Guten Tag
Ich begleite einen jungen Erwachsenen (21) mit F-Ausweis ohne Flüchtling. Die Mutter ist nicht in der Schweiz und auch keine anderen Geschwister. Vater und Sohn wohnen nicht zusammen. Mein Klient hat noch keine Erstausbildung absolviert, und ist momentan am Bewerben und temporär am Arbeiten. Nun hat der Vater eine Vollzeitstelle gestartet und ist selbst finanziell selbständig geworden.
Soweit ich bis jetzt herausgefunden habe, muss der Vater entweder Elternbeiträgender oder Verwandtenunterstützung leisten. Wenn ich das richtig verstanden habe, sind die Bedingungen für Elternbeiträge für junge Erwachsene:
1. keine absolvierte Erstausbildung
2. momentan in einer Erstausbildung sein und aktiv teilnehmen
Wenn das stimmt, bedeutet das, dass die Unterstützung nach den Regeln der Verwandtenunterstützung berechnet wird. Habe ich das richtig verstanden?
Danke für Ihre Rückmeldung und freundliche Grüsse
Frage beantwortet am
Ruth Schnyder
Expert*in Sozialhilferecht
Guten Morgen
Gerne beantworte ich Ihre Anfrage. Es geht Ihnen darum, in welchem Verhältnis die Unterhaltspflicht zur Verwandtenunterstützung steht. Beides sind Institute des Zivilgesetzbuches. Die Unterhaltspflicht der Eltern stützt sich auf Art. 276 ZGB. Diese dauert primär bis zur Volljährigkeit (Art. 277 Abs. 1 ZGB). Sie dauert länger, wenn das volljährige Kind noch keine angemessene Ausbildung abgeschlossen hat, sofern der Unterhalt den Eltern nach den gesamten Umständen zugemutet werden kann. Ausserdem dauert die Unterhaltspflicht längstens bis eine entsprechende Ausbildung ordentlicherweise abgeschlossen werden kann (Art. 277 Abs. 2 ZGB).
Obschon es sich bei der Unterhaltspflicht um einen zivilrechtlichen Anspruch handelt, befassen sich die SKOS-RL in D.4.2 mit diesem Anspruch, da dieser der wirtschaftlichen Hilfe vorrangig ist. Der Unterhaltsanspruch geht sogar von Gesetzes wegen auf die Sozialhilfe über, wenn sie bevorschussend unterstützt (Art. 289 Abs. 2 ZGB in Verbindung mit § 27 Abs. 3 SHG / LU). In der Erläuterung d) zu SKOS-RL D.4.2 wird u.a. festgehalten, dass nur jene Volljährigen gegenüber ihren Eltern einen Anspruch auf Unterhalt haben, welche sich effektiv in einer Erstausbildung befinden und diese ernstlich verfolgen. Dabei kann es sich etwa auch um eine vorbereitende Massnahme wie ein Praktikum handeln, sofern es einem Ausbildungsziel gewidmet ist (vgl. bspw. Urteil Bundesgericht 5A-776/2016 vom 27.3.2017). Ist dies nicht der Fall, können die Eltern nicht zum Unterhalt nach Art. 276 ZGB angehalten werden.
In diesem Fall steht die Verwandtenunterstützung als weiterer, nachrangier Anspruch offen, soweit die Voraussetzungen nach Art. 328 ZGB erfüllt sind. Auch hier handelt es sich um einen zivilrechtlichen Anspruch. Im Unterschied zum Unterhaltsbeitrag haben die SKOS-RL in Bezug auf die Bemessung jedoch einen höheren Stellenwert in der Praxis der Zivilgerichte (siehe dazu die SKOS-RL D.4.3, die Erläuterungen und die Praxishilfe dazu). Da es sich nicht mehr um die elterliche Unterhaltspflicht nach Art. 276 ZGB handelt, ist denn auch die Hürde höher angesetzt, um eine verwandte Person in Anspruch nehmen zu können.
Ich hoffe, Ihnen damit Ihre Frage beantwortet zu haben.
Freundliche Grüsse
Ruth Schnyder