Geschätzte Frau Schnyder
Im Rahmen des Betreuungsgesetzes Kt. NW werden stationäre Aufenthalte durch den Kanton finanziert. Für minderjährige Personen wird dabei eine monatliche Eigenleistung von CHF 700.00 (plus Nebenkosten aus der Platzierung) erhoben. Wenn Eltern diese Leistung nicht tragen können, können sie sich an den Sozialdienst wenden, um die Kostenübernahme der Eigenleistung durch die Sozialhilfe (also die zuständige Gemeinde) zu prüfen.
Der Sozialdienst erstellt gemäss SKOS-RL H.3 ein erweiterstes Budget. Im vorliegenden Fall handelt es sich um ein fremdplatziertes Kind (minderjährig), deren Mutter seit 4 Jahren mit einem Partner zusammenlebt. Zur Berechnung des Elternbeitrages stellen sich aktuell folgende Fragen::
- wird beim erweiterten Budget ein EFB ((die Mutter ist erwerbstätig) oder eine IZU (z. B. bei in Ausbildung stehenden Geschwistern des fremdplatzierten Kindes, die im Haushalt der antragstellenden Person leben) eingerechnet?
- ausgehend von einem gefestigten Konkubinat der antragstellenden Mutter, inwiefern ist es angezeigt, Unterlagen zur finanziellen Situation des Partners einzufordern und einen Konkubinatsbeitrag im erweiterten Budget einzurechnen?
Besten Dank für Ihre Antwort.
Freundliche Grüsse
Annamaria Dell'Amore
Sozialdienst Nidwalden
Frage beantwortet am
Ruth Schnyder
Expert*in Sozialhilferecht
Guten Tag Frau Dell’Amore
Gerne beantworte ich Ihre Frage, die die Berechnung des Elternbeitrages nach den Empfehlungen der SKOS-Richtlinien beschlägt.
Grundlage des Elternbeitrages ist die elterliche Unterhaltspflicht nach Art. 276 ZGB. Danach haben Eltern für den Unterhalt des Kindes aufzukommen, worunter u.a. Kosten für die Erziehung, Ausbildung und Kindesschutzmassnahmen fallen. Trägt die Sozialhilfe Kosten für das unterhaltsberechtigte Kind, insbesondere im Falle der Fremdplatzierung, tritt sie in den Unterhaltsanspruch gegenüber den Eltern ein (Art. 289 Abs. 2 ZGB). Aufgrund dieses Umstand ist die Sozialhilfe berechtigt (und aus Gründen der Subsidiarität verpflichtet), gegenüber den Eltern den Kindesunterhalt geltend zu machen. Die SKOS-Richtlinien empfehlen einen Beitrag von den Eltern einzufordern, der ihrer Leistungsfähigkeit entspricht. Falls die Eltern nicht bereit sind, dafür aufzukommen, kommt die Sozialhilfe nicht umhin, den Beitrag mittels Klage ans Zivilgericht durchsetzen, da es sich um einen zivilrechtlichen Anspruch handelt (vgl. zum Ganzen Kap. F.3.3 SKOS-RL).
Für die Bemessung des Unterhaltsbeitrages der Eltern bzw. des sog. Elternbeitrages empfehlen die SKOS-RL ein erweitertes Budget nach den SKOS-Richtlinien zu erstellen (Praxishilfe H.3 zu Kap. 3.3 SKOS-RL). Die Bemessung der Sozialhilfe im Kanton Nidwalden orientiert sich an den aktuell gültigen SKOS-RL mit Ausnahme der Regelung im Anhang 1 (§ 8 SHV NW i.V.m. Art. 19 Abs. 2 SHG NW). Da es sich um die Bemessung des zivilrechtlichen Kindesunterhalts handelt, gehen die Empfehlungen der SKOS über die eigentliche Sozialhilfe hinaus. Da sie zudem einen zivilrechtlichen Anspruch betreffen, ist darauf hinzuweisen, dass bei einer allfällig klageweisen Durchsetzung des Anspruchs nicht auszuschliessen ist, dass das Gericht – abweichend zu den SKOS-RL - die üblichen zivilrechtlichen Bemessungsgrundsätze zur Anwendung bringt.
