Sehr geschätzte Experte und Expertinnen
Ich habe einen Klienten, welcher aufgefordert wird die zu unrecht bezogene EL zurück zuerstatten. In diesem Fall ist es ein glasklare Sache, dass der Klient seine Meldepflicht nicht wahrgenommen hat.
Es stellen sich jedoch im Allgemeinen folgende Fragen:
1. Welche Voraussetzungen sollen erfüllt sein, um ein Härtefallgesuch zu verfassen? Gibt es eine Art von Kriterien die erfüllt sein sollten?
2. Wann ist es sinnvoll ein Härtefallgesuch zu verfassen und auf was soll geachtet werden?
Besten Dank im Voraus für die fachliche Auskunft.
Frage beantwortet am
Peter Mösch Payot
Expert*in Sozialversicherungsrecht
05.04.2022 / 08:26
Guten Tag!
Gerne beantworte ich Ihre Frage.
- Für Rückerstattungen ist vorerst zu prüfen, ob die Voraussetzungen für den Anspruch auf Rückerstattung durch die EL bestehen. Das ist der Fall, und für den Umfang der Fall, wie EL unrechtmässig bezogen wurde. Was bedeutet, dass im Vergleich zu den rechtlich korrekten Normen entsprechen zu viel EL gewährt wurde. Zu beachten ist dabei die Verwirkungsfrist von drei Jahren nach Kenntnis und insg. fünf Jahren, ausser bei strafbaren Handlungen wie Betrugsversuchen etc
- Wenn ein Rückerstattungsanspruch der Sozialversicherung besteht, so ist auf eine Rückzahlungsforderung zu verzichten, wenn die Betroffenen gutgläubig war UND wenn die Rückerstattung zu einer grossen Härte führt. Dazu ist formell ein Erlassgesuch unter Verweis auf Art. 25 ATSG zu stellen.
- Bei einer offensichtlichen Meldepflichtverletzung wie nach ihren Angaben in Ihrem Fall fehlt es aber wohl am guten Glauben. Deswegen ist formell ein Verzicht auf die Rückerstattung wohl nicht möglich.
- Zur grossen Härte als zweite Voraussetzung des Verzichts auf Rückerstattung, neben der Gutgläubigkeit: Massgeblich ist dabei der Zeitpunkt, in dem der Rückforderungsentscheid rechtskräftig wird. Für diesen Zeitpunkt richtet sich die Frage der "grossen Härte" nach Massgabe von Art. 5 ATSV. Danach wird auf eine Rückerstattung verzichtet, wenn die für die EL-Berechnung relevanten anerkannten Ausgaben plus einige Erweiterungen die anrechenbaren Einnahmen überschreiten. Steuerforderungen gehören dabei wie üblich bei den Ergänzungsleistungen nicht zu den anrechenbaren Ausgaben. Zu den Details siehe Art. 5 Abs. 2 lit. a bis c, Art. 5 Abs. 3 und Abs. 4 ATSV; siehe untenstehend der Originalwortlaut von Art. 5 ATSV).
- In Ihrem Fall kommt, soweit die Gutgläubigkeit wirklich fehlt, kein formeller Verzicht auf Rückerstattung in Frage. Ich rate Ihnen vom Vorgehen her, mit der Ausgleichskasse auf dem informellen Wege auszuloten, ob auf die Rückerstattung ganz oder teilweise verzichtet werden könnte oder ob zumindest Stundungen mit Teilverzicht und Teilabschreibungen möglich sind. Das ist in vielen Fällen nicht aussichtslos.
Prof. Peter Mösch Payot
ATSV
1 Eine grosse Härte im Sinne von Artikel 25 Absatz 1 ATSG liegt vor, wenn die vom Bundesgesetz vom 6. Oktober 20068 über Ergänzungsleistungen zur Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenversicherung (ELG) anerkannten Ausgaben und die zusätzlichen Ausgaben nach Absatz 4 die nach ELG anrechenbaren Einnahmen übersteigen.
2 Bei der Berechnung der anerkannten Ausgaben nach Absatz 1 werden angerechnet:
a.bei zu Hause lebenden Personen: als Mietzins der jeweilige Höchstbetrag nach Artikel 10 Absatz 1 Buchstabe b ELG;
b. bei in Heimen oder Spitälern lebenden Personen: 4800 Franken pro Jahr als Betrag für persönliche Auslagen;
c. bei allen Personen: als Pauschalbetrag für die obligatorische Krankenpflegeversicherung die höchste Prämie für die jeweilige Personenkategorie nach der jeweils gültigen Verordnung des Eidgenössischen Departements des Innern (EDI) über die kantonalen und regionalen Durchschnittsprämien der Krankenpflegeversicherung für die Berechnung der Ergänzungsleistungen.
3 Der Vermögensverzehr bei in Heimen oder Spitälern lebenden Personen beträgt ein Fünfzehntel; bei in Heimen oder Spitälern lebenden Altersrentnerinnen und
-rentnern beträgt er ein Zehntel. Bei Teilinvaliden wird nur das tatsächlich erzielte Erwerbseinkommen angerechnet. Eine allfällige kantonale Begrenzung der Heimkosten wird nicht berücksichtigt.
4 Als zusätzliche Ausgabe werden angerechnet:
a. bei Alleinstehenden: 8000 Franken;
b. bei Ehepaaren: 12 000 Franken;
c. bei rentenberechtigten Waisen und bei Kindern, die einen Anspruch auf Kinderrente der AHV oder IV begründen: 4000 Franken pro Kind.