Junger Mann (seit November 2016 volljährig) befindet sich seit August 2016 in Ausbildung zum Insos Pr Gartenbau. Die Ausbildung wird als "erstmalige berufliche Ausbildung" von der IV finanziert, das Taggeld beträgt seit Dezember 2016 CHF 40.70.
Aufgrund Erkrankung (manisch-depressiv) ist ein Wohnplatz in Familienpflege angezeigt, zuhause bei Mutter wohnen ist nicht tragbar. IV beteiligt sich nicht an Wohnkosten.
EL-Gesuch wurde gutgeheissen, Wohnkosten akzeptiert. Die Berechnung schliesst jedoch hypothetische Einnahmen in Form von monatlichen Unterhaltsbeiträgen in der Höhe von CHF 922.50 ein, was 17% des Nettoeinkommens der alleinverdienenden bzw. alleinerziehenden Mutter des jungen Mannes entspricht. Der Vater kann nicht belangt werden, ist langzeitarbeitslos, generiert kein Einkommen.
IV-Taggeld + Kinderzulagen + EL reichen nicht aus um Bedarf zu decken. Aktuell wird Defizit mittels WSH beglichen.
Frage: Ist die Mutter tatsächlich dazu verpflichtet Unterhaltsbeiträge zu leisten, solange ihr volljähriger Sohn sich in einer "nicht anerkannten" Ausbildung befindet? Bzw. ist die Einrechnung dieser hyp. Einnahmen gerechtfertigt?
Frage beantwortet am
Peter Mösch Payot
Expert*in Sozialversicherungsrecht
Sehr geehrter Herr Schmid
Gerne beantworte ich Ihre Anfrage. Ein hypothetisches Einkommen kann grundsätzlich in der EL-Rechnung eingerechnet werden, wenn auf Einkünfte verzichtet wird (Art. 11 Abs. 1 lit. g ELG).
Hinsichtlich von Unterhaltsansprüchen gilt, dass tatsächlich geschuldete Unterhaltsforderungen im Prinzip angerechnet werden, ausser es steht beweismässig fest, dass diese uneinbringlich sind. Für diesen Beweis müssen aber alle zumutbaren rechtlichen Möglichkeiten zur Realisierung der Forderung ausgeschöpft sein (vgl. Bundesgerichtsurteil P55/06 vom 22.10.2007)oder wenn eindeutig erwiesen ist, dass der Schuldner nicht in der Lage ist, seinen Verpflichtungen nachzukommen.Dies kann sich namentlich aus amtlichen Bestätigungen (Unterlagen der Steuerbehörden oder der Nachweis einer erfolglosen Betreibung) oder über die Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Schuldners (z.B. Bezug von Fürsorgeleistungen) ergeben. Die Folgen der Unbewiesenheit der Uneinbringlichkeit trägt die EL-beziehende Person (vgl. WEL, Wegleitung Ergänzungsleistungen, Rz. 3482.09; Stand 1.1.2016).
Zivilrechtlich ist gemäss Art. 277 Abs. 2 ZGB Unterhalt seitens der Eltern gegenüber einem Volljährigen geschuldet, wenn eine Erstausbildung dann noch andauert, und wenn der Unterhalt den Eltern oder dem Elternteil nach dem gesamten Umständen zugemutet werden kann. Die hier vorliegende von der IV mitfinanzierte Insos Praxisausbildung (früher: Anlehre) ist zweifellos Teil einer Erstausbildung. Soweit es nach den gesamten Umständen und der Einkommens- und Vermögenslage der Mutter zumutbar ist, so ist ein Unterhalt geschuldet. Diesen nach der Prozent-Regel auf 17% des Nettoeinkommens der Mutter zu bemessen, ist nicht unüblich (so genannte Prozent-Regel; vgl. explizit RZ. 3493.02 WEL; Stand 1.1.2016). Entscheidend ist in der Regel, ob der Mutter insgesamt trotz dem Unterhaltsbeitrag ein Einkommen verbleibt, dass über dem erweiterten Existenzminimum liegt (BEX plus Steuern plus ca. 20%; vgl. BGE 118 II 97).
Bei der Festsetzung von Unterhaltsleistungen für volljährige Kinder ist die Zumutbarkeit in die Leistungspflicht miteinzubeziehen. Dabei sind insbesondere die wirtschaftlichen Verhältnisse der Eltern sowie die persönliche Beziehung zwischen ihnen und dem volljährigen Kind zu beachten (vgl. Rz. 3493.02 bis Rz. 3493.04 WEL; Stand 1.1.2016).
Der von Ihnen genannte Umfang der Einnahmen spricht hier dafür, dass wahrscheinlich dieses erweiterte Existenzminimum der Mutter gedeckt ist, so dass sie wahrscheinlich zivilrechtlich Unterhalt im Umfang des hier vorgesehen Betrages im Falle einer Klage des Kindes schulden würde. Eine ganz genaue Antwort dieser Frage wäre aber nur bei Durchsicht der ganz genauen Einkommens- und Vermögensverhältnisse und weiterer Aspekte des persönlichen Verhältnisses zwischen Mutter und Kind möglich.
Ich hoffe, diese Angaben dienen Ihnen.
Prof. Peter Mösch