Meine Klientin ist alleinerziehende Mutter von drei schulpflichtigen Kindern. Sie wurde bis am 31.10.18 vollumfänglich mit WSH unterstützt. Diese wurde ihr nun per 1.11.18 eingestellt.
Vorgeschichte: Die Klientin hat im Frühjahr 2018 ihren Master in Linguistik abgeschlossen. Danach hat sie intensiv nach einer Anstellung gesucht (auch sich für Praktika beworben). Da sie jedoch keine Berufserfahrung vorweisen konnte und auch schon 40 Jahre alt ist, hatte sie bei der Stellensuche keinen Erfolg. Ihr Berufsberater hat ihr angeraten, noch das Diplom für das höhere Lehramt abzuschliessen. damit erhöhen sich ihre beruflichen Chancen sehr, dann gerade in ihrem Fachbereich sind die Lehrkräfte rar. Auch würde ihr der Lehrberuf ermöglichen, Teilzeit zu arbeiten und so noch Zeit für ihre Kinder zu haben (das jüngste ist im Kindergarten). Für dieses Zusatzstudium hat sie sich um ein Stipendium bemüht, welches sie auch zugesprochen erhalten hat. Dieses Stipendium deckt jedoch nicht die Lebenskosten für ihre Familie. Jetzt wurde ihr wie schon erwähnt die WSH eingestellt, mit der Begründung, sie hätte sich nicht an die Auflagen gehalten (Praktikumstelle gesucht - aber ein Praktikum hätte weniger eingebracht als die Stipendien). Auch wurde gleich eingestellt, nicht gekürzt, die aufschiebende Wirkung wurde entzogen. Wie gross schätzen sie die Chancen auf Rekurs? Vielen Dank für Ihre prompte Rückmeldung (die Zeit drängt, da innerhalb von 20 Tagen Beschwerde erhoben werden muss).
Frage beantwortet am
Anja Loosli
Expert*in Sozialhilferecht
Sehr geehrte Frau Egli
Vielen Dank für Ihre Frage. Ich beantworte diese gerne wie folgt:
In Art. 28 Abs. 1 des Sozialhilfegesetzes des Kantons Uri (SHG Uri) wird festgehalten, dass der Regierungsrat Richtlinien für die Bemessung der Unterstützung erlasse und sich dabei an den Richtlinien der Schweizerischen Konferenz für Sozialhilfe (SKOS) orientiere. Verbindliche Richtlinien scheint es im Kanton Uri neben dem Gesetz jedoch nicht zu geben. Es gibt hingegen ein Sozialhilfehandbuch, das allgemeine Empfehlungen abgibt, für die Gemeinden aber nicht verbindlich ist. Es wird jedoch ausgeführt, dass sich der Kanton Uri für die Bemessung der wirtschaftlichen Hilfe auf die SKOS-Richtlinien stützt. In Kapitel H.6 dieser wird ausgeführt, dass Beiträge der Sozialhilfe an eine Zweitausbildung oder Umschulung nur geleistet werden können, wenn mit der Erstausbildung kein existenzsicherndes Einkommen erzielt werden kann. Ebenso ist eine Zweitasbildung oder Umschulung zu unterstützen, wenn damit die Vermittlungsfähigkeit erhöht werden kann. Dabei sollte es sich um eine anerkannte Ausbildung handeln. Für die Abklärung sind Fachstellen beizuziehen. Auch Kosten von beruflicher Fort- und Weiterbildung können von der Sozialhilfe übernommen werden, wenn wenn sie zum Erhalt oder der Förderung der beruflichen Kompetenzen beitragen. Aus dem Sozialhilfehandbuch Uri lässt sich weiter lesen, dass jemand, der Sozialhilfe bezieht, alles in seiner Macht Stehende tun muss, um die Notlage zu beheben und andererseits, dass die mangelnde Mitwirkung die Kürzung bis hin zur Einstellung zur Einstellung zur Folge haben kann. Allerdings soll die Einstellung nur ausnahmsweise erfolgen, nämlich dann wenn die unterstützte Person sich in Kenntnis der Folgen wiederholt weigert, den Mitwirkungspflichten nachzukommen. Diese Regelung lässt sich auch Art. 31 SHG Uri entnehmen: Wenn verfügten Auflagen/Weisungen zuwider gehandelt wird, können die Unterstützungsleistungen eingestellt werden.
Aufgrund des Sachverhalts weiss ich nicht, ob die Klientin vor dem Studium bereits eine erste Ausbildung abgeschlossen hat. Der Master in Linguistik stellt aber auf jeden Fall eine abgeschlossene Erstausbildung dar. Das Lehramt kann als Zweitausbildung oder auch Weiterbildung betrachtet werden, die dann Sinn macht, wenn mit dem Studium kein Erfolg auf berufliche Eingliederung besteht. Dies hat die Klientin offenbar aklären lassen, aber - so verstehe ich den Sachverhalt - die Sozialhilfe nicht einbezogen. Diese hatte ihr nach dem Abschluss offenbar die Auflage gemacht, eine Praktikumsstelle zu suchen. Indem die Klientin nun aufgehört hat, eine Praktikumsstelle zu suchen (so verstehe ich den Sachverhalt) und weiter studiert, verletzt sie diese Auflagen und es sind aus Sicht der Sozialhilfe Sanktionen angezeigt. Allerdings darf die Einstellung gemäss Handbuch nur dann verfügt werden, wenn die Klientin wusste, dass die Folgen der mangelhaften Praktikumssuche sind und die Klientin sich wiederholt geweigert hat, eine Praktikumsstelle zu suchen. Wurde ihr die Einstellung nicht angedroht oder wurde die Klientin noch nie verwarnt wegen der Praktikumssuche, so dass es sich um eine wiederholte Pflichtverletzung handelt, ist die Einstellung schon mangels Androhung der Folgen oder Wiederholung nicht zulässig. Hat die Behörde zwar bei unzureichenden Praktikumsbemühungen die Einstellung angedroht, kann die Klientin aber durch die nachweislich erfolglosen Bemühungen und die schriftlichen Aussagen der Berufsberatung beweisen, dass die Auflage deshalb keinen Sinn macht, weil sie ohne Zusatzausbildung gar keine Stelle finden kann, dann ist die Einstellung trotz Androhung nicht verhältnismässig und das Ermessen (Kann-Bestimmung) wird überschritten.
Sollte die Einstellung also entweder ohne vorherige Androhung der Einstellung und/oder ohne Verwarnung (Wiederholung) erfolgt sein und/oder kann Ihre Klientin belegen, dass sie sich erfolglos um eine Praktikumsstelle bemüht und eine Fachperson ihr zur Zusatzausbildung geraten hat, um Chancen auf dem Arbeitsmarkt zu haben (dafür spricht ja schon, dass sie Stipendien zugsprochen bekommen hat), dann scheint mir ein Rekurs wegen Überschreitens des Ermessens gute Chancen auf Erfolg zu haben.
Ich hoffe, Ihnen mit meiner Auskunft weiterhelfen zu können und wünsche Ihnen und Ihrer Klientin viel Erfolg.
Freundliche Grüsse
Anja Loosli Brendebach