend gemacht werden? Wie müsste Frau X hier vorgehen?
Besten Dank!
mit freundlichen Grüssen
K.Kayser
Frage beantwortet am
Cathrin Habersaat-Hüsser
Expert*in Sozialhilferecht
Liebe Frau Kayser
Besten Dank für Ihre Anfrage. Gehe ich richtig in der Annahme, dass Ihre Anfrage den Kanton Uri betrifft? Gemäss Art. 28 Abs. 1 des Gesetzes über die öffentliche Sozialhilfe (Sozialhilfegesetz) Kanton Uri und dem Regierungsratsbeschluss vom 31. August 2005 (RRB Nr. 490) werden die SKOS-Richtlinien vom April 2005 grundsätzlich, mit einzelnen Anpassungen, als verbindlich erklärt. Zum Thema Ihrer Anfrage hat der Regierungsrat keine Anpassungen vorgenommen (vgl. dazu im Handbuch unter dem Stichwort „Skos-Richtlinien“).
“Unter den Begriff familienähnliche Wohn- und Lebensgemeinschaften fallen Paare oder Gruppen, welche die Haushaltfunktionen (Wohnen, Essen, Waschen, Reinigen usw.) gemeinsam ausüben und/oder finanzieren, also zusammenleben, ohne eine Unterstützungseinheit zu bilden (z.B. Konkubinatspaare, Eltern mit volljährigen Kindern)“ (SKOS Richtlinien B.2.3).
Wenn also ein Kind im Militärdienst ist stellt sich nun die Frage, ob weiterhin von einer familienähnlichen Wohn- und Lebensgemeinschaft ausgegangen werden kann. Das Verwaltungsgericht des Kantons Zürich hat in seinem Entscheid VB.2016.00132 in einem ähnlichen Fall entschieden, dass aufgrund der getrennten Erledigung der Haushaltsfunktion eine Zweck-Wohngemeinschaft vorliege und keine familienähnliche Wohn- und Lebensgemeinschaft. Es sei dabei von den tatsächlich gelebten Verhältnissen auszugehen. Insofern müsste als erstes geklärt werden, welche Haushaltsform nun konkret vorliegt. Zu klären war durch das Gericht, inwiefern ein Mietanteil für den Sohn einzurechnen sei. Dabei wurde ein Fünftel der Wohnkosten als Kürzung bei der unterstützen Person als legitim angesehen, der Sohn war jedoch nur 1-2 Wochenenden zu Hause und hatte allem Anschein nach kein eigenes Zimmer mehr. Hat der Sohn weiterhin ein Zimmer im Haushalt, so kann auf die SKOS Praxishilfe 4/2008 (https://www.skos.ch/fileadmin/migrated/contentuploads/2008Zeso04Praxisbeispiel_Rekrut.pdf) verwiesen werden. Da lebte eine Mutter mit ihrem Sohn in einem Haushalt und aufgrund des Militärdienstes war der Sohn nur an den Wochenenden zu Hause. Die Haushaltsaktivitäten wie Wohnen, Essen, Waschen, Reinigen oder telefonieren konnten dadurch nur bedingt gemeinsam ausgeführt werden. Die SKOS empfiehlt deswegen, einen 1 Personen Haushalt in der Berechnung zu berücksichtigen und davon auszugehen, dass sie den Sohn an den Wochenenden beherbergt. Die Mehrauslagen die sich aus dieser Situation ergeben, seien vom Sohn zu tragen. Da der Sohn auch während seiner Abwesenheit einen Teil der Wohnung besetzt, sei aber bezüglich der Wohnungsmiete von einem 2 Personen Haushalt auszugehen.
