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Entbindung der ärztlichen Schweigepflicht

Veröffentlicht:
07.08.2017
Status:
Beantwortet
Rechtsgebiet:
Sozialhilferecht

Sehr geehrte Damen und Herren,
meine Klientin bezieht seit einigen Jahren Sozialhilfe im Aargau. Sie wird vom Hausarzt für 67 % krankgeschrieben, hat diverse chronische Erkrankungen und wird von mehreren Spezialärzten behandelt. Sie arbeitet in einem Abruf-Vertrag auf Stundenlohnbasis 20-30 % je nach Gesundheitszustand und arbeitet zusätzlich zu einem bescheidenen Lohn beim Zeitungsaustragen. Das Sozialamt erwartete von ihr (2016) eine Anstellung von 50 %, weshalb die Klientin im 2. Arbeitsmarkt zusätzlich arbeiten sollte. Dieser zusätzl. Belastung hat sie nicht standgehalten und erkrankte, sodass sie auch den Stundenlohn-Job nicht mehr ausführen konnte. Nun verlangt das Sozialamt, dass die Klientin die behandelnden Ärzte von deren Schweigepflicht entbindet, u. a. wollen sie Diagnosen erfahren dürfen, aber auch das zumutbare Arbeitspensum im 1. und 2. Arbeitsmarkt.
Ich bin der Ansicht, dass dies zu weit führt & nicht zu den Rechten & Pflichten der unterstützten Personen gem. SKOS A 5 gehört & auch nicht zur Auflage gemacht werden kann. Nur, was ist die rechtliche Grundlage? Wenn meine Klientin sich einfach auf das Datenschutzgesetz beruft, drohen ihr möglicherweise Kürzungen.
Gerne wüsste ich von Ihnen, wie wir korrekt begründen können, dass der Gemeindesozialdienst nicht das Recht hat, die Entbindung von der ärztlichen Schweigepflicht zu fordern.
Besten Dank für Ihre Rückantwort
Anja Keller

Frage beantwortet am

Anja Loosli

Expert*in Sozialhilferecht

Sehr geehrte Frau Keller
Vielen Dank für Ihre Anfrage.
Ich verstehe, dass Sie Ihre Patientin schützen möchten. Rechtlich sieht die Sachlage aber folgendermassen aus: nach Paragraf 2 Abs. des Sozialhilfe- und Präventionsgesetzes sind von der Sozialhilfe unterstützte Personen verpflichtet, wahrheitsgetreu und vollständig über ihre Verhältnisse Auskunft zu geben. Dies ist deshalb so, weil die Behörden sowohl die persönlichen (z.B. Ob jemand verheiratet oder gesund ist) und finanziellen Verhältnisse einer unterstützten Person kennen muss, um einerseits die Höhe der Unterstützung und andererseits die Mitwirkungspflichten festlegen zu können. Ist jemand arbeitsfähig, muss er Arbeit suchen, ist er dies nicht, ist er von dieser Pflicht befreit.
Um beurteilen zu können, ob jemand arbeitsfähig oder beschränkt arbeitsfähig ist, reicht es aber oft nicht, pauschal zu sagen, eine Patientin sei zu 100% arbeitsunfähig. Die Behörde muss und darf für die Erfüllung ihrer Aufgabe wissen, in welchen Bereichen gar keine Arbeitsfähigkeit mehr besteht und weshalb und in welchen Bereichen Arbeit evtl. eingeschränkt noch möglich ist.
Es macht deshalb oft Sinn, dass eine Patientin den Arzt von der Schweigepflicht entbindet. So kann die Behörde die für sie ausschlaggebenden Fragen klären. Will die Patientin den Arzt nicht vollumfänglich entbinden, kann sie dies auch partiell zu, Alles die Sozialhilfe bzw. die Arbeitsfähigkeit betreffende.
Ich empfehle Ihnen deshalb, dass Ihre Patientin den Arzt/die Ärzte von der Schweigepflicht (partiell) entbindet oder mit der Sozialhilfebehörde bespricht, auf welchem anderen Weg sie ihre Pflichten erfüllen darf. In Basel stellen wir den Ärzten z.B. schriftlich die für die Sozialhilfe relevanten Fragen. Vielleicht lässt sich das Problem auch hier so lösen.
Ich hoffe, Ihnen mit dieser Auskunft weiterzuhelfen.
Mit freundlichen Grüssen
Anja Loosli Brendebach