Guten Tag
Ein Ehepaar mit 3 volljährigen Kindern (2 davon im Studium, 1 Kind ist krank und bezieht IV-/EL, alle wohnen zu Hause im Eigenheim) meldet sich beim Sozialamt, da der Ehemann erkrankt ist, das Krankentaggeld ausgeschöpft ist, eine IV-Integrationsmassnahme abgebrochen werden musste und eine IV-Rentenprüfung von einer noch bevorstehenden Operation und deren Heilungsverlauf abhängt. Die Ehefrau geht keiner Erwerbstätigkeit nach, da sie sich um das kranke Kind als Beiständin kümmert.
Das Ehepaar besitzt ein Eigenheim und hat mit dem Sparkonto für das Haus Fr. 80.000.00 Vermögen.
Die beiden Kinder, welche sich noch im Studium befinden, haben voraussichtlich Anspruch auf Sozialhilfe. Das Ehepaar erst bei Erreichen des Freibetrages, natürlich mit einer Rückerstattungsverpflichtung aufgrund des Eigenheims.
Es geht um die elterliche Unterhaltspflicht der beiden Studierenden. Gibt es einen Anhaltspunkt, wo man sagen kann, angesichts der Gesamtsituation macht es keinen Sinn, die Eltern in die Unterhaltspflicht einzubinden oder muss die Unterhaltspflicht in jedem Fall geltend gemacht werden? Wieviel Spielraum besteht aus Sicht der Sozialbehörde in der Einzelfallbeurteilung?
Herzlichen Dank für Ihre Rückmeldung.
Frage beantwortet am
Melanie Studer
Expert*in Sozialhilferecht
Guten Tag
Besten Dank für Ihre Frage. Wenn ich es richtig verstehe, möchten Sie wissen, ob es Gründe geben kann, um in der Sozialhilfe davon abzusehen, von den Eltern volljähriger Kinder, die sich in Ausbildung befindenden, einen Unterhaltsbeitrag einzufordern.
Dies kann grundsätzlich bejaht werden und zwar mit folgender Begründung: beim sogenannten volljährigen Unterhalt handelt es sich in erster Linie um ein Institut des Zivilgesetzbuches (Art. 277 Abs. 2 ZGB). Dort wird festgehalten, dass Eltern, «soweit es ihnen nach den gesamten Umständen zugemutet werden darf» auch für den Unterhalt volljähriger Kinder aufzukommen haben, sofern die Kinder dann noch keine angemessene Ausbildung haben.
Zu den Umständen, die bei der Beurteilung der Zumutbarkeit in Betracht gezogen werden, gehören insbesondere die persönlichen und v.a. auch die wirtschaftlichen Gegebenheiten. Die Zivilgerichte stellen zur Beurteilung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeiten auf den erweiterten Betreibungsrechtlichen Notbedarf ab und von einer finanziellen Zumutbarkeit der Leistung wird in der Regel nur dann ausgegangen, wenn dieser um ca. 20% überstiegen wird (vgl. BGE 118 II 97).
Darauf, dass eben die «gesamten Umstände» zu berücksichtigen sind, verweisen auch die entsprechenden Erläuterungen in den SKOS-RL (SKOS-RL D.4.2, Erläuterungen c). Dies eröffnet in der Rechtsanwendung durchaus einen Raum für Argumentation, auf die Einforderung des Unterhalts für volljährige zu verzichten.
Wie Sie den Sachverhalt schildern, lässt sich zudem abschätzen, dass die finanziellen Verhältnisse der Eltern es nicht zulassen, Unterhalt an ihre (volljährigen) Kinder zu leisten. Denn sobald das Geld auf dem Sparkonto aufgebraucht ist, werden wohl auch sie bedürftig sein (sofern bis dahin nicht eine IV-Rente fliesst und selbst dann ist nicht sichergestellt, dass diese ausreichend sein wird). Ich würde Ihnen empfehlen ein erweitertes SKOS-Budget für die Eltern zu erstellen. Wenn sich schon aus dem erweiterten SKOS-Budget keine Leistungsfähigkeit ergibt, könnte man dann meines Erachtens auch auf eine genauere Berechnung verzichten. Müsste man den Unterhaltsbeitrag in der vorliegenden Konstellation gerichtlich durchsetzen, wäre dies wohl mit grösseren Unsicherheiten verbunden, da eben die Gesamtumstände zumindest aktuell doch drauf hinweisen, dass die Unterhaltszahlungen eher nicht zumutbar sein könnten und die Leistungsfähigkeit eher nicht im geforderten Umfang gegeben ist.
Empfehlenswert könnte es aber allenfalls sein, abzuklären, ob die sich im Studium befindenden Kinder Anspruch auf Stipendien geltend machen könnten. Und ebenfalls wäre die Situation evtl. erneut zu prüfen, sobald der IV-Renten-Entscheid eingetroffen ist.
Ich hoffe, Ihre Frage damit beantwortet zu haben.
Freundliche Grüsse