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Einstellung des KTG

Veröffentlicht:
22.01.2021
Status:
Beantwortet
Rechtsgebiet:
Sozialversicherungsrecht

Liebes Beratungsteam

Wir haben einen Pat., der während 30 Jahren bei der selben Firma als Gärtner angestellt ist. Im 09/2019 erlitt er einen Schlaganfall. Er wurde 100% AUF, eine IV-Anmeldung ist erfolgt. Nach  stationären Rehabilitation erfolgte bis 08/2020 ambulante Ergo-, Physiotherapie  und Neuropsychologie. Danach erfolgte die weiter Begleitung durch den HA. Das Pensum konnte bis Ende 09/2020 auf 50% gesteigert werden.  Der HA schrieb am 01/12/2020 im Fragebogen an die KTGV , dass der Pat. voraussichtlich per 01/01/2021 wieder 100% AF sei. Da der Pat. aber noch Beschwerden hatte, erfolgten zeitgleich weitere Abklärungen der Augen im USZ wegen seinen Doppelbildern. Daraufhin blieb der HA bei der Krankschreibung von 50%. Die Sachbearbeiterin der KTGV interessierte das nicht. Sie entschied, dass der Pat. ab 01/01/2021 wieder 100% AF sei, trotz schriftlicher Stellungnahe des HA. Sie schrieb:  Im Moment gilt der Pat. für uns nach wie vor ab dem 01.01.2021 zu 100 % arbeitsfähig. Das Schreiben des HA ist für uns nicht aussagekräftig genug, um unseren Entscheid rückgängig zu machen.  Wir leiteten umgehend  eine fachneurologischen Abklärung bei uns im Haus ein. Diese erfolgte am 06/01/2021. Dort wurde klar eine weiterhin 50%ige AUF bestätigt. Inwiefern die KTGV auf diese Krankschreibung eingeht, ist noch abzuwarten.

Das der Pat. ab 01/01/2021 wieder 100% AF sein sollte, war eine reine Vermutung des HA die er gar nicht hätte äussern sollen. Diesen Fehler wollte er danach wieder Rückgängig machen. Es gab daher keine med. Hinweise, dass die AF sich dramatisch verbessern werde. Trotzdem entschied die KTGV aufgrund dieser Vermutung des HA die Leistungen einzustellen.

Unsere Frage: Wie kann sich ein Pat. gegen eigennützige Entscheide einer KTGV wehren, wenn diese nicht einlenken will? Ist die einzige Möglichkeit eine Beschwerde zu machen oder gibt es andere strategische Möglichkeiten? Wie kann das Kräfteverhältnis an dieser Stelle etwas ausgeglichen werden?

Liebe Grüsse

Marius

Frage beantwortet am

Daniel Schilliger

Expert*in Sozialversicherungsrecht

Guten Tag Herr Viselka

Der Rechtsweg bei Krankentaggeldversicherungen ist davon abhängig, ob es sich um eine KVG (Krankenversicherungsgesetz) oder VVG (Versicherungsvertragsgesetz) Versicherung handelt. Die erste Kategorie gehört zum Sozialversicherungsrecht, die zweite zum Privatversicherungsrecht.

Die Frage zu welchem Versicherungszweig die KTV gehört ist aus der Police ersichtlich oder kann bei der Versicherung nachgefragt werden. Die meisten KTV stützten sich auf das VVG und gehören somit zu den Privatversicherungen. Achtung: Auch KTV, die von Krankenkassen angeboten werden, sind oft Teil der Zusatzversicherungen und stützen sich damit oft auf das VVG, nicht KVG.

Bei KVG-Versicherungen (Art. 67ff. KVG) läuft das Verfahren nach ATSG ab. Man kann also bei einer Leistungseinstellung eine Verfügung verlangen und dagegen Einsprache erheben und gegen den Einspracheentscheid eine Beschwerde beim kantonalen Gericht und schliesslich beim Bundesgericht einreichen (Art. 80ff. KVG und 49ff. ATSG).

Bei den - viel häufigeren – VVG-Versicherungen ist es im Prinzip ein Klageverfahren nach Zivilrecht. Das bedeutet, dass keine Verfügungen erlassen werden, sondern eine Klage einzureichen ist, wenn man mit einer Leistungseinstellung nicht einverstanden ist. Es ist je nach Kanton unterschiedlich, wo diese Klage eingereicht werden muss. Es gibt Kantone, die die Zuständigkeit – obwohl Zivilrecht – wegen der thematischen Nähe zum Sozialversicherungsrecht, dem kantonalen Gericht zu teilen, das auch für das Sozialversicherungsrecht zuständig ist (Versicherungsgericht, Verwaltungsgericht, Kantonsgericht, Obergericht oder ähnlich genannt). Am besten fragen Sie direkt beim kantonalen Gericht nach.

Beim Sozialversicherungsgericht Baselstadt finden Sie eine gute Vorlage für eine einfache Klage:

https://www.sozialversicherungsgericht.bs.ch/gerichtsverfahren/gesuche-klagen.html

Ich empfehle folgendes Vorgehen:

  • Rasch handeln, da im Privatversicherungsbereich kurze Verjährungsfristen bestehen. Allenfalls von der Versicherung eine Erklärung einholen, dass sie darauf verzichtet, die Verjährung geltend zu machen (das ist ein verbreitetes Vorgehen).
  • Prüfen ob eine Rechtschutzversicherung (oft auch als Zusatz bei Krankenversicherungen) besteht und diese umgehend informieren. Möglicherweise übernimmt die dann.
  • Inhaltlich mit einer Nachfrage bei der KTV klären, wo die Differenzen in der Beurteilung bestehen bzw. wie der Entscheid begründet wird. Gegebenenfalls Arztberichte einholen, die Bezug nehmen auf diese Differenzen.
  • Konkret würde ich empfehlen die fachneurologische Abklärung einzuholen (Akteneinsicht) und gestützt darauf die entsprechenden Taggelder zu verlangen. Da der Rechtsweg mühsam ist, ist es ratsam hartnäckig telefonisch und schriftlich nachzufragen.

Mit den Suchbegriffen «Einstellung Krankentaggeld» sind in diesem Forum diverse Antworten zu finden, die das Thema noch inhaltlich vertiefen.

Freundlicher Gruss

Daniel Schilliger