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EL: Verspätete Anmeldung in Verbindung mit unter 3 Monatigem Heimaufenthalt

Veröffentlicht:
14.08.2022
Kanton:
Luzern
Status:
Beantwortet
Rechtsgebiet:
Sozialversicherungsrecht

KL (JG 1945) bezieht AHV und PK, wohnte noch zu Hause bzw. in einer WG, dahingehend bestand kein regulärer Jahres-EL-Anspruch.

KL trat am 7. September 2021 ins Heim (Kanton LU) ein, nach einem Unfall. Er war seit Jahren bereits halbseitengelähmt und nach dem Unfall konnte er auch nicht mehr gehen, weil er sich die Hüfte brach. Niemand ging davon aus, dass es sich um einen kurzfristigen Heim-Aufenthalt handeln würde (auch die Hausärztin hat dies mittels Schreiben bestätigt). Pflegestufe 8 war vorhanden. Wider Erwarten dauerte der Heimaufenthalt lediglich bis 20.10 bzw. 26.10.21 an. Die Rückkehr in die WG war möglich, weil es sich beim WG-Gspändli um eine dipl. Pflegefachfrau handelt, die ihre Spitexleistungen über die KK abrechnen kann. Diese setzte sich auch für die Gesundheit des KL ein, indem sie ihn täglich im Heim besuchte und mit ihm Geh-Training absolvierte (unentgeltlich). Dies wurde auch von der Hausärztin so festgehalten.

Der privaten Beiständin gelang aufgrund privaten Gründe (Umzug Mitte September und zweier Todesfälle innert einer Woche - Ende September und Anfangs Oktober) die zeitnahe EL-Anmeldung nicht. Die Anmeldung wurde im Dezember 2021 erledigt. Zudem fehlten ihr bis dahin auch sämtliche Rechnungen / Pensionsverträge seitens Heim. Der EL-Anspruch wurde abgelehnt, Einwand wurde erhoben. Mittlerweile wurde das Mandat an mich übertragen und ich muss prüfen, inwiefern ich Einsprache beim Kantonsgericht einreichen soll.

Die private Beiständin bezog sich in ihrer Argumentation (Einwand) gegen die EL auf RZ 3744.01 und RZ 2125.01 WEL in Verbindung mit Art. 12 Abs. 2 ELG, wobei die Anmeldefrist 6 Monate betrage.

Die EL führt nun aus, dass kürzere Aufenthalte von nicht dauernd bzw. nicht länger als drei Monaten jin einem Heim oder Spital lebenden Personen eine Berechnung der jährlichen EL für zu Hause lebenden Personen erfolgt (vgl. Art. 10 Abs. 1 u. 2 ELG). Kosten für ärztlich angeordnete Aufenthalte von weniger als 2 Monate werden vergütet (§ 12 Abs. 1 ELKV-LU). Weiter hält sie fest, dass basierend auf WEL RZ 3152.02/5210.01 die Kosten vergütet würden, wenn die Preson noch diesem Zeitpunkt nicht nach Hause zurückkehrt un die jährliche EL erstmals für den Monat, in dem die Anmeldung mit sämtlichen erforderlichen Informationen und Belegen erfolgt sei bzw. sämtliche gesetzliche Voraussetzungen erfüllt sind (WEL RZ 110.02, 2121.01).

