Guten Tag
Einerseits wird Einkommensverzicht bei der EL als Einnahme angerechnet - also wer noch Gelder der ALV beziehen kann und dies nicht tut, bekommt diese angerechnet.
Andererseits heisst es in WEL 3424.05 1/16 Abs. 2 , dass bei Personen, die in einer geschützten Werkstatt arbeiten, kein Mindesteinkommen angerechnet wird.
Für TeilrentnerInnen oder Vollrentner mit einem IV-Grad von weniger als 80% ist es oft eine hohe psychische Belastung, die Verfahren der ALV noch mitzumachen.
Könnten sich diese, wenn die zu erwartenden Leistungen der ALV sowieso nicht bedeutend sind, nicht auf WEL 3424.05 1/16 stützen, sich bei der ALV abmelden, in einer geschützten Werkstatt arbeiten und ergänzend ungekürzte EL beziehen?
Oder darf halt doch Mindesteinkommen und Einkommensverzicht nicht vermischt werden?
Freundliche Grüsse
M. Blindow
Frage beantwortet am
Peter Mösch Payot
Expert*in Sozialversicherungsrecht
Sehr geehrter Herr Blindow
Gemäss WEL 3424.01 ff. (Stand 1.1.2018 ) wird teilinvaliden Personen als Erwerbseinkommen grundsätzlich der Betrag angerechnet, den sie im massgebenden Zeitpunkt tatsächlich verdient haben.
Bei Personen unter 60 Jahren kommen dabei als hypothetische Einkommen abgestufte Mindestbeträge zur Anwendung (vgl. Art. 14a Abs. 1 und 2 ELV), davon werden dann noch Freibeträge und Betreuungskosten für Kinder abgezogen.
Diese Pauschalbeträge dürfen grundsätzlich nicht überschritten werden, ausser der Betroffen gibt eine zumutbare Tätigkeit freiwillig auf (Urteil des BGer 8C_655/2007 vom 26. Juni 2008, E. 6), tritt eine offenstehende Stelle nicht an oder nimmt an Eingliederungsmassnahmen nicht teil (BGE 140 V 267; BGE 141 V 343, siehe WEL 3424.04 (Stand 1.1.2018 ).
Gemäss der Verordnung zum ELG darf in zwei Fällen grundsätzlich kein Mindesteinkommen angerechnet werden: Nämlich im Fall eins, wenn die Invalidität von Nichterwerbstätigen auf der Basis von Art. 27 IVV festgelegt wurde. Und dann im Fall zwei, wenn die die invalide Person in einer geschützten Werkstätte im Sinne von Artikel 3 Absatz 1 Buchstabe a IFEG arbeitet (Art. 14a Abs. 3 ELV).
Kann im Übrigen bewiesen werden, dass die Beträge aus invaliditätsfremden Gründen wie Alter, Ausbildung, akute Erkrankung etc.) nicht erzielt werden können, so darf ebenfalls keine Anrechnung erfolgen (BGE 140 V 270). Gemäss WEL 3424.07 (Stand 1.1.2018 ) darf insbesondere auch kein hypothetisches Einkommen angerechnet werden, wenn die versicherte Person trotz ausreichender Arbeitsbemühungen keine Stelle findet. Diese Voraussetzung gilt als erfüllt, wenn die Person beim RAV zur Arbeitsvermittlung angemeldet ist sowie qualitativ und quantitativ ausreichende Stellenbemühungen nachweist; oder wenn die die versicherte Person Taggelder der Arbeitslosenversicherung bezieht oder wenn der Ehegatte der versicherten Person ohne deren Beistand und Pflege in einem Heim platziert werden oder wenn die versicherte Person das 60. Altersjahr vollendet hat.
Der Ausschluss der Anrechnung bei Invaliden in einer geschützten Werkstatt bezieht sich vom Wortlaut des Gesetzes her darauf, dass bei diesen Personen das pauschale Mindesteinkommen im Sinne von Art. 14a Abs. 2 ELV nicht angerechnet wird.
Es ist aber wohl mit Blick auf die allgemeinen Regeln der ELG (Art. 11 Abs. 1 lit. g ELG) auch aus meiner Sicht nicht ausgeschlossen, dass seitens der EL von Personen, die in Werkstätten tätig sind, aber noch teilvermittelbar sind, soweit zumutbar im Rahmen der Schadenminderung ein Geltendmachen von ALE-Taggeld und ein Beachten der entsprechenden Kontrollvorschriften verlangt wird. Und bei Verweigern der entsprechenden Bemühungen ein entsprechender Einkommensverzicht angerechnet wird.
Wehren kann man sich dagegen wohl nur, wenn aufgezeigt werden kann, dass im konkreten Fall die entsprechenden Verpflichtungen z.B. aus gesundheitlichen Gründen nicht möglich und zumutbar sind.
Ein Bundesgerichtsurteil genau zu dieser Frage ist mir nicht bekannt.
Ich hoffe, das dient Ihnen.
Peter Mösch Payot