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EL-Berechnung rückwirkend korrigieren

Veröffentlicht:
16.11.2017
Status:
Beantwortet
Rechtsgebiet:
Sozialversicherungsrecht

Guten Tag
Meine Klientin ist umgezogen und hat sich im aktuellen Wohnkanton wieder für Ergänzungsleistungen angemeldet. Die dortige Ausgleichskasse hat zwei Berechnungen erstellt (eine mit und eine ohne den minderjährigen Sohn) und kam zum Schluss, dass die Klientin finanziell besser gestellt ist, wenn ihr Sohn nicht einberechnet wird.
Die Klientin hat daraufhin festgestellt, dass sie auch im vorherigen Kanton mehr Ergänzungsleistung erhalten hätte, wenn ihr Sohn nicht in der Berechnung eingeschlossen gewesen wäre. Zudem wurden ihr Kinderzulagen eingerechnet, die sie nicht erhalten hat und für ca. drei Monate Unterhaltszahlungen angerechnet, die sie ebenfalls nicht erhalten hat. Dies geht jedoch zurück auf das Jahr 2015.
Ist es möglich, rückwirkend eine korrigierte Berechnung zu verlangen und wenn ja, wie müsste man vorgehen?
Besten Dank und freundliche Grüsse
Katrin Seidner

Frage beantwortet am

Peter Mösch Payot

Expert*in Sozialversicherungsrecht

Sehr geehrte Frau Seidner
Eine Korrektur einer formell rechtskräftigen, aber fehlerhaften Verfügung/Rechnung der EL, betreffend den Zeitraum der Vergangenheit, richtet sich im Prinzip nach Art. 53 ATSG.
Dieser lautet:
Art. 53 Revision und Wiedererwägung
1 Formell rechtskräftige Verfügungen und Einspracheentscheide müssen in Revision gezogen werden, wenn die versicherte Person oder der Versicherungsträger nach deren Erlass erhebliche neue Tatsachen entdeckt oder Beweismittel auffindet, deren Beibringung zuvor nicht möglich war.
2 Der Versicherungsträger kann auf formell rechtskräftige Verfügungen oder Einspracheentscheide zurückkommen, wenn diese zweifellos unrichtig sind und wenn ihre Berichtigung von erheblicher Bedeutung ist.
3 Der Versicherungsträger kann eine Verfügung oder einen Einspracheentscheid, gegen die Beschwerde erhoben wurde, so lange wiedererwägen, bis er gegenüber der Beschwerdebehörde Stellung nimmt.
In Ihrem Fall geht es um zwei Dinge:
a) Beim fehlerhaften Einbezug des Kindes in die EL-Rechnung wurde, wenn ich die Frage richtig verstehe, nicht etwa ein Sachverhaltselement (also eine Tatsache) falsch angenommen. Sondern eventuell wurde hier das Recht falsch angewendet, konkret die Regeln zur Berücksichtigung der Kinder in die EL-Berechnung im Sinne von Art. 9 Abs. 4 ELG i.V.m. mit Art. 8 ELV. Insoweit sind Vergleichsrechnungen notwendig und ist die günstigere Lösungen zu wählen (vgl. BGE 130 V 266 E. 3.3.; siehe auch WEL (Stand 1.1.2017), Rz. 3124.02).
Solche Fehler in der Rechtsanwendung kann Gegenstand einer Wiedererwägung sein (Art. 53 Abs. 2 ATSG). Hierfür muss die ursprüngliche Entscheidung aber zweifellos unrichtig sein. Auch muss die Berichtigung von erheblicher Bedeutung sein, was z.B. verlangt, dass es um mehr als ein paar hundert Franken geht.
Wenn diese Voraussetzungen gegeben sein können, so kann ein Wiedererwägungsgesuch eingereicht werden. Die Instanz prüft dann zuerst, ob die Voraussetzung für eine Wiedererwägung geben ist. Wenn ja, wird ein neuer Entscheid gefällt. Eine Befristung besteht dabei nicht (BGE 133 V 55). Aber die Versicherung hat ein Ermessen, ob und inwieweit sie eine Wiedererwägung vornimmt. Immerhin muss sie dabei willkürfrei und mit Blick auf die Rechtsgleichheit handelnt.
b) Bezüglich Einrechnung der Kinderzulagen und des Unterhalts, welcher gar nicht erhältlich gemacht wurde müsste anhand der konkreten Fallumstände genauer abgeklärt werden, ob dies zu Recht oder zu Unrecht erfolgte und wenn es ein Fehler war, ob hier eine Revision in Frage kommt (Art. 53 Abs. 1 ATSG) wegen Fehlern in der Sachverhaltsannahme oder auch ein Wiedererwägungsgrund.
Sie sehen schon an den Ausführungen, dass der Fall rechtlich und beweismässig knifflig ist. Und die Hürden für einen Erfolg sind nicht ganz tief. Ich rate Ihnen daher, Ihren Rechtsdienst einzuschalten, um Chancen, Vorgehen und Vorbereitung eines Revisions- bzw. Wiederwägungsgesuchs abschätzen zu können.
Ich hoffe, das dient Ihnen.
Prof. Peter Mösch Payot