Nun zu Ihren konkreten Fragen:
- Anrechnung eines Einkommensfreibetrages oder einer Integrationszulage beim erweiterten Budget
Nach der Praxishilfe H.3 hat das erweiterte Budget die effektiven Wohnkosten, Steuern, Ausbildungskosten und Unterhaltsbeiträge einzubeziehen. Andere Verpflichtungen sind im Grundsatz nachrangig zur Unterhaltspflicht. Im Übrigen enthält die Praxishilfe keine weiteren Ausführungen zur Bemessung des elterlichen Bedarfes. Für diesen Zweck kann die Praxishilfe H.10 der SKOS-RL zur Berechnung des Konkubinatsbeitrages und der Entschädigung für die Haushaltsführung herangezogen wird. Auch dort bildet das erweiterte Budget Grundlage der Bedarfsbemessung. Die Praxishilfe H.10 hält fest, dass das ordentliche SKOS-Budget Grundlage des erweiterten Budgets bildet und führt u.a. auch der Einkommensfreibetrag und die Integrationszulage als Bedarfsaspekte auf, welche bei einer Unterstützung gewährt würden. Die gleiche Handhabung erscheint auch sachgerecht für die Bemessung des Elternbeitrags, zumal keine Anhaltspunkte ersichtlich sind, die ein Abweichen aufdrängen würden. Ausserdem kann unter dem Begriff des erweiterten Budgets nur verstanden werden, dass ein über dem ordentlichen Budget liegender Bedarf anerkannt wird. Insoweit kann ich Ihre Frage dahingehend beantworten, dass bei der Bemessung des Elternbeitrages Einkommensfreibeträge und Integrationszulagen nach den Regeln anzurechnen sind, die bei einer ordentlichen Unterstützung gelten würden, d.h. nach den Regeln der Kap. E.1.2 und C.2 SKOS-RL. - Konkubinatsbeitrag im erweiterten Budget
Wie oben aufgeführt, stellt der Elternbeitrag Kindesunterhalt dar. Bei Ihrer Fragestellung gehe ich davon aus, dass der Partner nicht der Vater des platzierten Kindes ist, andernfalls er direkt belangt werden müsste. Als Konkubinatspartner der Mutter ohne elterliche Beziehung zum Kind trifft ihn aber keine Beistandspflicht gegenüber der Mutter in Bezug auf ihre leiblichen Kinder. Anders würde es sich verhalten, wenn er mit der Mutter verheiratet wäre (Art. 299 ZGB), wobei auch dann primär die Unterhaltspflicht des leiblichen Elternteils zum Tragen käme und sich zudem die Frage stellen würde, wie sich die Platzierung ausserhalb des gemeinsamen Haushalts auf die Beistandspflicht dies Stiefelternteils auswirken würde.
Zur Berücksichtigung der finanziellen Verhältnisse des Konkubinatspartners beim Kindesunterhalt vertreten die Autorinnen Schwenzer/Büchler in Bezug auf die Abänderung des Kindesunterhalts die Meinung, dass die Interessen der gemeinsamen minderjährigen Kinder nicht beeinträchtigt werden dürfen, wenn eine eheähnliche Gemeinschaft Ausgangslage für eine Sistierung, Aufhebung oder Reduktion des Kindesunterhalts bildet (vgl. SCHWENZER Ingeborg/BÜCHLER Andrea, Scheidungskommentar, Band I: ZGB / Band II: Anhäge, zu Art. 129 ZGB N. 28). Die finanziellen Verhältnisse des Konkubinatspartners sind nach der hier vertretenen Auffassung bei der Bemessung des zivilrechtlichen Kindesunterhaltes demnach nicht zu berücksichtigen, dies sogar, wenn es sich um ein gefestigtes Konkubinat handelt. Ob anderslautende Gerichtsurteile ergangen sind, konnte bei kurzer Recherche nicht festgestellt werden. Die finanziellen Verhältnisse tragen aber indirekt dazu bei, indem beim Bedarf der Mutter die Einsparungen durch das Konkubinat berücksichtigt werden (anteilsmässige Kostenverteilung), wodurch ihre finanziellen Ressourcen für den Elternbeitrag erhöht werden.
Ich hoffe, Ihnen mit den Ausführungen Ihre Fragen beantwortet zu haben.
Freundliche Grüsse
Ruth Schnyder