Zur bei Sozialinfo publizierten Anfrage vom 25. Januar 2018 bereffend Abbau vom Verzichtsvermögen wurde dargelegt, dass sich dieser jährlich nur um Fr. 10'000.— reduziere, auch wenn der effektive aber hypothetische Vermögensrückgang höher ausfallen würde. Begründet wurde das in der Antwort vom 5. Februar 2018 auch damit, dass die gesetzlich geleisteten Sozialhilfeleistungen faktisch kein Vermögen «beschlagen» können, weil nicht vorhanden und somit eben auch nicht beim Verzichtsvermögen in Abzug gebracht werden können.
Es interessiert jetzt die Frage, ob das unter dem Blickwinkel der EL-Reform nach wie vor gleich aussieht: Es handelt sich hier um die Situation einer Person, welcher vorab zwei Mal mit Einspracheentscheide der AK ein Vermögensverzicht von zuletzt im Jahr 2018 von fast Fr. 400'000.— angerechnet wurde. In der Zwischenzeit hat sich der Sachverhalt verändert mit einem dauerhaften Heimeintritt im Jahr 2019 und ist die EL-Reform 2021 in Kraft getreten. Auf die Anmeldung im Jahr 2023 ist die AK nicht eingetreten mit dem Vermerk, dass das Vermögen weiterhin zu hoch sei und lediglich ein Abbau von den vergangenen 5 Jahren à Fr. 10'000.— berücksichtigt würde.
Es stellt sich für mich die Frage, ob die Grundlagen nach der EL-Reform definitiv keinen Eingang finden können in einer solchen Situation, bei welcher bereits altrechtlich einmal ein hoher Vermögensverzicht verfügt wurde? Müssten nicht doch nach den heutigen gesetzlichen Grundlagen der zulässige und der übermässige Vermögensverbrauch sowie die Rechtfertigungsgründe zumindest seit der letzten rechtskräftigen Entscheidung im Jahr 2018 oder zumindest ab dem Heimeintritt 2019 betrachtet und geprüft werden? Oder heisst das in einer solchen Konstellation, dass diese Person (Alter 63) für die nächsten 25 Jahre definitiv vom EL-Bezug ausgeschlossen wird und die Heimkosten weiterhin vollumfänglich der Sozialhilfe anfallen?
Ich freue mich auf die Beurteilung und danke im Voraus bestens für die Rückmeldung.
Frage beantwortet am
Peter Mösch Payot
Expert*in Sozialversicherungsrecht
Guten Tag.
a) Durch die EL-Reform hat sich an der hier interessierenden Frage gemäss Gesetz, Verordnung und Wegleitung zur EL nichts geändert.
Wenn ein Vermögensverzicht vorliegt, der z.B. in der Vergangenheit vor der Reform der EL liegen kann, so gilt gemäss Art. 17e Abs. 1 und Abs. 2 ELV, dass Betrag des Vermögens im Zeitpunkt des Verzichts unverändert auf den 1. Januar des Jahres, das auf den Verzicht folgt, zu übertragen und dann jeweils nach einem Jahr zu vermindern ist. Und zwar um jeweils CHF 10000.
Vor 2021 besagte Art. 17a ELV genau das gleiche.
Für diesen Vorgehen und die Reduktion eines Verzichts einzig um CHF 10000 im Jahr besteht eine entsprechende explizite Verordnungsnorm seit 1990. Die aktualisierte Gesetzesnorm, auf die sich die Verordnungsregel stützt (Art. 11a Abs. 2 und 3 ELG würde es vom Wortlaut her sogar zulassen, dass bei klassischen Verzichtshandlungen gar kein abbauender Betrag pro Jahr berücksichtigt würde.
Ich schätze es so ein, dass bei dieser Gesetzeslage mit den in der Sache nachvollziehbaren Argumente, die in der Anfrage aufgebracht wurden, in einem Rechtsmittelverfahren einen Erfolg zu erzielen.
b) Eine Änderung ergab sich allerdings für die Fälle seit 2021, wo nicht offensichtlich eine Verzichtshandlung (wie eine Schenkung etc. ) vorliegen, sondern wo die EL feststellt, dass jemand ein erheblicher Vermögensrückgang ausweist und darauf gestützt vorab festgestellt werden, ob und inwieweit ein Vermögenszverzicht vorliegt (wegen Schenkungshandlungen etc. oder eben wegen der Variante des übermässigen Verbrauchs).
Hier wird das Vorgehen in Rz. 3532.09ff WEL (Stand 1.1.2023) dargestellt. Dabei gilt wie vorher, dass in Fällen, wo ein bedeutender Vermögensrückgang vorliegt und die EL-beziehende Person nicht nachweisen kann, wofür sie das Geld verwendet hat, grundsätzlich von einem Vermögensverzicht auszugehen sei.
Allerdings liegt in Fällen, wo die EL-beziehende Person und ihre Angehörigen in den Jahren, in denen der Vermögensrückgang stattgefunden hat, ein ungenügendes Einkommen hatten, der Betrag des Vermögensverzichts lediglich in der Differenz zwischen dem unbelegten Vermögensrückgang und dem Teil des Vermögens, der für den Lebensunterhalt aufgewendet werden musste. Das Einkommen gilt dabei als ungenügend, wenn es unter einem anwendbare Pauschalbetrag liegt. Vgl. für das Weitere die entsprechende Passage in der WEL.
Ob diese Regelung für die Frage, ob und in welchem Umfang ein Vermögensverzicht vorliegt in Fällen, wo ein unbelegter Vermögensrückgang vorliegt, auch als Verzicht zu werden, auch bundesrechtskonform ist, ist offen. Das Bundesgericht hat dazu soweit ersichtlich noch keine Rechtsprechung erlassen.
Ich hoffe, das dient.
Prof. Peter Mösch Payot
Vielen Dank für die Ausführungen.
Ich bin in der Zwischenzeit jetzt noch auf diese Urteile gestossen, welche aus meiner Sicht Zuversicht geben, eine voraussetzungslose Prüfung des EL-Anspruchs durchsetzen zu können, unter Berücksichtigung des Verbrauchs für den Lebensunterhalt und die Heimkosten.
8C_94/2007, BGE 128 V 39 und BGE136 V 369 S. 374
Frage beantwortet am
Peter Mösch Payot
Expert*in Sozialversicherungsrecht
Guten Tag.
Ja, die genannten Entscheide sind interessant. Sie können vor allem herangezogen werden zu begründen, dass die Frage, OB ein Vermögensverzicht durch eine frühere Handlung vorliegt, neu aufgerollt werden kann.
Ist dies allerdings unbestritten (z.B. bei einer belegten Schenkung) gilt wohl, dass auch in einem neuen Verfahren ein Abweichen von der Regelung der Bemessung des Verzichtsvermögens (Betrag minus 10000 pro Jahr) kaum begründbar ist.
Herzlich
Peter Mösch Payot