Guten Tag
Im August 2018 erhielt der Klient EL-Verfügung Anmeldung. Er wohnt in einem betreuten Wohnen.
Im Oktober 2019 wurde festgestellt, dass der Mietzins in der EL Berechnung nicht korrekt war, dies aufgrund eines Vertragsfehlers durch den Verein für betreutes Wohnen. Für den Klient wurde immer die korrekte Miete bezahlt.
Die EL wurde mehrmals angeschrieben, dass die Miete korrigiert werden soll. Im November 2020 wurde in Form eines Briefes eine Korrektur abgelehnt mit der Begründung, dass mit Erhalt der Verfügung hätte reagiert werden sollen/können und somit die Melde- und Mitwirkungspflicht nicht eingehalten worden sei.
Hätte eine Wiedererwägung Chancen auf Erfolg? Es betrifft 19 Monate zu wenig MIetzins erhalten.
Frage beantwortet am
Peter Mösch Payot
Expert*in Sozialversicherungsrecht
Sehr geehrte Frau Fäh
Es geht hier um eine Verfügung, die von Anfang an unrichtig war. Grundsätzlich käme also eine Revision nach Art. 53 Abs. 1 ATSG in Frage oder eine Wiedererwägung im Sinne von Art. 53 Abs. 2 ATSG.
a) Revision: Art. 53 Abs. 1 ATSG sieht vor, dass formell rechtskräftige Verfügungen und Einspracheentscheide, wie im vorliegenden Fall, nur dann in Revision gezogen werden müssen, wenn die versicherte Person oder der Versicherungsträger nach deren Erlass erhebliche neue Tatsachen entdeckt oder Beweismittel auffindet, deren Beibringung zuvor nicht möglich war.
Eine der Hürden ist, dass der damalige Entscheid vor dem Hintergrund der damaligen Sachlage geradezu unvertretbar war (vgl. Urteil 9C_816/2013 vom 20.02.2014 E. 1.1). Und dass die versicherte Person die «neuen» Tatsachen damals gar nicht beibringen konnte.
b) Wiedererwägung: Darüber hinaus kann die Versicherung gemäss Art. 53 Abs. 2 ATSG auf formell rechtskräftige Verfügungen zurückkommen, wenn diese zweifellos unrichtig sind und wenn ihre Berichtigung von erheblicher Bedeutung ist.
Das ist eine KANN-Bestimmung (also hat die Versicherung Ermessen). Und die Voraussetzung ist, dass die Entscheidung zweifellos unrichtig war (Urteil 8C_525/2017 vom 30.08.2018; BGE 140 V 77 E. 3.1)
c) Die bestehende Verfügung über eine jährliche EL gilt, bis sich die für den Anspruch massgebenden Verhältnisse rechtserheblich ändern und eine neue Verfügung erlassen wird (vgl. WEL 4140.01 (Stand 1.1.2021; siehe https://sozialversicherungen.admin.ch/de/d/6930/download). Erheblich ist die Änderung, wenn ein anderer Betrag zu gewähren ist, weil sich etwas wesentlich ändert.
d) Damit hier die Chance erhöht wird, dass das Ermessen der Ausgleichskasse zu Gunsten einer Änderung genutzt wird, die im Sinne einer Wiedererwägung auch rückwirkend korrigerend wirken würde, müsste zusätzlich dargestellt werden, dass der Betroffene keine Möglichkeit hatte, den Fehler bzgl. der Mietzinsangaben beim EL-Gesuch zu erkennen.
e) Ich rate Ihnen, die weiteren Schreiben die dabei dargebrachte Begründung auf der Basis der Durchsicht der genauen Fallakten mit einem spezialisierten Rechtsdienst zu besprechen. Da kann die Frage der Wiedererwägung nochmals eingebracht werden.
Vgl.:
www.procap.ch/d/dl/rechtsdienst/index.html
www.integrationhandicap.ch/index/menuid/12
Ich hoffe, das dient Ihnen.
Peter Mösch Payot