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EL - Betreuung eines Säuglings als Einkommensverzicht

Veröffentlicht:
07.01.2019
Status:
Beantwortet
Rechtsgebiet:
Sozialversicherungsrecht

Guten Tag
Zur Situation:
Der Ehemann/Vater arbeitet ein volles Pensum in einer Geschützen Werkstatt.
Die Ehefrau/Mutter wurde im Juni wieder Mutter und will sich vorerst ganz der Betreuung des Kindes widmen.
Die AK BE wertet das als Einkommensverzicht: 14 Wochen nach der Geburt sei es wieder zumutbar für die Mutter, in einem 50%-Pensum zu arbeiten bzw. die entsprechenden Bewerbungsnachweise zu bringen.
WEL 3482.03 und 3482.04 1/13, Stand 01/2018, formulieren diesbezüglich nur offen, dass die Familienpflichten zu berücksichtigen sind.
Wird diese Praxis der AK BE so wirklich gestützt?
Oder müsste die Frau zum RAV gehen. Dieses würde sie als nicht vermittelbar zurückweisen (bei Vollzeittätigkeit des Ehemanns, keiner Krippe und Grosseltern im Dorf ist die Kinderbetreuung nicht gewährleistet) - und mit diesem bescheid müsste dann die AK doch zahlen?
freundliche Grüsse
M. Blindow

Frage beantwortet am

Peter Mösch Payot

Expert*in Sozialversicherungsrecht

Lieber Herr Blindow
Das Einkommen bzw. das Verzichtseinkommen (Art. 11 Abs. 1 lit. a und Art. 11 Abs. 1 lit. g ELG) von nichtinvaliden Ehegatten wird nach den allgemeinen Regeln angerechnet, wenn die beiden Personen im Sinne von Art. 1 ELV als Ehegatten zusammenleben und nicht getrennt leben (vgl. dazu Art. 1 Abs. 4 ELV).
Spezielle Sonderregeln sind in der Verordnung, anders als für Teilinvalide (Art. 14a ELV) und für nichtinvalide Witwen (Art. 14b ELV). nicht vorgesehen.
Vor diesem Hintergrund benennen die von Ihnen genannten Rz. 3482.03 und 3482.04 WEL (Stand 1.1.2019) die weiteren Grundlagen für die Praxis.
Ein hypothetisches Einkommen ist im Sinne von Rz. 3483.03 nur dann gar nicht anzurechnen, wenn
der nicht invalide Ehegatte trotz ausreichender Arbeitsbemühungen keine Stelle. Diese Voraussetzung gilt als erfüllt, wenn die Person beim RAV zur Arbeitsvermittlung angemeldet ist sowie qualitativ und quantitativ ausreichende Stellenbemühungen nachweist.
Oder wenn die versicherte PersonTaggelder der Arbeitslosenversicherung bezieht.
Oder wenn die Person nachweist, dass der invalide Ehegatte im Heim leben müsste ohne Betreuung.
Die Betreuung von Kinder hingegen erlaubt es nicht, auf eine Anrechnung des hypothetischen Einkommens ganz zu verzichten.
Immerhin besagt dann aber Rz. 3483.04, dass bei der Frage der Höhe des hypothetischen Einkommens die persönlichen Verhältnisse, und etwa die Betreuung von Kleinkindern Berücksichtigung finden muss.
Vor diesem Hintergrund ist es nicht unwahrscheinlich, dass die Verfügung der Ausgleichskasse gestützt wurde, ausser es kann gezeigt werden, dass dies für die betroffene Person aufgrund besonderer Umstände unzumutbar oder unmöglich ist. Eventuell würde im Einsprache- oder Beschwerdefall die Frist (14 Wochen) etwas ergänzt oder das Pensum etwas reduziert.
Am einfachsten wäre es sicherlich, wenn der Verzicht auf die Berechnung des hypothetischen Einkommens erwirkt werden soll, dass die Anmeldung beim RAV erfolgt und die Stellenbemühungen gemacht werden.
Ich hoffe, das dient Ihnen.
Peter Mösch Payot