Eine Klientin bezieht eine IV-Rente und Ergänzungsleistungen (EL). Dazu arbeitet sie in einem geschützten Rahmen und erzielt damit einen Lohn zwischen CHF 200.00 und 300.00.
Dieser Lohn wird nun durch das Betreibungsamt gepfändet, steht der Klientin also faktisch nicht zur Verfügung. Aus diesem Grund habe ich bei der Ausgleichskasse beantragt, dass der Lohn bei der EL-Berechnung nicht mehr als Einnahme berücksichtigt wird.
Dieser Antrag wurde abgelehnt. In ihrer Antwort schreibt die Ausgleichskasse: "Die Pfändung kann nicht berücksichtigt werden, da es sich dabei um Schuldenrückzahlung handelt und für die Berücksichtigung der Schuldenrückzahlungen als Ausgaben besteht im Rahmen des EL-Rechts keine Rechtsgrundlage".
Nun habe ich ja nicht beantragt, dass die Schuldenrückzahlung als Ausgabe taxiert wird, sondern dass der gepfändete Lohn nicht als Einnahme im Budget steht. Bevor ich diesbezüglich aber weitere Schritte unternehme, möchte ich abklären, wie dies rechtlich aussieht. Ist es rechtlich korrekt, einen gepfändeten Lohn als Einnahme in eine EL-Berechnung zu nehmen? Besten Dank für eine Rückmeldung.
Frage beantwortet am
Peter Mösch Payot
Expert*in Sozialversicherungsrecht
Sehr geehrter Herr P.
Lohn wird gepfändet, weil diese Pfändung dazu dient Schulden zurückzuzahlen.
Wirtschaftlich relevante Schulden können zwar bei den Ergänzungsleistungen vom Bruttovermögen (mit Blick auf den Vermögensverzehr) in Abzug gebracht werden.
Die Rückzahlung von Schulden kann aber nicht beim Einkommen abgezogen werden.
Das Bundesgericht hatte vor mehr als 15 Jahren entschieden, dass Einkommen, welches dem Betroffenen wegen einer Verrechnung gar nicht zukommt, nicht angerechnet werden kann. Es könnte argumentiert werden, dass dies auch für gepfändete Einkommen gelten müsste (vgl. BGer P 68/06 vom 7. August 2008; besten Dank für den Hinweis Georg Merkl).
Allerdings liegt die Situation bei zugekommenen Leistungen, die dann für die Schuldentilgung verwendet werden, m.E. anders.
So wurde für den Fall der beschränkten Pfändung von PK-Renten gerichtlich (in einem nicht angefochtenen kantonalen Urteil), unter Verweis auf den Wortlaut von Art. 11 ELG entschieden (vgl. Entscheid EL 2021/ des Versicherungsgerichts St. Gallen vom 27.1.2022), dass jene Renten vollständig angerechnet werden, weil sie "buchhalterisch" dem Betroffenen zufliessen.
Gleiches gilt in der EL gemäss gängiger Praxis, wenn über Vollstreckungsmassnahmen andere Einkommen, wie Lohn gepfändet wird.
Das Bundesgericht hat sich so weit ersichtlich noch nie eindeutig zu dieser Problematik geäussert. Die Praxis führt tatsächlich dazu, dass die Betroffenen auf dem NIveau des betreibungsrechtlichen Existenzminimums anstatt des EL-rechtlichen Existenzminimums leben müssen. Ev. kann es ratsam sein, einen geeigneten Fall der bundesgerichtlichen Klarstellung zuzuführen.
Beste Grüsse Peter Mösch Payot