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ELG Art 14 Ablehnung Vergütung für IV Wohnheimbewohner

Veröffentlicht:
29.04.2020
Status:
Beantwortet
Rechtsgebiet:
Sozialversicherungsrecht

Herr G.lebt seit einigen Jahren in einer Aussenwohngruppe einer IV Einrichtung. Seit zwei Jahren ist er im AHV Alter.

Der Aufenthalt wird über die Ergänzungsleistungen finanziert. Es wird eine Tagestaxe eingerechnet. Das obligatorische Formular zur Geltendmachung von Ergänzungsleistungen zur AHV/IV für Bewohner mit dauerndem Aufenthalt in einer Wohninstitution, beinhaltet eine Pensions- und Betreuungstaxe jedoch keine Kosten für Pflegeleistungen und Patientenbeteiligungen wie sie im APH Bereich üblich sind. Die für Wohninstitutionen und für Pflegeinstitutionen unterschiedlichen Tarifausweise über die Pensions-, Betreuungs- und Pflegekosten machen deutlich, dass ein Unterschied gemacht wird, zwischen Einrichtungen mit und Einrichtungen ohne Pflegeleistungen.

Herr G. hat seit einiger Zeit einen Dauerkatheder welcher täglich durch Spitex versorgt werden muss. Im Rahmen der Wohnbetreuung findet zwar täglich ein Kontakt statt, diese Betreuung kann eine medizinisch verordnete Behandlungspflege an einem Dauerkatheder jedoch nicht machen.

Die Vergütung der Patientenbeteiligung gemäss Art. 14 ELG wird von der AKSO abgelehnt. Dies mit Verweis auf Art. 14 ELG und § 6 RKEL.

Gemäss Art. 14 Abs. 2 ELG bezeichnen die Kantone die Kosten welche vergütet werden können.
Diese Präzisierung findet im „Reglement über die Vergütung von Krankheits- und Behinderungskosten bei den Ergänzungsleistungen“ RKEL statt. Gemäss § 6 Abs 4. wird die Patientenbeteiligung im Rahmen der Neuordnung der Pflegefinanzierung für EL Bezüger zu Hause (SPITEX) oder Heimbewohner (SPITIN) vollumfänglich übernommen.

Hier ein Auszug aus dem Einspracheentscheid der Ausgleichskasse:

„Mieterinnen und Mietern, die in einer Alterswohnung leben und nur leichte Pflegeleistungen benötigen, steht ein interner Pflegedienst (SPITIN) zur Verfügung. Die Spitex-Kosten werden

ausschliesslich EL-Bezügerinnen und EL-Bezügern vergütet, die zu Hause leben. Herr G. wohnt als AHV-Rentner in der …Stiftung (IV-Heim) in S. und ist somit als

Heimbewohner in der EL-Berechnung erfasst. Er gilt Folge dessen nicht als zu Hause lebend. Damit die Pflege für Herrn G. berücksichtigt werden könnte, müsste er in ein

Altersheim umziehen. Somit wäre die Pflege in der Heimtaxe berücksichtigt, welche für die EL Berechnung relevant ist. Ebenso würde ihm als Mieter in einem Altersheim der Pflegedienst

SPITIN zur Verfügung stehen. Diese Kosten würden durch die Krankheits- und Behinderungskosten vergütet werden.“

 

Ist es rechtens, dass bei Bewohnern einer IV Wohn- und Betreuungseinrichtung, keine Patientenbeteiligung für medizinische Pflegekosten von der EL übernommen werden?

Herzlichen Dank für Ihre Antwort.

 

Lilo Gruber

Frage beantwortet am

Peter Mösch Payot

Expert*in Sozialversicherungsrecht

Sehr geehrte Frau Gruber

Ihre Frage ist nicht abschliessend durch die bundesgerichtliche Rechtsprechung geklärt.

Sie fusst auf dem Problem, dass die EL generell für die Berechnung der jährlichen EL nach geltendem Recht nur zwei Formen kennt: Wohnen zu Hause und Wohnen im Heim. Das Wohnen in (wenig) betreuten Aussenwohngruppen ist nicht spezifisch geregelt.

Der von Ihnen genannte Einspracheentscheid verweist zwar auf die richtigen anwendbaren Normen im ELG und in der hier anwendbaren Solothurner Gesetzgebung. Vgl. Art. 6 Abs. 4 RKEL  https://bgs.so.ch/app/de/texts_of_law/831.3/versions/4811.

Es ist aber sehr fraglich, ob die Interpretation rechtens ist. Art. 14 Abs. 1 lit. g ELG sieht nämlich die Übernahme  der Kostenbeteilungen nach KVG (Art. 64 KVG) als Krankheits- und Behinderungskosten vor, unabhängig davon, ob eine Person im Heim oder zu Hause lebt. Und es ist somit meines Erachtens widerrechtlich und ein Verstoss gegen Bundesrecht, wenn Art. 6 Abs. 4 RKEL (der insoweit vom Wortlaut her nicht eindeutig ist) hier entgegen Art. 14 Abs. 1 ELG ausgelegt wird.

Das Bundesrecht kennt in Art. 14 Abs. 3 und 4 ELG nur eine Differenzierung danach, ob jemand zu Hause lebt oder im Heim für die Höchstbeträge der Krankheits- und Behinderungskosten. Was vorliegend aber soweit ersichtlich gar nicht entscheidend ist. Und selbst wenn, ist durchaus fragwürdig, dass bei einem IV-Bewohner im AHV-Alter, der in einer (wenig) betreuten Aussenwohngruppe lebt, von einem Wohnen "im Heim"ausgegangen werden dürfte. Man könnte hier auch insoweit argumentieren, es handle sich faktisch um ein Wohnen "zu Hause" und die Auslegung der AKSO sei willkürlich.

Die Auslegung der AKSO führt im Übrigen zu stossenden Ergebnissen und zu Rechtsungleichheiten, weil ja im von der EL übernommenen Tarif für die Kategorie von Aussenwohngruppen in IV-Einrichtungen gar keine Pflegeleistungen inkludiert sind.

Ich habe zwar bei einer Kurzübeprüfung keine explizite Rechtsprechung zur konkreten Frage gefunden,  und wegen der oft schematischen Praxis im Bereich der EL sind die Erfolgschancen einer Anfechtung bei Gericht meines Erachtens offen. Sie sind aber durchaus intakt.

Ich rate Ihnen, einen Beschwerde an das Verwaltungsgericht mit Hilfe einer spezialisierten Juristin/Anwältin, oder wenn er Mitglied ist, bei Procap (diese sind sonst für Personen im AHV-Alter nicht zuständig) zu prüfen. Beachten Sie dabei die Fristen!

Ich hoffe, das dient Ihnen.

Peter Mösch Payot