Nun zur Haushaltsführung: Keine Haushaltsentschädigung ist bei Wohngemeinschaften ohne gemeinsame Haushaltsführung geschuldet, weswegen dieser Abklärung wie oben ausgeführt eine hohe Bedeutung zukommt. Gehen wir davon aus, dass es sich in Ihrem Fall um eine familienähnliche Wohn- und Lebensgemeinschaft handelt. Die SKOS Richtlinien führen in F.5.2 aus, dass von einer unterstützten, in einer Wohn¬ und Lebensgemeinschaft lebenden Person erwartet wird, dass Sie im Rahmen ihrer zeitlichen und persönlichen Möglichkeiten den Haushalt für nicht unterstützte berufstätige Kinder führt. Dafür erhält sie eine Entschädigung, die wiederum im Unterstützungsbudget angerechnet wird. Die Höhe der Entschädigung ist dabei von der erwarteten Arbeitsleistung der unterstützten Person und andererseits von der finanziellen Leistungsfähigkeit der pflichtigen Person abhängig. Dazu wird für die nicht unterstützte Person ein erweitertes SKOS-Budget erstellt (Praxishilfe H.10) und die Hälfte des Überschusses bis maximal 950 Franken im Unterstützungsbudget angerechnet. Für den Militärdienst leistenden Sohn können Sie einen besonderen Lösungsansatz den o.e. SKOS Praxishilfe 4/2008 entnehmen. Danach ist für die Dienstleistungen, die der Sohn am Wochenende in Anspruch nimmt (Bsp. Wäschebesorgung, Verpflegung) eine Entschädigung einzufordern. Als Orientierungshilfe sollen dabei die Kostgeldvorschläge der Budgetberatung Schweiz herangezogen werden (www.budgetberatung.ch). Als Beispiel wird folgendes aufgeführt: „Bei einer Arbeitsentschädigung von 20 Franken pro Stunde hat der Sohn Frau D. für die Wäschebesorgung rund 160 Franken, für die Mahlzeiten rund 230 Franken und für Nebenkosten sowie Aufräum- und Reinigungsarbeiten rund 120 Franken zu bezahlen. Davon sind Frau D. etwa 330 Franken als Entschädigung für Haushaltsführung anzurechnen, die restlichen 180 Franken decken ihre zusätzlichen Aufwendungen.»
Auf Ihren Fall bezogen würde dies bedeuten, dass wenn weiterhin von einer familienähnlichen Wohn- und Lebensgemeinschaft ausgegangen werden kann, die Miete gedrittelt wird. Beim Grundbedarf würde beim Unterstützungsbudget Ihrer Klientin für ihren Anteil grundsätzlich von einem 2 Personen Haushalt ausgegangen werden und für den Sohn, welcher arbeitet würde die bisherige Entschädigung für die Haushaltsführung angerechnet. Bezüglich des Sohnes im Militär müsste eine Kostgeldrechnung gemacht werden um die Entschädigung zu berechnen. Dieser gesondert ermittelte Beitrag des Militärdienst leistenden Sohnes sollte jedoch nicht höher ausfallen als eine ordentlich berechnete Haushaltsentschädigung. Er darf meiner Meinung nach aber darunter liegen, da er nur am Wochenende Haushaltsleistungen in Anspruch nimmt. Je nach Höhe der Entschädigung würde unter Umständen wieder ein Anspruch auf Sozialhilfe bestehen. Dies die Empfehlungen der SKOS.
Ihre zweite Frage betrifft die Zahnbehandlung. Zahnbehandlungskosten zählen gemäss SKOS Richtlinien zu den Situationsbedingten Leistungen (SIL, C.1.4), die Selbstbehalte und Franchisen stellen ein Teil der Medizinischen Grundversorgung (B.5) dar, welche zur materiellen Grundsicherung zählen, die Teil der Bedürftigkeitsermittlung ist (A.6). Wird die Bedürftigkeit verneint, ist davon auszugehen, dass Franchise und Selbstbehalt mit den eigenen finanziellen Mittel finanziert werden können. Anders kann es sich bei den Zahnbehandlungskosten verhalten. Die SKOS unterscheiden drei Arten von SIL; unter anderem auch einmalige SIL, siehe Kapitel C.1. Dort heisst es: „Um eine drohende Notlage abzuwenden, können im Sinne der Prävention situationsbedingte Leistungen einmalig gewährt werden.“ Somit können zur Abwehr einer drohenden Notlage einmalig auch Leistungen an Personen gewährt werden, deren soziales Existenzminimum knapp gedeckt ist. Das Vorgehen unterscheidet sich hierbei von Kanton zu Kanton, respektive von Gemeinde zu Gemeinde. Mir bekannt ist, dass einige Stellen einen neuen Antrag mit den entsprechenden Belegen verlangen, sowie einen Kostenvoranschlag des behandelnden Zahnarztes.
Ich hoffe, Ihnen mit diesen Angaben weitergeholfen zu haben.
Freundlich grüsst
Cathrin Habersaat