Die EL gibt an, dass gemäss telefonischer Auskunft beim Heim (Anm. dabei handelte es sich dabei um die Buchhaltung des Heims und nicht um die Heimleitung; die Anmeldung erfolgte zudem über das Spital und nicht über die Beiständin), ein Kurzaufenthalt geplant war (entgegen der fachlichen Einschätzung der Hausärztin). Weiter hält sie fest, dass Indizien hätten vorliegen sollen, wie bspw. die Wohnungskündigung, die gegen einen kurzfristigen Aufenthalt gesprochen hätten. Die private Beiständin gab jedoch bereits im Einwand an, dass es sich beim WG-Gspändli des KL um ihre Mutter handeln würde, sodass die Miete jederzeit hätte eingestellt werden können - es hätte keine schriftliche Kündigung gebraucht, ein mündlicher Austausch hätte ausgereicht, zumal der KL in seiner Verfassung nicht in der Lage gewesen wäre, überhaupt eine Kündigung zu schreiben. Die EL hält fest, dass die Gründe der Beiständin (fehlender Heimvertrag, private Situation) die Einsprachefrist nicht erstrecken würden und sie demnach spätestens im Oktober hätte eine Anmeldung machen sollen.

Nun stellen sich für mich folgende Fragen:

- Gibt es eine realistische Möglichkeit, für die Monate Sept./Okt. 2021 mittels Einspracheverfahren die EL-Leistungen doch noch geltend zu machen? bzw. die jährliche EL?

- Inwiefern ist ein Schaden entstanden? Die offenen Heimrechnungen belaufen sich auf über CHF 11'000.-. Gemäss EL könnte der KL Gesundheitskosten erst ab CHF 15'000.- geltend machen. Der KL hat kein Vermögen, um CHF 11'000.- zu bezahlen. Hätte damals parallel eine WSH-Anmeldung erfolgen sollen? Weil, falls ja: Stellt sich für mich die Frage, inwiefern ein Schaden entstanden ist, welcher von der Haftpflichtversicherung der KESB getragen werden müsste. Natürlich kann ich noch abklären, inwiefern die WSH zahlungspflichtig gewesen wäre, aber da die WSH nach dem Gegenwartsprinzip arbeitet, ist es utopisch, beinahe 12 Monate später noch Gelder geltend machen zu können. Die KESB teilte mir (telefonisch..) schon mal mit, dass sie davon ausgeht, dass kein Schaden entstanden sei. Aber man kann ja auch nicht erwarten, dass eine Person, nur weil sie gerade noch kein jährlicher EL-Anspruch hat CHF 15'000.-/Jahr für Krankheitskosten anspart, um allfällige Gesundheitskosten zu bezahlen (schlimmstenfalls zahlt sie dann die Massnahmekosten selbstständig..).

Für Ihre Rückmeldung danke ich bestens.

Frage beantwortet am

Peter Mösch Payot

Expert*in Sozialversicherungsrecht

Guten Tag!

Ich sehe im vorliegenden Fall tatsächlich gewisse Chancen, dass gestützt auf Art. 12 Abs. 2 ELG die Sechsmonatsfrist zur Anwendung kommen könnte. 

Entscheidend dürfte sein, ob der Aufenthalt damals tatsächlich als dauernd geplant war oder nicht. 

Es müssten alle Beweismittel vorgebracht werden, die mit überwiegender Wahrscheinlichkeit belegen, dass der Aufenthalt dauernd geplant war.

So die Einschätzung der Ärztin, die schriftliche Bestätigung der Heimleitung. Ebenso wären Indizien vorzubringen, die glaubhaft machen, dass  die Rückkehr in die WG nicht vorhesehbar war (etwa durch die Bestätigung der im Sachverhalt genannten Pflegefachperson) und weswegen auch keine Kündigung erfolgen musste (Besttätigung der Mutter als Vermieterin). Ich rate dazu, für die Beschwerde beim Gericht juristische Unterstützung einzuholen.

Die Beurteilung der Frage der Haftpflicht müssten hier weitere Abklärungen getätigt werden. Namentlich ob das Verhalten der Beiständin den Schaden bewirkte. Und worin dieser genau bestehen könnte. Ebenso welchen Auftrag sie hatte. Falls diese Frage genauerer Betrachtung bedarf, rate ich, diese Teilfrage im Forum "Kindes- und Erwachsenenschutz" unterzubringen. 

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Ich hoffe, das dient Ihnen.

Prof. Peter Mösch Payot